USA testen neue HinrichtungDer erste Tötungsversuch scheiterte, nun droht dem Gefangenen Tod durch Gas
Kenneth Smith wurde für einen Mord 1988 zum Tode verurteilt. An ihm will Alabama eine neue Art Todesstrafe ausprobieren. Kritiker sprechen von Folter.
Jetzt holen sie ihn wieder ein, die Erinnerungen an seinen ersten Todestag. Es war der 17. November 2022. Kenneth Smith hatte sein Henkersmahl schon eingenommen, frittierten Wels und Crevetten, er hatte seiner Mutter und seinem Enkel gesagt, was er noch sagen wollte, Abschiedsworte durchs Telefon. Dann führten ihn Wärter von der Todeszelle in der William-C.-Holman-Justizvollzugsanstalt im Süden von Alabama in den Hinrichtungsraum.
Was dort passierte, hat Smith später nicht nur den Medien erzählt, sondern auch Menschenrechtsorganisationen, Anwältinnen, Richtern. Wieder und wieder hat er erzählt, wie die Wärter ihn erst auf die Bahre schnallten wie einen Gekreuzigten. Wie er dort vier Stunden lag, während drei Bedienstete daran scheiterten, einen intravenösen Zugang zu legen, durch den das Giftgemisch in seinen Körper fliessen sollte. Wie sie die Bahre aufrichteten und ihn kopfüber hängen liessen, damit die Venen doch endlich anschwellen mögen. Wie sie um kurz vor Mitternacht abbrachen, weil der Hinrichtungsbefehl danach nicht mehr gegolten hätte.
Der Fall Kenneth Smith hat in den USA die Diskussionen um die Todesstrafe mal wieder ordentlich angefeuert, denn Smith ist nicht nur einer von nur zwei zum Tode verurteilten US-Häftlingen, die jemals eine Hinrichtung überlebt haben. Er soll nun auch der erste sein, an dem eine neue Methode ausprobiert wird, zu der es keine Erfahrungswerte gibt. Am 25. Januar soll er mit Stickstoff vergast werden.
Kenneth Smith war 22, als er zum Täter wurde. Als er für 1000 US-Dollar eine Frau tötete, die er gar nicht gekannt hatte, damals im März 1988. Ihr Ehemann, ein Pfarrer, wollte sie loswerden, er hatte eine Affäre und Schulden und die Lebensversicherung seiner Frau im Kopf. Smith nahm den Auftrag an. Danach wurde er gefasst und zum Tode verurteilt – obwohl die Geschworenen sich mit elf zu einer Stimme für eine lebenslange Gefängnisstrafe ausgesprochen hatten.
Menschenrechtler reden von Folter
Mittlerweile ist Smith 58 und selbst auch zum Opfer geworden, so sieht nicht nur er das, so sieht das zum Beispiel auch Amnesty International. «Er soll im Todestrakt ein gewaltfreies, respektvolles und konstruktives Mitglied der Gemeinschaft gewesen sein», schreibt die Organisation über Smiths 34-jährige Haftzeit. Umso ungerechter sei das, was ihm nun bevorsteht. Den Tod durch Ersticken schätzt Amnesty als «besonders grausame Hinrichtungsmethode» ein. Sie könne sogar «der Folter gleichkommen».
Tatsächlich gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die beweisen könnten, dass die sogenannte Stickstoffhypoxie für die Betroffenen ohne Leiden verläuft. In Europa und den USA verzichten selbst Veterinärmediziner meist auf Stickstoff, wenn sie Tiere einschläfern. Aus ethischen Gründen.
Wie Smiths Hinrichtung am 25. Januar ablaufen soll, das hat der Bundesstaat Alabama schon bekannt gegeben. Wieder werden ihn die Wärter auf die Bahre schnallen, wie damals im November 2022. Dieses Mal aber werden sie eine Atemschutzmaske auf seinem Gesicht anbringen, eine, die ihren Namen nicht mehr verdient. Zwei Minuten wird Smith haben, um seine letzten Worte zu sagen. Dann pumpt eine Maschine 15 Minuten lang Stickstoff in die Maske.
Die Behörden in Alabama sagen: Der Tod sei schmerzlos, weil Smith schnell das Bewusstsein verlieren werde. Kritiker halten dagegen, dass man nie hundertprozentig sicher sein könne, dass die Maske perfekt sitzt, dass Sauerstoff eintreten und sich Smiths Tod dadurch qualvoll in die Länge ziehen könnte.
Kaum Arzneien, wenig Personal
Smiths Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die zunehmenden Probleme, mit denen sich jene US-Bundesstaaten herumschlagen, die weiterhin an der Todesstrafe festhalten. Sie haben Schwierigkeiten, die nötigen Mittel zu beschaffen, weil viele Pharmaunternehmen den Einsatz ihrer Medikamente oder ihres Equipments blockieren. Sie haben Probleme, fachkundiges Personal aufzutreiben, das die Hinrichtungen ausführen kann.
Immer häufiger hat es deswegen in den vergangenen Jahren das gegeben, was die Amerikaner «botched executions» nennen, verpfuschte Hinrichtungen. Todeskandidaten sterben in diesen Fällen oft besonders qualvoll. Trotzdem unterstützt eine knappe Mehrheit der Bevölkerung in den USA weiterhin die Todesstrafe. Idaho hat im vergangenen Jahr sogar Erschiessungskommandos wieder eingeführt.
Kenneth Smiths Anwälte haben alles versucht, um den zweiten Hinrichtungstermin zu stoppen. Sie haben vor einem Bezirksgericht geklagt und vor dem obersten US-Gerichtshof mit dem achten Verfassungszusatz argumentiert. Der verbietet «grausame und ungewöhnliche Strafen». Schon die gescheiterte Hinrichtung falle darunter, schreiben die Anwälte. Gerichtsdokumenten zufolge leidet Smith unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Oberstes Gericht lehnt Stopp der Hinrichtung mit Stickstoff ab
Das Oberste Gericht der USA hat es abgelehnt, die geplante Hinrichtung mit Stickstoff zu stoppen. Ein entsprechender Antrag der Anwälte wurde am Mittwoch in der US-Hauptstadt Washington abgelehnt. Eine Begründung dafür nannte der Supreme Court nicht. Damit sind aber noch nicht alle juristischen Mittel ausgeschöpft, um die Hinrichtung aufzuhalten.
Dem britischen «Guardian» hat Smith in einem Telefonat kürzlich noch mitgeteilt, dass er nicht bereit sei für das, was auf ihn zukomme. Eine Person, die jemandem so etwas antue, würde man wohl als Monster ansehen, sagte er. «Aber weisst du, wenn die Regierung es tut, dann ist das noch mal etwas ganz anderes.»
Artikel wurde mit dem Abschnitt des Obersten US-Gericht ergänzt
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