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Meinung

Nachgehackt
Hasten, warten oder in den Garten?

Ein Salatsetzling, gepflanzt an einem warmen Frühlingstag. Und dann kommt über Nacht hinterrücks wieder der Frost.
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Meine Lieblingsgärtnerei hat dieser Tage ein neues Sprichwort auf ihre Website gestellt. «Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.» Diese Worte stammen von Rabindranath Tagore, einem indischen Dichter, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt.

Und ich finde, der Spruch passt wunderbar in die heutige Zeit, in der man mehr zu Hause ist als normalerweise. In der das Leben zwar verlangsamt ist, wir aber auch fürchterlich unruhig sind und den News hinterherjagen. Und in der der Garten langsam wieder zum Leben erwacht.

Langsam. Denn nur zu gerne lassen wir uns von den ersten warmen Frühlingstagen zu allerlei törichten Aktionen verführen. Pflanzen Salate oder Kohlrabi, natürlich im gebührenden Abstand, oder säen Randen, wie immer viel zu eng. Und dann kommt hinterrücks über Nacht wieder der Frost, es fallen plötzlich Schneeflocken.

Es gilt Ruhe zu bewahren. Das sagte mir der Mann, als ich in meinem Übereifer loslegen, gleich die nächste Bestellung bei der Gärtnerei durchgeben wollte. Lattich. Und ein neuer Salatsatz. Schliesslich sollte man alle zehn Tage Salate setzen, damit die Ernte in einigen Wochen dann fortwährend weitergeht, nicht alle Setzlinge aufs Mal in den Garten bringen, die Kurve abflachen.

«Es schneit noch einmal», sagte der Mann, «du musst etwas Geduld haben». «Ich will aber in den Garten», sagte ich.

Die Erde spüren, die grossen Klumpen zerkrümeln, gleichzeitig den Nachrichtenfluss wegdrücken, die Welt wegrücken. Mich ganz auf die Löwenzahnwurzel konzentrieren, die sicher 40 Zentimeter tief unter die Erde reicht. Ausgiebig den Boden lockern, mir als Ziel setzen, sie ganz herauszuziehen. Es kann ein Ansporn für den Tag sein.

Die ganze Terrasse jäten und dabei entdecken, dass der Winterportulak sogar zwischen den alten Backsteinen ein paar Krümel Erde gefunden hat, um zu wachsen. Mich ärgern über die Quecke, das fiese Gras, das sich über unterirdische Wurzeln ausbreitet. Es macht auch hier nicht halt, ein kleines, isoliertes Wurzelpartikel reicht ihm, um sich weiter auszubreiten.

Und mit solch nichtigen, aber erfüllenden Gedanken krieche ich den ganzen Nachmittag über die immerhin sonnengewärmten alten Steine. Am Abend habe ich eine saubere Terrasse. Und kann vor Hüftschmerzen nicht mehr sitzen.

Ich fühle mich erschöpft, wie nach einer anstrengenden Wanderung, bei der ich auf der Heimreise die ganze Zeit über im vollen Zug stehen bleiben musste und ein warmes Büchsenbier mit drei anderen teilte. Ich trinke das verdiente Bier, das direkt aus dem vollen Kühlschrank kommt. Falle später todmüde ins Bett, und, bevor ich auch das zweite Auge schliesse, stelle ich fest, dass ich ganz vergessen habe, die News noch einmal zu checken. Ich schliesse das zweite Auge.

Die News können ja bis morgen warten. Wobei: Auch dann gehe ich lieber in den Garten.