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Medien vor US-Wahl
Maulkorb erhalten, Hundert­tausende Abos weg – nun wird eine Milliardärs­tochter deutlich

Nika Soon-Shiong unterstreicht: «Dies ist keine Stimme für Donald Trump.»
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Innerhalb weniger Tage verlor die «Washington Post» über 200’000 Abos (und einige Mitarbeiter) – also seit bekannt wurde, dass ihr Besitzer, Amazon-Gründer Jeff Bezos, ins redaktionelle Geschehen eingegriffen und die Veröffentlichung eines bereits geschriebenen «Endorsement» für Kamala Harris verboten hat. Inzwischen bemüht sich Bezos um Schadensbegrenzung (obwohl ihm selbst der finanzielle Verlust herzlich egal sein kann): Er publizierte eine Verteidigung seiner Entscheidung. Die meisten Amerikaner, so Bezos, betrachteten die Medien als voreingenommen, und dem müsse man entgegentreten. Zum Beispiel eben damit, dass man auf Endorsements fürs Präsidentenamt verzichte.

Dass er aus Angst vor der Rache eines künftigen Präsidenten Trump und wirtschaftlichen Interessen so entschieden habe, bestreitet Bezos hingegen vehement. Aber er räumt ein, der Zeitpunkt für sein Verbot sei schlecht gewählt. Doch es gelte nun mal, zu «besseren» Praktiken zurückzukehren: 1988 hatte die «Post» kein Endorsement abgegeben; und auch zwischen 1933 und 1946 hielt sich die Zeitung, laut Bezos, aus Prinzip zurück. Politcomedian Stephen Colbert spottete, das neue Motto der Zeitung heisse wohl: «Die Demokratie stirbt oder auch nicht – wir können es nicht sagen, es ist so dunkel hier!» (tatsächliches Motto: Democracy Dies in Darkness).

Stephen Colbert in «The Late Show»: «Die Demokratie stirbt – oder auch nicht.»

Der Besitzer der renommierten, bis 1972 republikanisch orientierten «Los Angeles Times», Multimilliardär Patrick Soon-Shiong, hatte seiner Zeitung kurz davor ebenfalls die präsidiale Wahlempfehlung verboten, mit ähnlichen Folgen. Und das, obwohl sie 2020 das Gespann Biden / Harris empfohlen hatte. Soon-Shiong sprach von «Neutralität» und davon, dass er besorgt sei, mit einem Endorsement zur Spaltung der Nation beizutragen. Er habe seiner Redaktion vorgeschlagen, stattdessen eine Faktenanalyse zu publizieren, in der die positiven wie negativen Seiten beider Kandidaten während ihrer Zeit im Amt (als Präsident beziehungsweise Vizepräsidentin) dargelegt würden. Die Redaktion habe abgelehnt.

Dass das Trump-Lager das Schweigen der Zeitungen als Triumph vermarktet, interessiert die Zeitungs-Tycoone offenbar kaum.

FILE - The Los Angeles Times newspaper headquarters is shown in El Segundo, Calif., Jan. 23, 2024. (AP Photo/Damian Dovarganes, File)

Soon-Shiong, Naturwissenschaftler und Geschäftsmann, ist als «unabhängiger Wähler» («independent») registriert, soll 2016 für Hillary Clinton gespendet, sich aber später um einen Kaderjob in der Trump-Regierung bemüht haben. Seine Tochter, die 31-jährige Nika Soon-Shiong, hat allerdings eine komplett andere Erklärung dafür, warum die Redaktion kein Endorsement publizieren darf.

«Dies ist keine Stimme für Donald Trump»

Nika Soon-Shiong bezieht sich darauf, dass ihr Vater als Kind von chinesischen Flüchtlingen in Armut im Apartheidsystem Südafrikas aufgewachsen ist; seine Eltern hatten nicht wählen, keinen Grundbesitz erwerben dürfen. Für Nika Soon-Shiong «als Bürgerin eines Landes, das offen einen Genozid finanziert, und als eine Familie, die das südafrikanische Apartheidsystem erlebt hat, war das Endorsement eine Gelegenheit, Rechtfertigungen für die weitverbreiteten Angriffe auf Journalisten und den herrschenden Krieg gegen Kinder zurückzuweisen», wie sie in der «New York Times» festhält. Nika Soon-Shiong versteht den Verzicht aufs Harris-Endorsement als ein Statement von links. Auf Twitter unterstrich sie noch einmal, dass es um den Krieg in Gaza und seine unschuldigen Opfer gehe. «Dies ist keine Stimme für Donald Trump.»

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Ihr Vater hat diese Lesart zwar leise untergraben und betont, dass seine Tochter für sich persönlich spreche und grundsätzlich nicht in die Redaktionsentscheidungen involviert sei. Aber sie selbst hat keinen Rückzieher gemacht. «Unsere Familie hat den gemeinsamen Beschluss gefällt, (in der Zeitung) keinen Präsidentschaftskandidaten zu endorsen», sagt sie. Ein Einknicken ihrerseits wäre auch überraschend: Sie scheint zu jener kleinen, aber streitbaren Fraktion von reichen Erbinnen und Erben zu zählen, die Reichtum als Verpflichtung sehen, die Welt zu verbessern und die Elite kritisch zu hinterfragen.

Die Frau, die an der Stanford University einen Master in African Studies erwarb, in Südafrika im Bereich chancengerechte Bildung geforscht und bei der Weltbank gearbeitet hat, rief 2020 eine Non-Profit-Organisation ins Leben, die jenen ein Einkommen garantieren will, die durch die Maschen der Wohlfahrtsprogramme gefallen sind. Im gleichen Jahr habe sie auch einige Entlassungen bei der «LA Times» verhindert, heisst es. 2021 trat sie in den Vorstand von CPJ ein, einer NGO, die die Pressefreiheit und die Rechte von Journalisten schützt.

Von 2021 bis 2022 arbeitete Nika Soon-Shiong ausserdem als Commissioner für öffentliche Sicherheit in der Stadt West Hollywood und vertrat dabei die Anliegen der Bevölkerung. Derzeit promoviert sie an der Universität Oxford über humanitäre Cash-Transfer-Systeme, wie ihre eigene NGO sie entwickelt.

Die politische Macht der Superreichen

In die vieldiskutierte widerspenstige Generation Z hat sie es um ein paar Jährchen nicht geschafft, aber deren Geist verkörpert die Aktivistin durchaus. Jüngst analysierte die NZZ, wie «eine Kaste von global agierenden Superreichen ihren Reichtum auch politisch ausspielen will», und zeigte auf, dass der Superreichtum von Bezos bis Trump inzwischen nicht nur schamlos zelebriert, sondern auch hemmungslos für politische Quidproquos eingesetzt wird: hier eine Spende, dafür da ein Job an den Hebeln der politischen Macht, mit dem man die Weichen für noch mehr Reichtum für die eigene Kaste stellen kann. Ganz abgesehen vom Griff nach der medialen Meinungsmacht durch Zeitungskäufe, siehe oben.

In Trumps Kabinett regierte etwa Milliardärin Betsy DeVos als Bildungsministerin (sie versuchte, die Gelder für die öffentliche Bildung deutlich zu schrumpfen) oder Milliardär Wilbur Ross als Handelsminister. Solche Positionen sind anscheinend derzeit das schickste Statussymbol für jene, die auch die «Überreichen» genannt werden. «Überreichtum verletzt die Idee der politischen Gleichheit», formulierte der Wiener Ökonom Martin Schürz schon 2019 und plädierte für die Ermittlung eines «Maximalvermögens».

Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass jetzt die Vertreter und Vertreterinnen der Erbengeneration, die das Ungleichgewicht ändern wollen, für diese Veränderung oft ihren exorbitanten Reichtum und Einfluss nutzen: So zementieren sie die systemische Ungleichheit gewissermassen, während sie die Abbruchbirne dagegen schwingen (und sei es mit einem Endorsement-Verbot, das eine Zeitung, Repräsentantin der vierten Gewalt im Staat, potenziell wirtschaftlich ins Wanken bringt). Sich bei der Verteilung des eigenen Erbes ganz herauszunehmen wie die junge Österreicherin Marlene Engelhorn, ist die Ausnahme.