Illegale Haartransplantation in Zürich Verhaftung während der OP – Gericht spricht Pflegerinnen teilweise frei
An der Zürcher Bahnhofstrasse litt ein Patient während einer Haartransplantation Höllenqualen. Dahinter steckte eine türkische Firma mit dubiosen Hintermännern.
Im November 2022 ereignete sich in einem Büroraum an der Zürcher Bahnhofstrasse Sonderbares: Mitten in einer Haartransplantation verhaftete die Polizei zwei türkischstämmige Krankenschwestern, die gerade einen Mann behandelten. Nun standen die beiden türkischen Frauen vor dem Bezirksgericht. Sie mussten sich wegen unqualifizierter Haartransplantationen verantworten.
Das Gericht hat die 43- und 24-jährigen Frauen zu acht beziehungsweise achteinhalb Monaten Freiheitsstrafe bedingt verurteilt. Der Richter sagte, sie hätten sich unter anderem der einfachen Körperverletzung schuldig gemacht. Sie sassen wegen Fluchtgefahr seit der Festnahme in Haft.
Doch der Fall ist komplizierter. Es geht um die Schmerzen des Patienten, die Rolle der beiden Frauen und einige Hintermänner.
Krankenschwestern sprechen kein Wort Deutsch
Für den Patienten war der Eingriff sehr schmerzhaft. Gemäss seiner Anwältin ist dieser unerträglich gewesen. Sie sprach von einem «Gemetzel» beim Eingriff. Deshalb wurden ihm Betäubungsspritzen gesetzt. Er sprach von fünfzig, was die beiden Beschuldigten dementierten. Für den Richter spielte die Anzahl keine Rolle. Der Eingriff am Kopf und mindestens eine Betäubungsspritze ohne ärztliche Überwachung seien als Körperverletzung zu werten, begründete er sein Urteil. Der Patient habe auch nicht eingewilligt, dass die Transplantation ohne ärztliche Überwachung durchgeführt werde.
Unklar ist, ob die beiden Krankenschwestern dem Patienten als Ärztinnen vorgestellt worden sind. Das lasse sich nicht mehr erstellen, sagte der Richter. Auch nicht, ob die Frauen aus der Türkei dies mitgekriegt oder verstanden hätten – beide sprechen kein Wort Deutsch, während der Verhandlung übersetzt eine Dolmetscherin laufend. Deswegen könnten sie nicht wegen Betrugs verurteilt werden, sagte der Richter.
Er beurteilte den Fall milder als die Staatsanwältin. Sie hatte bedingte Freiheitsstrafen von zehn Monaten und Landesverweisungen von fünf Jahren verlangt. Dies etwa, weil mindestens eine der Frauen schon früher in der Schweiz illegal gearbeitet habe.
Der Mann habe angeblich unerträgliche Schmerzen gehabt, als er in einem Büroraum an der Zürcher Bahnhofstrasse behandelt wurde. Die Anwältin des Opfers sprach von einem «Gemetzel» beim Eingriff. Sie forderte eine Genugtuung von mindestens 8000 Franken und Schadenersatz.
Mit seriöser Praxis geworben
In die Sache verstrickt waren auch Hintermänner. Die Anwälte der beiden Krankenschwestern schoben die Schuld auf sie. Diese hätten die beiden aus der Türkei in die Schweiz geholt und gewusst, dass sie nur assistierende Krankenschwestern seien, keine Ärztinnen. Dennoch habe einer von ihnen sie dem Patienten als Ärztinnen vorgestellt. Deshalb hätten die Hintermänner den Patienten getäuscht, nicht die Krankenschwestern.
Gemäss den Beschuldigten ist ihnen die Firma an Zürichs bester Adresse von Vermittlern in der Türkei als seriös vorgestellt worden. Einer der Hintermänner habe sich am Abend vor dem Eingriff als Arzt vorgestellt. Die Krankenschwestern waren nach eigenen Angaben davon ausgegangen, dass sie ihn während des besagten Eingriffs an ihrem ersten Arbeitstag jederzeit hätten beiziehen können. Zudem befanden sich mehrere Arztpraxen im Haus.
Über die Hintermänner kam es überhaupt zur Festnahme der beiden Frauen. Offenbar war ihnen die Polizei schon länger auf der Spur gewesen. So war vor Gericht die Rede von einem verdeckten Fahnder, der zum Einsatz gekommen sei. Gegen die Hintermänner läuft ein separates Verfahren.
Tiefe Offerte
Die beiden Frauen verteidigten ihr Vorgehen vor Gericht. Die Gesundheit des Patienten sei immer an erster Stelle gestanden, meinte die ältere der beschuldigten Frauen. Wenn der Patient von unerträglichen Schmerzen und fünfzig Betäubungsspritzen berichtet, könne er auch das Ausreissen von Haaren für Spritzen gehalten haben, meinten die Verteidiger der beiden Frauen. Bei der Verhaftung hätten dem Mann noch tausend Haare eingesetzt werden sollen.
Für die Verteidigung war klar, dass auch der Patient eine Mitverantwortung trägt. Er hätte es am offerierten Preis merken müssen. Selbst der Gutachter habe festgehalten, dass die Offerte von 2300 Franken sehr tief war, sagte eine Verteidigerin. In der Regel kosten solche Operationen das Doppelte und mehr.
Geringe Geldstrafen verlangt
Die Verteidiger verlangten geringe Geldstrafen für Nebenpunkte wie das Arbeiten ohne Bewilligung und Entschädigungen von über 40’000 Franken für die siebenmonatige Haft.
Die jüngere der Beschuldigten gab zu, in Appenzell bei sechs weiteren Transplantationen beteiligt gewesen zu sein. Weil sie dort einer Ärztin assistierte, wird sie aber nur bestraft, weil sie ohne Bewilligung arbeitete.
Die Frauen werden nun aus dem Gefängnis entlassen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig und können ans Zürcher Obergericht weitergezogen werden.
Mit Material der SDA.
SDA/ema
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