Online-Konferenz der Helsinki Commission«Es ist etwas ernsthaft faul in der Schweiz»
Ein US-Gremium wirft der Schweiz vor, russische Vermögen zu verstecken. Die Strafverfolgungsbehörden seien korrupt oder inkompetent. Wir berichteten live von der Online-Konferenz.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die sogenannte Helsinki Commission wirft der Schweiz vor, Vermögen von russischen Oligarchen im Wert von 200 Milliarden US-Dollar zu schützen.
Auch der russische Präsident Wladimir Putin soll Gelder in der Schweiz versteckt haben.
Das Gremium forderte an der Konferenz die USA dazu auf, die Schweiz genauer unter die Lupe zu nehmen. Es sei etwas ernsthaft faul in der Schweiz. Die Strafverfolgungsbehörden seien entweder korrupt oder völlig inkompetent.
Schluss des Hearings
Die Konferenz des US-Gremiums über die Schweiz, ihre Wirtschaft, ihre Banken und Gesetze hat nun ein Ende gefunden. Wir schliessen den Ticker hier ebenfalls ab, es folgt eine Zusammenfassung und später weitere Artikel zum Thema.
Nebenschauplatz in der Kommentarspalte
In der Kommentarspalte des Youtube-Streams enervieren sich einige Zuschauerinnen und Zuschauer, dass diese Konferenz sehr einseitig und ungenau sei. Das US-Gremium solle doch zuerst vor der eigenen Haustüre wischen und die Offshore-Oase in Delaware anschauen, wo auch jede Menge Geld versteckt oder gar Geld gewaschen werde. Es wird vermutet, dass die Amerikaner einen Sündenbock suchten, um von eigenen Problemen abzulenken.
Browder greift die Schweiz hart an
Browder verlangt, dass man die Schweiz unter starken Druck setzen müsse. Dann sitze sie auf einem heissen Stuhl und müsse sich überlegen, ob sie so weitermachen wolle.
Pieth noch einmal zur Rolle der Schweiz
Mark Pieth sagt, dass die Schweiz nicht in einer guten Situation mit der EU sei. Man sei näher am Brexit als an Brüssel. Das Problem sei aber, dass von Deutschland, das recht abhängig von der russischen Energie ist, kaum Druck auf die Schweiz komme. Man dürfe nicht vergessen, dass die Schweiz (Genf und Zug) der Handelsplatz in der Welt für Öl und Gas sei.
Browder kritisiert noch einmal Bundesanwaltschaft
Browder kritisiert noch einmal die ganze Angelegenheit mit der Bundesanwaltschaft. Gewisse Mitarbeiter von Lauber seien immer noch dabei. Auch vom neuen Bundesanwalt sei er nicht begeistert; dieser lege Steine in den Weg, was die Vermögen von russischen Oligarchen betreffe. Das hätte die Helsinki Commission selbst erlebt.
Genfer Politiker Sommaruga erklärt
Der Genfer SP-Politiker und Ständerat Sommaruga greift nun ein. Man habe nicht die nötige Mehrheit, um das Gesetz sofort zu ändern, erklärt er. Es brauche auch Zeit in der Schweiz, weil man auch zwei Kammern habe. Es gebe auch gute Nachrichten, dass das Thema mehr in aller Munde sei.
Sommaruga erklärt aber auch, dass es manchmal schwierig sei, wenn beispielsweise ein Diktator gefallen sei. Was passiert dann mit dem Geld? Es sei dann nicht zuletzt aus juristischen Gründen nicht einfach, dass das Geld wieder an das Volk zurückgehe. Man müsse auch die Gesetze in der Schweiz ändern, das sei aber zuletzt bei den Räten nicht goutiert worden. Aber das werde sich nicht ändern, wenn es kein Druck vom Ausland gebe.
Warum hat die Schweiz so ein striktes Bankgeheimnis?
Eine weitere Frage kommt auf. Die Journalistin Patrucic sagt, dass die Schweiz eine lange Tradition diesbezüglich habe. Wegen ihrem strikten Bankgeheimnis sei die Schweiz auch so attraktiv, das Geld zu hinterlegen. Wer das strikte Geheimnis hinterfrage oder Dinge ausplaudere, habe grosse Probleme, sagt Patrucic.
Braucht die Schweiz Reformen?
Mark Pieth wird gefragt, ob die Schweiz Reformen brauche. Pieth weicht etwas aus, sagt aber, dass die finanzielle Überwachung von Banken und Anwälten besser durchgeführt werden müsse. Es sei auch eine Frage des Mutes, wie weit die Schweiz sich ändern wolle.
Browder erklärt, dass jedes Mal bei einem Skandal die Schweiz irgendwie dabei sei. Das sei schon ein riesiges Problem. Browder sagt, die Schweiz müsse sich ändern, ansonsten sehe er nicht den Grund, warum die USA und andere freie Staaten die Schweiz so hoch einstufen sollten.
Pieth: USA können Einfluss nehmen
Pieth erwarte, dass die Schweiz ihre Gesetzgebung ändere. Die USA könnten da ihren Einfluss nehmen. Er kenne übrigens Anwälte, die in einer Grauzone arbeiten. Er werde diese Namen gerne der Helsinki Commission weitergeben.
Pieth kritisiert die Strukturen
Der Basler Rechtsprofessor Mark Pieth redet nun. Die Schweiz habe eine lange Tradition von Verschwiegenheit und sei eine Offshore-Oase. Dazu zählen auch Anwälte, die Geld für ausländische Kunden betreuen. Es gebe eine graue Zone. Leaks wie die Panama Papers oder Pandora Papers hätten gezeigt, wie die Gelder angelegt werden und wie schwierig es sein, diese Summen aufzuspüren.
Pieth nennt ein Beispiel, es geht um einen Schulfreund von Putin, der sich als Künstler darstelle, aber über verstrickte Wege in Zürich der eigentliche Inhaber von diversen Firmen wie Panzerhersteller in Russland sei. Viele Vermögen seien einfach über irgendwelche Firmen in der Karibik via Schweizer Anwälte versteckt. Und die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz seien entweder inkompetent oder darin verstrickt, sagt Pieth.
Pieth kritisiert auch, dass Sanktionen gegen Russland hintergangen werden. Diese Helfer seien eigentlich Kriegshelfer Putins, sagt Pieth. Die Frage sei: Was soll man nun tun?
Vorwürfe an Schweizer Banken
Miranda Patrucic hat das Wort. Sie zählt auf, wie viele Reports über Zusammenhang mit Schweizer Banken beobachtet wurden. Banken und Bankgeheimnis seien in der Schweiz eng verflochten, sagt sie. Sie erklärt, wie Schweizer Banken funktionieren, auch was das für die Angestellten bedeutet. Kein oberer Schweizer Manager sei bisher im Gefängnis gelandet.
Man habe das Verhältnis zwischen den Banken und ihren Kunden und Kundinnen genau angeschaut. Es seien vor allem reiche Kunden aus Ländern mit wenig hohem rechtlichen Standard, die gerne ihr Geld in Schweizer Banken hinterlegen.
Vieles faul in der Schweiz
Browder zählt auf, wie viele Verfahren die Bundesanwaltschaft nicht weiter verfolgte und fallen liess, beispielsweise der Fall Sepp Blatter, der Fall von König Juan Carlos von Spanien oder gegen Gaddhafis Sohn. Da sei «etwas ernsthaft faul» mit der Justiz in der Schweiz, sagt der Amerikaner.
Die USA sollten diese Vorkommnisse in ihre derzeitigen Verhandlungen mit der Schweiz einfliessen lassen, empfiehlt Browder. Denn die Strafverfolgung in der Schweiz sei entweder korrupt oder extrem inkompetent. Man könne nicht erlauben, dass dies so weitergehe, die USA können das auf jeden Fall nicht unterstützen, schliesst er.
Anmerkung der Redaktion: Browder machte hier unpräzise Angaben. Gegen Fifa-Ex-Chef Blatter hat die Bundesanwaltschaft Anklage erhoben. Der Fall kommt im Juni vor Gericht. Mit dem spanischen Ex-König sowie mit einem Sohn des libyschen Diktators Gaddhafi beschäftigte sich nicht die Bundesanwaltschaft, sondern die Genfer Strafverfolgung und Polizei.
Erinnerungen an die Zeit von Lauber
Browder kommt auf die Zeit des ehemaligen Bundesanwalts Michael Lauber zu sprechen. Ab einem gewissen Zeitpunkt stoppten Untersuchungen der Schweizer Bundesanwaltschaft über russische Oligarchen. Schliesslich sei auch Lauber nicht mehr tragbar gewesen und entlassen worden, sagt Browder.
Anmerkung der Redaktion: Lauber ist als Bundesanwaltschaft nicht entlassen worden, sondern unter grossem politischem Druck zurückgetreten.
Direkter Zufluss von Russland in Schweizer Banken
Er habe mit eigenen Augen gesehen, wie die Schweiz mit dieser Problematik umgehe, erklärt Bill Browder. Browder erklärt, warum er Leiter der globalen Magnitsky-Gerechtigkeitskampagne wurde. Im Jahre 2010 habe ein Whistleblower Unterlagen von Schweizer Banken der Commission zugesteckt. Man habe gesehen, wie die Schweizer Banken damit umgegangen seien. Es kam ein direkter Zufluss von Russland in die Schweiz, erklärt Browder.
Die Schweiz im Mittelpunkt
Die Online-Konferenz beginnt. Ein Vertreter der Organisation der Helsinki Commission sagt, dass Schweizer Banken rund 200 Milliarden US-Dollar an russischen Geldern hüten soll. Zwar habe sich die Schweiz den Sanktionen der EU angeschlossen; das sei positiv. Dennoch stünde es nicht zum besten mit Geldern und Besitz von russischen Oligarchen. Vor allem die Credit Suisse wird beschuldigt, Gelder zu verstecken.
Nun wird jeder der drei Gäste rund 5 Minuten über die Anschuldigungen an die Schweiz sprechen, danach gebe es Zeit für Fragen aus dem Publikum.
Teilnehmer
Folgende Personen werden bei der Medienkonferenz über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland sprechen:
Bill Browder, Leiter der globalen Magnitsky-Gerechtigkeitskampagne
Miranda Patrucic, stellvertretende Chefredakteurin, Regional- und Zentralasien, Meldeprojekt für organisierte Kriminalität und Korruption
Mark Pieth, Vorstandsvorsitzender, Basel Institute on Governance
Cassis telefoniert mit US-Aussenminister
Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis hat sich am Dienstag mit US-Aussenminister Antony Blinken ausgetauscht. Die Gespräche hätten sich um «wichtige bilaterale und regionale Fragen» gedreht, schrieb Cassis im Kurznachrichtendienst Twitter. «Wir sind beide der globalen Stabilität und Sicherheit verpflichtet.» Antony Blinken teilte ebenfalls auf Twitter mit, die Schweiz «bleibe ein verlässlicher Partner bei der Unterstützung der Menschenrechte und des internationalen Friedens und der Sicherheit».
Im Telefongespräch sei das gemeinsame Engagement für das ukrainische Volk, «das sich gegen Putins unprovozierten Angriffskrieg wehrt», zur Sprache gekommen, schrieb zudem das US-Aussenministerium in einer am Dienstagabend auf seiner Website veröffentlichten Mitteilung.
Zudem beschwerte sich Bundespräsident Cassis bei Blinken über die Vorwürfe der Helsinki Commission, wie Bundesratssprecher André Simonazzi bestätigt hat. (SDA)
Ausgangslage
Die Helsinki Commission, ein unabhängiges, vom U.S. State Department finanziertes Gremium für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, nimmt die Schweizer Politik gegen russische Oligarchen und Putin-Vertraute ins Visier (Lesen Sie zur Jagd auf Oligarchen-Gelder auch: Die Schweiz wird gerade als Putins Geldträgerin entblösst).
Das Gremium wirft der Schweiz vor, Vermögen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, seinen Vertrauten und von russischen Oligarchen, das in der Schweiz gelagert sein soll, zu schützen.
Einer Mitteilung zufolge, hätten die «engen Beziehungen zwischen den schweizerischen und russischen Behörden» zudem einen «korrumpierenden Einfluss» auf die Strafverfolgung. Als Beispiel dafür nennt das Gremium den Rücktritt des Bundesanwalts.
Auch die Credit Suisse wird von der Helsinki Commission kritisiert. Eine Untersuchung des «Organized Crime and Corruption Reporting Project» habe ergeben, dass die Schweizer Grossbank «Vermögen von dutzenden Kriminellen, Diktatoren, sanktionierten Personen» verwalte. Insgesamt soll es sich um «problematische Konten» mit Gelder in Höhe von mehr als 8 Milliarden US-Dollar handeln.
Zudem bezieht sich das Gremium auf einen Artikel der «Financial Times» von Anfang März, wonach die Credit Suisse ihre Investoren dazu aufgefordert haben soll, Dokumente im Zusammenhang mit Yachtkrediten an Oligarchen zu vernichten. Die Bank dementiert diese Vorwürfe.
Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag um 16 Uhr (MESZ) will die Helsinki Commission die Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland beleuchten. Drei eingeladene Podiumsteilnehmer sollen darüber diskutieren, wie sich die Schweizer Politik auf die nationale Sicherheit der USA auswirkt und ob Washington seine bilateralen Beziehungen zu Bern überdenken sollte.
Sanktionen im Vergleich: So steht die Schweiz bei der Jagd nach Oligarchen-Geldern da
Kolumne von Rudolf Strahm: Oligarchen-Milliarden im Labyrinth der Finanzmärkte
SDA/aru/fal/anf
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