Open-Skies-AbkommenDunkle Wolken am Horizont
Washington will sich aus dem Open-Skies-Abkommen zurückziehen und gefährdet damit die weltweite Rüstungskontrolle.
Der Vertrag zum Offenen Himmel (Open Skies) erlaubt den 34 Unterzeichnerstaaten mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. Die Nato und Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes hatten sich 1992 auf die gegenseitige militärische Überwachung «von Vancouver bis Wladiwostok» geeinigt. 2002 in Kraft getreten, ermöglicht der Open-Skies-Vertrag Kontrollflüge als vertrauensbildende Massnahme zwischen den einstigen Feinden aus der Zeit des Kalten Krieges.
Open Skies galt bisher als wichtiger Bestandteil der europäischen Rüstungskontroll-Architektur. Das bedeutende Abkommen steht nun auf der Kippe. Die USA haben am Freitag die nach dem Vertrag erforderliche offizielle Mitteilung hinterlegt, dass sie in sechs Monaten das Abkommen verlassen werden. Aussenminister Mike Pompeo begründete die Entscheidung von Präsident Donald Trump damit, dass Russland «schamlos und fortgesetzt über Jahre den Vertrag in verschiedener Art und Weise verletzt hat».
Kaliningrad-Überflüge verhindert
So wirft Washington Moskau vor, widerrechtlich Überflüge der russischen Enklave Kaliningrad verhindert zu haben. Dort hat Russland nach Einschätzung der Nato Kurzstreckenraketen stationiert, die Atomsprengköpfe tragen können. Auch an der umstrittenen Grenze zwischen Russland und Georgien kam es zu Schwierigkeiten, weil Moskau die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien wie souveräne Staaten behandelt wissen wollte.
In Europa sieht man mit Sorge, wie Stück für Stück die gesamte Architektur der Rüstungskontrolle zusammenbricht. Anders als beim INF-Vertrag über die Begrenzung nuklearer Mittelstreckensysteme, wo auch aus europäischer Sicht die Vertragsverletzungen Russlands eindeutig waren, sieht man beim Open-Skies-Abkommen weniger klare russische Vertragsverstösse.
Alle Versuche, dies in einer eigens eingesetzten Arbeitsgruppe namens Small Group zu lösen, scheiterten. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie etwa der deutsche Aussenminister Heiko Maas einräumt. Es gebe «auf der Seite Russlands in der Tat Schwierigkeiten bei der Umsetzung». Dennoch «rechtfertigt dies aus unserer Sicht aber keine Kündigung». Das Abkommen trage «zu Sicherheit und Frieden auf praktisch der gesamten Nordhalbkugel» bei.
Die Aussenminister von Belgien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, der Niederlande, Spanien, Schweden und Deutschland erklärten am Freitag gemeinsam, an dem Vertrag festzuhalten. Zugleich riefen sie Russland auf, in einen Dialog zu treten und zur vollständigen Umsetzung zurückzukehren.
Vertrauensbildung und offene Diskussionen
Bei der Nato in Brüssel war der Schritt seit Monaten erwartet und befürchtet worden. Im Herbst hatte Washington Fragebögen an alle Mitglieder der Allianz verschickt, um deren Meinung einzuholen. Auch wenn die Staats- und Regierungschefs in der Gipfelerklärung vom Juli 2018 «Russlands anhaltende selektive Umsetzung» kritisiert hatten, sieht die übergrosse Mehrheit der Nato-Staaten die Probleme als lösbar und die Vorteile des Vertrags als erheblich an. Die Kontrollflüge, bei denen Russen neben Soldaten der Nato-Länder sitzen, trügen nicht nur zur Vertrauensbildung bei. Über das gewonnene Bildmaterial liesse sich zudem mit Moskau sehr offen reden, da die Quelle unstrittig sei, heisst es aus der Allianz.
Anders als beim INF-Vertrag ist Open Skies mit dem angekündigten Ausstieg der USA nicht zwingend am Ende. 33 Vertragspartner wollen weitermachen – was zumindest weitere Kontrollflüge in Europa ermöglichen würde. Allerdings weiss niemand, wie Russland letztlich reagiert.
Vorerst halte man an dem Vertrag fest, erklärt Alexander Gruschko, einer der beiden stellvertretenden Aussenminister. Sein Kollege Sergei Rijabkow sagt, man sei auch zu Verhandlungen bereit. «Wir wollen aber nicht das akzeptieren, was in Washington formuliert wird.» Wie ein Bekenntnis zu dem Abkommen hört sich das nicht an.
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