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Pilotprojekt gestartet
Jetzt kifft Zürich für die Wissenschaft

Das Studiengras für das Projekt «Züri Can» muss bestimmten gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Verkauft werden neun verschiedene Produkte, darunter «Wedding Cake» mit 20 Prozent THC-Gehalt.
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Hasch oder Cannabisblüten kaufen, und das ganz legal: Seit Dienstag können rund 1200 Zürcherinnen und Zürcher genau das. Sie nehmen an einer Studie teil und kiffen im Rahmen des Stadtzürcher Pilotprojekts «Züri Can – Cannabis mit Verantwortung».

Erhältlich ist das Studiengras aktuell in 16 Abgabestellen, fünf weitere kommen noch hinzu. Eine davon ist das Drogeninformationszentrum (DIZ) an der Wasserwerkstrasse. Eine Schwierigkeit liegt darin, genug Cannabis für die Studienteilnehenden vorrätig zu haben und gleichzeitig nicht zu viel – aus Sicherheitsgründen. Das DIZ bewahrt das Cannabis in einem Safe auf. «Wir bestellen regelmässig nach, damit wir nie grosse Mengen vor Ort haben», sagt Leiter Dominique Schori.

Für die erste Woche sollte es auf jeden Fall reichen, versichert er. Pro Tag darf man maximal 10 Gramm Cannabis beziehen. Verwendet man Gras, lassen sich mit dieser Menge laut Schori 10 bis 20 Joints drehen, beim stärkeren Hasch sogar mehr. Die maximale Bezugsmenge des berauschenden THC (Tetrahydrocannabinol) pro Monat beträgt ebenfalls 10 Gramm, das entspricht 50 Gramm eines Cannabisprodukts mit 20 Prozent THC-Gehalt.

Bereits mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln vertraut sind die Apotheken. Insgesamt zehn sollen künftig das Studiengras verkaufen. Die TopPharm Löwen Apotheke an der Bahnhofstrasse hat bereits am Dienstagmorgen damit begonnen. Der leitende Apotheker Biagio Maceri ist zufrieden. «Es hat alles gut geklappt.» Die beiden Kunden hätten sich ausgewiesen, ihren Studienpass für künftige Cannabiskäufe bezogen und ihre Produkte gekauft. Zwischen 7.20 und 9.60 Franken pro Gramm bewegen sich die Preise für Cannabisblüten und Haschprodukte, die für den Verkauf zugelassen sind.

Hasch anstatt Beruhigungstabletten: Apotheker Biagio Maceri kann neu Cannabisprodukte legal verkaufen. Sein Geschäft ist eine der 21 Bezugsstellen, die am Pilotprojekt «Züri Can» teilnehmen.

Der vermutete Ansturm blieb bislang aus, sagt Maceri. Falls er noch kommen sollte, sei er gut vorbereitet. Er habe für den Verkaufsstart zusätzliches Personal angestellt und einige Arbeiten wie Vertreterbesuche verschoben.

«Ich hatte Angst, dass das Cannabis von schlechter Qualität sei und unsere Mitglieder sofort zu ihren Dealern zurückrennen würden.»

Didier Marchetto

Die dritte mögliche Bezugsstelle sind Social Clubs, meistens private Lokale, in denen die Mitglieder das Gras nicht nur kaufen, sondern auch direkt konsumieren können. Didier Marchetto betreibt den «Didis Social Club» und freut sich auf den Start, obwohl der Raucherraum noch nicht fertig ist. 

Zu Beginn habe er gezweifelt. «Ich hatte Angst, dass das Cannabis von schlechter Qualität sei und unsere Mitglieder sofort zu ihren Dealern zurückrennen würden.» Doch Marchetto hat die Produkte begutachten können und ist überzeugt: «Das ist gutes Gras.»

Trotz aller Vorfreude ist Marchetto in einem Punkt zurückhaltend. Wie viel Cannabis er vor Ort lagert, möchte er nicht sagen. «Das könnte schnell Kriminelle auf den Plan rufen», befürchtet er. In seinem Social Club werde kein zu grosser Bestand vor Ort lagern.

Drogenszene an der Bäcki: Startet die Studie im richtigen Moment?

Die dreijährige Pilotstudie hat zum Ziel, den kontrollierten Verkauf von Cannabis zu untersuchen. Die Stadt Zürich wolle einen risikoarmen Konsum unterstützen, erklärten die Stadträte Andreas Hauri (GLP) und Raphael Golta (SP) am Dienstag vor den Medien. «Bei Verboten kommt die Prävention zu kurz», so Hauri.

«Uns ist bewusst, dass unsere Drogenpolitik in einem labilen Gleichgewicht stattfindet.»

Raphael Golta, Vorsteher Sozialdepartement der Stadt Zürich

Gleichzeitig hat Zürich wieder mehr Schwerstsüchtige. Momentan wächst die Drogenszene im Langstrassenquartier. Schulhäuser um die Bäckeranlage haben Sicherheitspersonal engagiert, denn auf dem Schulgelände liegen gebrauchte Spritzen, und Drogenabhängige sind bereits in den Hort spaziert und haben Gegenstände geklaut. 

Dass die Cannabis-Studie im falschen Moment startet, findet Golta aber nicht. «Wir gehen davon aus, dass der Hauptauslöser für die Situation an der Bäckeranlage die Schliessung der Kontakt- und Anlaufstelle Kaserne war», so der Vorsteher des Sozialdepartements. Eine Alternative werde momentan intensiv gesucht. «Uns ist immer bewusst, dass unsere Drogenpolitik in einem labilen Gleichgewicht stattfindet.»

80 Prozent der Teilnehmenden sind männlich

Am Pilotprojekt teilnehmen kann, wer mindestens 18 Jahre alt ist und aktiv Cannabis konsumiert, das heisst, regelmässig und seit mehr als einem Jahr. 2100 Personen sollten an der Studie teilnehmen. Beim Start ist die Probandengruppe allerdings erst gut halb so gross: Am Dienstag zählten die Verantwortlichen 1200 Teilnehmende. 80 Prozent davon sind männlich, der Grossteil zwischen 25 und 35 Jahre alt.  

Dass die Studienergebnisse dadurch weniger aussagekräftig sein werden, glaubt Marcus Herdener, Chefarzt an der Psychiatrischen Uniklinik, nicht: «Wir rechnen damit, dass sich bis Ende 2023 genug Teilnehmende angemeldet haben werden.» Und bezüglich der Geschlechterfrage sagt er: «Aus den Vorbefragungen und aus anderen Studien wissen wir, dass die meisten Cannabis-Konsumierenden Männer sind.» Deshalb entspreche der überwiegende Anteil von Teilnehmern der Realität.