Sollen Touristen noch in die USA reisen?«Das tun wir uns nicht an» – «Ja, es ist einfach nur traurig!»
Vier Schweizer USA-Fans reden über ihr Lieblingsland. Drei Männer werden vorläufig nicht mehr dorthin reisen. Eine Frau schon.

«Es zerreisst mir das Herz!», sagt Urs Schweizer am Telefon. Schon als Bub seien die USA sein Traumziel gewesen, und nachdem er das Land 2005 zum ersten Mal bereist habe, nachdem er auf einem gemieteten Pferd durch das Monument Valley im südlichen Utah geritten sei, habe eine grosse Liebesgeschichte begonnen: ab 2011 jedes Jahr eine Reise, zuerst als Cowboy auf einer Ranch in den Weiten von Wyoming, später Tausende von Kilometern auf einer Harley und im Jahr 2019 eine dreimonatige Motorradreise auf dem Highway 50.
Über dieses Abenteuer hat Schweizer sogar ein Buch geschrieben: «US Highway 50 und mehr. 12’000 Kilometer mit dem eigenen Motorrad durch die Vereinigten Staaten von Amerika.» Unglaublich nett seien die Leute gewesen, sagt Schweizer. Habe er ein Lokal betreten, sei er oft gefragt worden, ob er sich irgendwo dazusetzen wolle. «Es waren meist sehr gute Gespräche, auch mit Leuten, die andere politische Meinungen vertraten.» Während der Reise im Jahre 2019 sei Donald Trump oft ein Thema gewesen, und er, Schweizer, habe jeweils gesagt: «Your country deserves a better president», euer Land verdient einen besseren Präsidenten. Nie sei jemand aggressiv geworden.

Und jetzt? Für dieses Jahr hatte Schweizer erneut eine USA-Reise geplant. «Aber irgendetwas ist zerbrochen.» Dass bei den Präsidentschaftswahlen die Hälfte der Stimmen erneut «diesem unerträglichen Dummschwätzer» zugutegekommen seien – das könne er einfach nicht nachvollziehen, das sei unvereinbar mit der Wertschätzung, die er für Land und Leute entwickelt habe. «Ich habe die Reise gestrichen. Es macht mich einfach nicht an», sagt Schweizer.
«Die Polarisierung ist brutal»
«Ja, es tut weh», sagt auch Paul Meier. Für eine Schweizer Firma hat Meier zwischen 1969 und 1985 in den USA gelebt, zu einer Zeit, die er so beschreibt: «Damals konnte man noch mit einem Nachbarn reden, ohne zuvor abklären zu müssen, ob er Demokrat oder Republikaner sei. Heute hingegen ist die Polarisierung brutal.» Das könne es nicht sein, und als verstörend empfinde er es auch, wie sehr sich in den USA heute alles ums Geld drehe. Wird er jemals wieder hinüberreisen? «Never say never», sag niemals nie, antwortet Meier, und selbst wenn nicht: Die 16 wundervollen Jahre, die er mit seiner Familie in den USA erlebt habe, die könne ihm niemand mehr nehmen.
Berichte über Touristinnen und Touristen, die an der Grenze abgewiesen oder sogar verhaftet wurden, spielen bei Schweizers und Meiers Entscheid, den USA vorläufig fernzubleiben, nicht die wichtigste Rolle. Die Beamten der Border Control hätten manchmal auch früher schon «blöd getan», wie es Meier formuliert. Er fügt hinzu: «Im Moment würde ich aber Trump-Karikaturen oder kritische Bemerkungen über die US-Regierung in Chats löschen.» Solche Vorsichtsmassnahmen assoziiere man eher mit China. «Es ist einfach nur traurig», sagt Meier.

Kaspar Wälti hat die Einreise bei seinem letzten Trip im Jahr 2019 als «ausgesprochen mühsam erlebt», wie selten zuvor auf seinen insgesamt mehr als zwanzig USA-Besuchen. Unhöfliche Grenzbeamte, das ganze Gepäck durchsucht, seine Frau und er seien behandelt worden wie Verbrecher. Und dann, auf der Reise mit dem Camper entlang der Grenze zu Mexiko, sei es noch schlimmer geworden. «Wir gerieten in eine Strassensperre, bei der es den Polizisten nur um eines ging: Hatten wir Migranten in unserem Camper versteckt? Oder hatten wir etwas zu tun mit dem Schmuggel von Illegalen?» Selbst auf den Campgrounds, den Campingplätzen, hätten die Betreiber deswegen ins Fahrzeug geschaut.
Für dieses Jahr hatten Wälti und seine Frau eine Reise an die Great Lakes im Norden des Landes geplant, mit mehreren Grenzübertritten nach Kanada und wieder zurück. «Das tun wir uns nicht an», sagt Wälti, solange die US-Regierung derart unvorhersehbar agiere, solange die Gefahr bestehe, auch als Schweizer Tourist plötzlich grundlos «in der Kiste zu landen», sei für seine Frau und ihn eines klar: «Wir gehen nicht.»
Die USA als Kontrast zu der kleinen Schweiz
Anders sieht das die USA-Enthusiastin Sandra Rauchenstein. Dass an den Grenzen strenger kontrolliert werde als früher, damit sei sie einverstanden. Das diene der allgemeinen Sicherheit und sei deshalb ein Vorteil für alle. Wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, sagt Rauchenstein. Über die jüngst abgewiesenen oder verhafteten europäischen Touristinnen und Touristen sagt sie: «Vielleicht waren sie selber schuld, vielleicht wurden diese Fälle auch aufgebauscht, wie will man das im Nachhinein wissen?» Strenge Kontrollen hätten sie und ihre Familie auch schon an der tunesischen Grenze erlebt. Sie liebe die USA, weil sie unendlich fasziniert sei von der Weite und Grösse eines Landes, in dem alles so anders sei als in der engen, kleinen Schweiz.

Die USA aus politischen Gründen zu meiden, ist für Sandra Rauchenstein undenkbar. «Dann könnte ich auch nicht mehr nach Tunesien und in sehr viele andere Länder ebenfalls nicht.» Im übernächsten Sommer sei es wieder so weit.
Und was tut Urs Schweizer, wenn ihn die Sehnsucht überwältigt? «Dann nehme ich das Buch, das ich über meine grosse Reise geschrieben habe, aus dem Regal und beginne zu blättern.» Die Erinnerungen, die dabei aufsteigen, könne nicht einmal Donald Trump zerstören.
Fehler gefunden?Jetzt melden.