Kampagne für US-Wahl Diesmal ist Trump hochprofessionell, und seine Pläne sind radikal
Als Donald Trump 2016 zum Präsidenten gewählt wurde, folgte das pure Chaos. 2024 ist das anders. Jetzt weiss er genau, wie er Amerika umbauen will.
Seit letzte Woche bekannt wurde, dass US-Präsident Joe Biden für das Frühjahr einen gemeinsamen Auftritt mit seinen demokratischen Vorgängern Bill Clinton und Barack Obama plant, springt Donald Trump im Dreieck. Zwar sind schon öfter mehrere ehemalige Präsidenten gemeinsam aufgetreten, meist bei Beerdigungen. Aber dass zwei ehemalige Regierungschefs und der Amtsinhaber zusammen auf einer Bühne Wahlkampf betreiben, das gab es wohl noch nie.
Sobald Trump Wind von der Sache bekommen hatte, begann er, unablässig E-Mails in die Welt zu feuern. «Obama ist zurück!», stand da als Überschrift, der Rest der Botschaft schien in einer Dringlichkeit verfasst worden zu sein, als warne Trump vor der Rückkehr des Antichristen. Obama, Clinton und Biden planten, so schrieb er, Millionen und Abermillionen Dollar einzusammeln, und zwar von der liberalen Elite, die das Land hasse. «Elite» schreibt Trump immer in Anführungszeichen, eine für seine Verhältnisse fast subtile Form der Kritik.
Trump mag Biden als schläfrig und korrupt verhöhnen, er mag nicht viel von den Clintons halten, obwohl er sie einst zu einer seiner Hochzeiten eingeladen hat. Obama aber lehnt er mit einer solchen Inbrunst ab, dass man von blankem Hass sprechen kann.
Da Trump ein Mann der immerwährenden Eskalation ist, wurden seine E-Mails jeden Tag schärfer. «Obama spuckt euch ins Gesicht.» Nicht, dass Obama in der Zwischenzeit irgendetwas gesagt oder gar getan hätte. Aus der «liberalen ‹Elite›» wurde die «KRANKE liberale‹Elite›», und Bill Clinton, merkte Trump zusammenhanglos an, sei gerade damit beschäftigt, den grossen Reibach zu machen. Was aus seiner Sicht zu dem Schluss führte, dass es jetzt allerhöchste Zeit sei, ein paar Handvoll Dollar rüberwachsen zu lassen. Am Ende benutzte Trump überraschend das Zauberwort: «Bitte», schrieb er. «Steuert etwas bei.»
Auf den ersten Blick ist alles wie immer. Trump wütet, scheinbar unkontrolliert, es wirkt, als habe er keinen Halt in der wirklichen Welt. Als habe er sich in einer Fiktion verlaufen, in der eine korrupte Bande von «Liberalen» ihn verfolgt. Wer einen zweiten, einen genaueren Blick auf Trumps Kampagne wirft, sieht hingegen eine funktionierende Maschine, die solide wie ein Schiffsdiesel vor sich hin brummt, zielstrebig und unaufhaltsam dem Ziel entgegen: den Präsidentschaftswahlen am kommenden 5. November.
Trump profitierte bei seinem Sieg 2016 von den Demokraten
Trumps Kampagnen von 2016 und 2020 waren mehr oder weniger improvisiert. Dazu kam, dass er anfangs keine Ahnung hatte, wie eine Regierung funktioniert, schon gar nicht die einer Grossmacht, die in ein Geflecht von Bündnissen, Versprechen, Abkommen und Verträgen eingebunden ist. Es lief nicht ganz so wie in der Immobilienbranche oder im Reality-TV. Spötter wie der Journalist und Trump-Kenner Michael Wolff sagen, der ehemalige Präsident habe auch am Ende seiner ersten Amtszeit noch keine Ahnung gehabt, wie eine Regierung funktioniere.
Das ist womöglich nicht ganz falsch, aber Trump hat mittlerweile eine Ahnung davon, was er alles hätte bewegen können, wenn sein Team besser organisiert gewesen wäre. Bei seinem knappen Sieg 2016 profitierte er davon, dass selbst viele Demokraten nicht wollten, dass Hillary Clinton Präsidentin wird, und dass weite Teile des politischen Establishments ihn nicht ernst nahmen.
Dann war er im Weissen Haus von Menschen umgeben, die beständig versuchten, das Schlimmste zu verhindern, ihn also in seinen Impulsen zu bremsen. 2020 hat er selbst den Fehler begangen, seinen Gegner Joe Biden nicht ernst zu nehmen. Zudem unterschätzte er, wie unbedingt die Ablehnung ist, die ihm von ungefähr der Hälfte der Bevölkerung entgegenschlägt.
2024 ist alles anders. Trump hat nicht nur Erfahrung im politischen Betrieb gesammelt, er hat, weit bedeutender, Menschen angeheuert, die wissen, wie man eine Kampagne führt. Was die Demokraten zutiefst beunruhigen sollte: Diesmal hat er einen Plan. Trumps wichtigste Person ist Wahlkampfmanagerin Susie Wiles. In der Öffentlichkeit ist sie nahezu unbekannt, in politischen Zirkeln wird sie geschätzt, von manchen gar bewundert.
Die 66-jährige Wiles hatte für die Präsidentschaftskampagnen von Ronald Reagan und George Bush senior gearbeitet. Die Neunziger- und Nullerjahre verbrachte sie in Florida, wo sie auch Bürgermeister in Jacksonville beriet. Als Trumps Umfragewerte im Sommer 2016 in Florida nicht sehr überzeugend waren, liess er sich davon überzeugen, die ihm unbekannte Wiles anzuheuern. Bei der Präsidentenwahl fuhr Trump in Florida einen klaren Sieg ein.
Knapp zwei Jahre später sah erneut ein republikanischer Politiker, dass es um seine Umfragewerte in Florida nicht zum Besten stand: Ron DeSantis wollte Gouverneur werden, doch seine Kampagne lief schleppend. Zum einen half ihm, dass Donald Trump ihn unterstützte. Zum anderen hatte er auf Anraten von Parteifreunden Susie Wiles angeheuert. Die nahm sich seiner Kampagne an. Nach seinem etwas überraschenden Sieg sagte DeSantis 2018 ebenso öffentlich wie dankbar: «Susie Wiles ist wirklich die Beste im Geschäft.»
Im Sommer 2020 waren Trumps Zahlen in Florida mal wieder nicht so überzeugend. Was tun? Natürlich: Er heuerte Susie Wiles an. Zwar gewann Trump dann im November in Florida, er verlor jedoch das Weisse Haus. Nachdem er 2022 verkündet hatte, dass er erneut als Präsidentschaftskandidat antreten werde, machte er Wiles zur Chefin seiner Kampagne. Seither zieht sie im Hintergrund die Fäden.
Zunächst heuerte sie den Politikberater Chris LaCivita an. Der ehemalige Elitesoldat beriet in den letzten 25 Jahren lokale und nationale Kampagnen in Virginia und Kansas. 2016 gehörte er zum Team des Senators Rand Paul, als dieser Präsident werden wollte, jedoch einem gewissen Donald Trump den Vortritt lassen musste. Wiles und LaCivita gelten vielen Beobachtern in Washington als Dream-Team. Während Wiles den Laden zusammenhält, ist LaCivita bekannt dafür, dass er weiss, wie man den negativen Teil einer Kampagne führt, sprich: den Gegner persönlich angreift, ad hominem.
Trump lobt Wiles als «grossartige und allseits respektierte Anführerin», die aus einer «wundervollen Familie» stamme. Zudem preist er ihre «guten Gene». Das liegt daran, dass sie die Tochter von Pat Summerall ist, einem früheren Footballprofi, der nach seiner aktiven Karriere einer der bekanntesten Sportkommentatoren des Landes wurde. Trump hatte schon immer eine Schwäche für Leute, die er aus dem Fernsehen kennt. Zudem moderierte Summerall neben Football und Tennis auch Golf, Trumps Lieblingssportart.
Vermutlich hatte Trump damals nicht mitbekommen wollen, was viel sehr wohl mitbekommen hatten: dass die Familie von Wiles bestenfalls nur so halb wundervoll war, weil ihr berühmter Vater Pat Summerall, wie er im Jahr 2006 in seiner Autobiografie beschrieb, jahrelang schwerer Alkoholiker war und die Beziehung zu seinen Kindern komplett vernachlässigte.
Dass Trump wohl spätestens im März als Präsidentschaftskandidat der Republikaner feststeht, verdankt sich auch der Tatsache, dass Wiles und LaCivita langfristig denken. In Iowa und in New Hampshire, wo Trump kürzlich bei den Vorwahlen jeweils die grosse Mehrheit der republikanischen Wählerinnen und Wähler auf sich vereinigte, hatten sie bereits vor einem Jahr Büros aufgebaut und permanent Wahlkampf betrieben. Ein derart gezieltes Vorgehen wäre bei Trump früher undenkbar gewesen.
In South Carolina, wo Ende Februar die nächste republikanische Vorwahl stattfindet, ist der Boden ebenfalls längst bereitet. Es ist der Heimatstaat von Nikki Haley, Trumps letzter verbliebener Konkurrentin, sie war da mal Gouverneurin. Doch alles deutet darauf hin, dass Haley eine demütigende Niederlage wird hinnehmen müssen. Sobald sie aus dem Rennen ausscheidet, wird sich die Trump-Maschine auf das wahre Ziel konzentrieren: das Weisse Haus.
Als Trump das Oval Office im Jahr 2017 bezog, glich das einem sozialen Experiment. Normalerweise planen politische Kampagnen für einen Wahlsieg des Kandidaten, der Kandidatin, sie prüfen Personal, sie legen Ziele für die ersten zehn, fünfzig, hundert Tage fest. Trump hatte nicht nur keinen Plan. Er wusste nicht einmal, dass er keinen Plan hatte, geschweige denn, dass er einen brauchte. Es war, als würde ein Achtjähriger zu seiner Überraschung den grössten Süssigkeitenladen der Welt betreten und sagen: «Wow.»
Das Trump-Team von 2024 ist anders. Zuletzt hat es sich der Heritage Foundation angenähert. Dabei handelt es sich um einen konservativen Thinktank, der zu den einflussreichsten in Washington zählt. Vor knapp einem Jahr hat die Heritage Foundation das «Project 2025» ins Leben gerufen. Es geht darum, einen detaillierten Plan für den Fall zu entwerfen, dass ein Vertreter der Republikaner ins Weisse Haus einzieht. Kevin Roberts, Chef des Thinktanks, sagte der «New York Times», man wolle den «Trumpismus institutionalisieren», mithin, die staatlichen Strukturen radikal umbauen.
Wenn die Macht von einer Partei zur anderen wechselt, ist es üblich, dass bis zu 4000 leitende Beamtinnen und Beamte in Washington ausgetauscht werden. Viele von ihnen finden in Lobbygruppen, Beratungsagenturen oder Thinktanks Beschäftigung und Auskommen, bis die eigene Partei wieder regiert. Das Gros der nicht parteipolitisch involvierten US-Beamtenschaft geniesst hingegen weitreichenden arbeitsrechtlichen Schutz. Dadurch soll die Funktionalität des Staates und des Beamtenapparats gesichert werden, unabhängig davon, wer im Weissen Haus sitzt. Die Heritage Foundation möchte diesen Schutz so weit wie möglich aufweichen und es so ermöglichen, Beamte zu feuern.
Eine zweite Präsidentschaft hätte schwerwiegendere Folgen als die erste
Thinktank-Chef Roberts sagt, nach einem Wahlsieg der Republikaner verlören viele Menschen ihre Jobs, zudem stünden dann viele Gebäude leer. In einem zynisch klingenden Nachsatz erläutert er, dass er diesen Menschen nur das Beste wünsche und dass die leeren vormaligen Regierungsgebäude ja vielleicht von der Privatwirtschaft übernommen werden könnten. Bis zu 50’000 Stellen könnten wegfallen. Zudem führt die Heritage Foundation lange Listen mit den Namen von Leuten, die auf die rechte Gesinnung überprüft wurden und an alle wichtigen Stellen der neuen Administration gesetzt werden sollen. Die Listen sollen laut Roberts bis Ende 2024 bis zu 20’000 Namen umfassen.
Es soll auf diese Weise abgeschafft werden, was Trump den «deep state» nennt. Diesen Prozess nach einem neuerlichen Regierungswechsel rückgängig zu machen, dürfte sich als schwierig erweisen. Eine zweite Präsidentschaft Trumps hätte demnach unermesslich schwerwiegendere Folgen als die erste.
Zu den weiteren Plänen der Heritage Foundation gehört es, die Macht des Präsidenten auszuweiten, insbesondere was das Justizministerium und internationale Verträge angeht. Trump will im Fall eines Wahlsiegs mithilfe des Justizministeriums einen Rachefeldzug starten. Er hat angekündigt, eine «Wahrheitskommission» einsetzen zu wollen. Auch diese solle der Bekämpfung des «deep state» dienen. Ein zu ernennender Sonderermittler solle überdies gegen «den korruptesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte, Joe Biden» vorgehen und zudem gegen «die Biden-Verbrecherfamilie».
Die grösste Hoffnung der Demokraten liegt im Moment darin, dass Trump in einem der vier Strafverfahren verurteilt wird, die gegen ihn anhängig sind. Es ist allerdings gut möglich, dass keines davon vor den Wahlen zum Abschluss kommt. Darauf zu hoffen, dass Trumps Kampagne im Chaos versinkt oder er im Fall eines Wahlsiegs wenigstens planlos ins Weisse Haus einzöge, können sie nicht mehr, seit Susie Wiles und Chris LaCivita den Trump-Wahlkampf führen.
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