Neuer Anlauf für GrossanlassViola Amherd will Olympische Spiele in der Schweiz
Nach acht gescheiterten Versuchen wächst im Schweizer Wintersport eine Allianz für eine neue Kandidatur heran. Jetzt zeigt sich: Die Sportministerin ist an Bord. Doch kann sie die Basis dafür schaffen?
Die Liste der geplatzten Hoffnungen auf Olympische Winterspiele ist lang: Achtmal ist die Schweiz in den letzten 35 Jahren gescheitert. Doch nun zeigt ein interner Brief von Swiss Olympic, dem Dachverband des Schweizer Sports, dass Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd eine neuerliche Kandidatur befürwortet.
Damit stellt sich die Frage, ob die Mitte-Bundesrätin im Gegensatz zu ihren Vorgängern im Verteidigungsdepartement eine Basis schaffen kann, einen der wichtigsten Sportanlässe der Welt in die Schweiz zu holen.
Bis jetzt wollte Amherd sich nicht positionieren. Jetzt aber wird klar: Die Oberwalliserin will.
«Bundesrätin Amherd steht den Bemühungen um die Durchführung von nachhaltigen, auf die Schweiz zugeschnittenen und breit abgestützten Spielen grundsätzlich positiv gegenüber», bestätigt Amherds Sprecher Renato Kalbermatten auf Anfrage. Die Schweiz sei ein sportbegeistertes Land und trage viele nationale und internationale Grossanlässe aus. Die Bundesrätin sei überzeugt, dass internationale Veranstaltungen nachhaltige Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft auslösen können, sagt Kalbermatten.
Geeinte Sportverbände machen Druck
Die positive Grundhaltung Amherds gibt aktuellen Bemühungen um eine neue Olympiakandidatur massiven Aufwind. Hinter den Kulissen laufen seit einiger Zeit Abklärungen, unter welchen Bedingungen Olympische Winterspiele im Jahr 2030 oder später in der Schweiz möglich sein könnten.
Schon jetzt ist klar: Die Verantwortlichen wollen die Fehler, die in den vergangenen Jahrzehnten sämtliche Schweizer Olympiaträume platzen liessen, nicht wiederholen. Auch dies geht aus dem Brief von Swiss Olympic an die Präsidentinnen, Direktoren und Geschäftsstellen der Mitgliedsverbände des Nationalen Olympischen Komitees hervor.
Und dies soll bei der neuen Kandidatur anders sein als früher:
Erstmals haben sich die nationalen olympischen Wintersportverbände zusammengeschlossen. Ein prominenter Unterstützer ist der Präsident von Swiss Ski – und Abfahrtsweltmeister 1993 –, Urs Lehmann. Gleichzeitig machen die Verbände gemeinsam Druck. Zehntausende Mitglieder stellten sich hinter gemeinsame Winterspiele. Im Brief heisst es dazu: «Die Einbindung der olympischen Wintersportverbände von Beginn an hat es so bisher noch nie gegeben.»
Die Spiele würden dezentral organisiert. Nach dem Prinzip: Kooperation statt Kantönligeist. Im Brief heisst es dazu, das Ziel sei, dass der gesamte Schweizer Sport und möglichst viele Bereiche der Gesellschaft von den Winterspielen profitieren sollen.
Dies wiederum bedeutet, dass keine lokalen Konzepte mehr verfolgt werden. Damit würde erstmals die gesamte Wintersport-Nation Schweiz kandidieren. Das könnte heissen: Bobrennen in St. Moritz, Herrenabfahrt am Lauberhorn und Super-G der Damen im Wallis. Eishockey würde in den grossen Arenen der Städte gespielt.Es bräuchte keine teuren Neubauten für Stadien und Wettkampfstätten. Sogar die Skispringer könnten in Engelberg und Kandersteg auf bestehender Infrastruktur um Gold kämpfen. Nur für Eisschnelllauf – und allenfalls für Skeleton – müssten neue Bahnen errichtet werden.
Nur ein national bekanntes Aushängeschild fehlt noch
Alt-Bundesrat Adolf Ogi ist von der neuen Herangehensweise sehr angetan. «Die Schweiz könnte morgen Olympische Winterspiele durchführen, wenn sie auf der bestehenden Infrastruktur basiert», sagt er. Es brauche nur geringfügige Anpassungen. «Wir können das, wir sollen das wagen», so der Berner Oberländer. Die Schweiz habe mit einem dezentralen Konzept Voraussetzungen wie niemand sonst auf der Welt.
Zum Druck von unten, seitens der Sportverbände, kommt nun also das klare Bekenntnis von oben, von Sportministerin Amherd. Dieses erhöht die Chancen auf eine Kandidatur.
Was noch fehlt, ist ein national bekanntes Aushängeschild: eine Miss Olympia oder ein Mister Olympia. Folgende Persönlichkeiten kämen dafür beispielsweise infrage:
Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Er ist der einzige Bundesparlamentarier, der eine Schweizer Olympiaorganisation anführt: den Pferdesportverband. Er wird hinter den Kulissen auch als neuer Präsident von Swiss Olympic gehandelt.
Die ehemalige Aargauer SP-Ständerätin und Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer hatte in Bern über die Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf. Nach ihrer Politkarriere hat sie eine Laufbahn in der Privatwirtschaft eingeschlagen. Sie wird ebenfalls als mögliche Nachfolgerin von Jürg Stahl gehandelt, dem heutigen Präsidenten von Swiss Olympic.
Die frühere Mitte-Bundesrätin Doris Leuthard: Sie könnte Sympathien für das Projekt gewinnen. Denkbar wäre auch eine Doppelspitze – etwa mit Damian Müller –, die politisch das gesamte Mitte-Spektrum abdecken könnte.
SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel: Der Rheintaler organisierte in seiner Zeit als Fifa-Funktionär weltweit Jugend-Fussballweltmeisterschaften mit. Ebenso war er Marketingverantwortlicher im Skiverband, als die Schweizer Teams in den aufsehenerregenden Käse-Anzügen antraten.
Politisch wird eine Kandidatur demnächst auch im Bundeshaus zum Thema. Beim Bund wird aktuell ein Bericht erarbeitet. Dieser soll aufzeigen, wie die Mitsprache der Bevölkerung und des Parlaments bei der Organisation und Unterstützung solcher Grossveranstaltungen gewährleistet werden soll.
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