Kommentar zum WahlfälschungsprozessSo viel Schludrigkeit passt schlecht zur Schweizer Demokratie
Der Frauenfelder Ex-Stadtschreiber wurde der Wahlfälschung schuldig gesprochen. Der Prozess zeigte erschreckend deutlich, wie anfällig Auszählungen sein können.

Am Ende gaben Indizien den Ausschlag: Fingerabdrücke, Kopien von Kontrollblättern und die Analyse von Falttechniken reichten den Richtern als Beweise dafür, dass der ehemalige Stadtschreiber von Frauenfeld Resultate der Thurgauer Grossratswahlen gefälscht hat. Sie verurteilten ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und zu einer Busse von 3000 Franken.
Dass es zu einem Schuldspruch kam, ist gerade deshalb bemerkenswert, weil viele Glieder in der Argumentationskette der Staatsanwaltschaft nicht mehr verifizierbar waren. Zahlreiche Dokumente – wie die Kontrollblätter des Wahltags oder die Reserveunterlagen, aus denen der Täter die zusätzlichen SVP-Listen gefischt haben soll – wurden schon vor Beginn der Ermittlungen vernichtet. (Lesen Sie auch: Was ein Demokratie-Experte zum Fall Frauenfeld sagt)
Viele Punkte blieben deshalb während des ganzen Prozesses umstritten. Die von der Verteidigung vorgebrachten Alternativtheorien waren zahlreich: Haben vielleicht die Auszählenden die Listennummern 06 und 09 verwechselt, ohne dass jemand Notiz davon nahm? Oder hat das Putzpersonal, das ebenfalls Zutritt zu den Räumlichkeiten hatte, die Wahlzettel ausgetauscht? Streikte am Ende die Zählmaschine? Mit Sicherheit verneinen konnte das niemand.
Eine solche Schludrigkeit passt schlecht zum korrekten Bild, das die Schweizer Behörden sonst so gern von sich zeichnen.
Zurück blieb der Eindruck eines Wahl- und Abstimmungssystems, das vor Sicherheitsmängeln und Lücken nur so strotzt. Denn auch in der Darstellung der Staatsanwaltschaft und der Zeugen kam die Stadt nicht wesentlich besser weg. Der befragte Leiter der Einwohnerdienste konnte beim besten Willen nicht mehr reproduzieren, wie viele Reserve-Wahlunterlagen normalerweise in seinem Schrank liegen und wer sich dort alles hätte bedienen können.
Eine solche Schludrigkeit passt schlecht zum korrekten Bild, das die Schweizer Behörden sonst so gern von sich zeichnen. Und noch schlechter zu einem direktdemokratischen System, das vom Vertrauen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lebt.
Immerhin: Seit dem Vorfall werden die angelieferten und abgegebenen Ersatz-Wahlmaterialien in Frauenfeld sauber protokolliert, auch bei den Sicherheits- und Kontrollmechanismen für die Auszählung wurde nachgebessert. Es bleibt zu hoffen, dass auch andere Gemeinden den Gerichtsprozess zum Anlass nehmen, ihre Sicherheitsvorkehrungen noch einmal auf Schwachstellen abzuklopfen. Denn wenn nicht jeder und jede davon ausgehen kann, dass seine oder ihre Stimme am Wahltag genau gleich viel zählt wie die der anderen, sind die Wahl- und Abstimmungsresultate wertlos.
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