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Porträts: Die mit dem grünen Daumen
Das sind die neuen Hobbygärtnerinnen des Corona-Jahres

Die Thunerin Karin Wenger ist eine von vielen, die im Corona-Jahr 2020 Gärnern als neues Hobby entdeckt haben.
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Als es im März auf einmal «bleiben Sie zu Hause» hiess, fragten sich viele in der Schweiz, was sie denn nun mit so viel Zeit anfangen sollten. Die einen fingen an zu kochen oder abonnierten Netflix. Andere griffen zum ersten Mal zur Gartenschaufel. Das Corona-Gärtnern zeigte bald Folgen: Beim Samenproduzenten und Online-Versandhändler Zollinger in Les Evouettes VD zum Beispiel brach der Server zusammen und es musste Schichtbetrieb beim Abpacken eingeführt werden. Kaum wurde der Lockdown ein wenig gelockert, standen die Leute Schlange vor Gärtnereien und Gartencentern. Wahrscheinlich waren die Gärten in der Schweiz noch nie so gut gejätet und liebevoll bepflanzt wie im Jahr 2020. Wie ist es diesen Menschen ergangen? Corona-Neugärtner erzählen.

Thomas Amrein mit Sila, Lena und Nobel, Oberstufenschule Buchs AG

«Ich spüre immer wieder, wie gut der Garten den Jugendlichen tut»: Lehrer Thomas Amrein mit Sila Osma, Lena Näf und Nobel Merhawi im Schulgarten in Buchs AG.

Thomas Amrein, Klassenlehrer 2. Sek Buchs AG, Mitinitiant Schulgarten: «Meine Lehrerkollegin und ich hatten eigentlich bereits vor Corona einen Schulgarten geplant. Aber während des Lockdown hatten wir viel mehr Zeit zur Verfügung und konnten uns so richtig dem Projekt widmen. Vor allem wurde uns auch bewusst, dass wir in der Krise die Prioritäten anders setzen müssen, da die Versorgung mit Lebensmitteln auf einmal einen anderen Stellenwert hat. Was wäre, wenn die Importe aus dem Ausland ausfallen würden? Solche Gedanken haben dem Projekt Auftrieb gegeben.

«Während im Schulzimmer schnell Spannungen entstehen, ist es im Garten viel friedlicher und ruhiger.»

Thomas Amrein

Ein Bauer hatte uns acht Aren Land zur Verfügung gestellt und den Boden gepflügt. Kaum konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden, legten wir los mit unseren beiden Klassen, teilten die Beete ein, bestellten Saatgut und pflanzten an.

Ich spüre immer wieder, wie gut der Garten den Jugendlichen tut. Während im Schulzimmer schnell Spannungen entstehen, ist es im Garten viel friedlicher und ruhiger. Hier wird nicht in erster Linie der Kopf angesprochen, sondern die Hand und das Herz. Einige meiner Schüler haben besonders Feuer gefangen mit dem Gärtnern.»

Nobel Merhawi (15): «Meine Mutter hatte einmal ein paar Gartenbeete gepachtet, und ich habe sie ab und zu dahin begleitet. Aber sonst hatte ich bis zum Start des Schulgartens überhaupt keinen Bezug zum Gärtnern. Diese Kürbisse waren die ersten Pflanzen, für die ich verantwortlich war. Ich realisierte bald, dass ich mich darum kümmern muss, damit sie auch gedeihen. So schaute ich manchmal auch ausserhalb der Schulzeiten im Garten vorbei, zum Beispiel wenn ich nebenan Fussball spielte. Dieses Gartenbeet zu haben, war so ganz anders als alles andere, was ich sonst mache. Ein schönes Erlebnis, auch wenn ich nicht weiss, wo und wie ich in Zukunft weitergärtnern kann.»

Sila Osma (13): «Obwohl wir zu Hause einen grossen Garten haben, wurde mein Interesse am Anpflanzen erst im Schulgarten geweckt. Wie genau dies passiert ist, weiss ich auch nicht so genau. Mit den anderen draussen zu sein und zusammen arbeiten zu können, hat mir Spass gemacht. Ich zog Kürbisse und Gurken in meinem Beet – meine Favoriten unter dem Gemüse. Sicher werde ich nun zu Hause auch gern mitgärtnern.»

Lena Näf (14): «Cool, es werden wohl ein paar Mathestunden ausfallen, war mein erster Gedanke, als ich vom Schulgarten erfuhr. Zu Hause fand ich Gartenarbeit bis jetzt nicht so toll, Jäten ist eigentlich nicht mein Ding. Aber mit meinen Freundinnen zusammen Zeit mit Gartenarbeit zu verbringen, war etwas ganz anderes. Wir entschieden uns für Tomaten und Rüebli sowie für Erdbeermais und Soja. Von den beiden letzteren Pflanzen hatte ich vorher noch nie etwas gehört und ich fand es sehr spannend, diese kennenzulernen. Leider wurde uns das Gemüse zum Teil gestohlen, was wirklich traurig ist. Dabei haben wir auch immer wieder Rüebli und Zucchetti direkt vom Garten verschenkt – man hätte uns ja auch einfach fragen können.»

Cornelia Leutenegger, Verantwortliche Marketing und Events, 52, Feldbrunnen-St. Niklaus SO

«Unsere Gartengestalterin schaffte es, mir zu vermitteln, dass Gartenarbeit auch sehr beruhigend und meditativ sein kann»:  Cornelia Leutenegger mit Mann  Thomas in ihrem Garten in Feldbrunnen-St. Niklaus.

«Ich war immer der Meinung, dass ich absolut keinen grünen Daumen habe. Wir wählten deshalb vor zwölf Jahren extra ein Wohnhaus mit kleiner Rasenfläche. So, dass unser Sohn Fussball spielen oder wir Swimmingpool und Trampolin aufstellen konnten. Nachdem er diesen Raum nicht mehr braucht, stellte sich für uns die Frage, was wir mit diesen 100 Quadratmetern nun machen. Überall hört man von Biodiversität und wir fragten uns, ob man mit einer so kleinen Fläche auch einen Beitrag leisten kann. Wir beauftragten eine Freundin in der Gemeinde, die gerade die Ausbildung Gestalten mit Pflanzen an der Gartenbauschule Oeschberg abschloss. Sie sollte etwas Aussergewöhnliches planen, aber auch etwas Pflegeleichtes, damit ich nicht viel damit zu tun habe. Wir liessen die Rasenfläche abtragen, einen Kiesweg und Staudenbeete anlegen.

«Jetzt kann ich den nächsten Frühling und die Zeit im Garten kaum mehr erwarten.»

Cornelia Leutenegger

Am Tag vor dem Lockdown wurden die Pflanzen geliefert und gesetzt. Gewürze, Gräser, Stauden. Dann sah ich mich auf einmal zuständig für all diese Neuankömmlinge, die Wasser und Zuwendung brauchten. Unsere Gartengestalterin schaffte es, mir zu vermitteln, dass Gartenarbeit auch sehr beruhigend und meditativ sein kann. Schritt für Schritt näherte ich mich den Pflanzen an. Begann mich einzulesen, mich für sie zu interessieren.

Immer mehr begeisterte es mich, in diese Welt einzutauchen, ein paar Momente ganz für mich sein zu können. Jetzt kann ich den nächsten Frühling und die Zeit im Garten kaum mehr erwarten.»

Karin Wenger, Kaufmännische Angestellte, 30, Thun BE

«Das Gärtnern ist meine ganz persönliche Rückkehr zur Natur, ein Ankommen bei mir selbst»: Karin Wenger posiert in ihrem Garten in Thun. 

«Als wir vor zwei Jahren in diese Parterre-Wohnung zogen, setzten mein Mann und ich einen Brombeerstrauch und Heidelbeerstöcke und stellten ein kleines Hochbeet auf. Mehr wollten wir nicht, ich sagte klar: Ich möchte nicht gärtnern. Meine Mutter hatte einen sehr grossen Garten, und ich hatte die Gartenarbeit nicht in bester Erinnerung. So etwas wollte ich mir nicht aufhalsen.

Dann kam der Lockdown. Ich verbrachte viel mehr Zeit zu Hause mit meinem Mann und unserem vierjährigen Sohn. Als Erstes säten wir Blumensamen, ein Werbegeschenk, ins Hochbeet. Dann ging es weiter mit einer Kräuterecke, die ich mit Erdbeerstöcken und Zwiebeln ergänzte. Schliesslich fing ich an, den Rasen abzutragen und zwei Gemüsebeete anzulegen. Im Internet las ich viel über Misch- und über Permakultur und spürte immer mehr, dass mir genau dies entspricht: Seine Umgebung so zu gestalten, dass man etwas ernten kann, dass es aber auch schön und ansprechend ist, um sich gern darin aufzuhalten.

«Nun träume ich von einem Tomatenhaus und dem ersten eigenen Sugo.»

Karin Wenger

Natürlich ist es nicht perfekt. Den Sitzplatz, den mein Mann und ich in diesem Sommer anlegten, werden wir an einen anderen Ort verlegen müssen, weil es am jetzigen Standort einfach zu heiss ist. Aber dies gehört zum Prozess dazu.

Ich bin sehr froh, habe ich dank Corona diese Freude am Gärtnern entdeckt. Es ist meine ganz persönliche Rückkehr zur Natur, ein Ankommen bei mir selbst. Nächstes Jahr soll es daher unbedingt weitergehen. Nun träume ich von einem Tomatenhaus und dem ersten eigenen Sugo.»