Urteil im Mordprozess Bergdietikon17 Jahre Gefängnis für Ehemann von getöteter Shqiponja Isufi
Das Bezirksgericht Baden erkannte als Motiv Eifersucht, aber keine Habgier. Der 49-jährige Beschuldigte muss hohe Beträge an die Hinterbliebenen bezahlen.
Als er die intimen Fotos seiner 41-jährigen Ehefrau Shqiponja Isufi mit einem anderen Mann auf deren Handy entdeckte, habe er sie unter «Schock, Verzweiflung und Schmerz» getötet, erklärte der Anwalt des Beschuldigten im Mordprozess Bergdietikon in seinem Plädoyer. Kaltblütig geplant sei das nicht gewesen, sondern Ausdruck einer «entschuldbaren, heftigen Gemütsbewegung», so der Verteidiger. Sein Mandant sei deshalb vom Mordvorwurf freizusprechen und lediglich wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis zu verurteilen.
Die fünf Richter sahen das anders. Sie verurteilten den 49-Jährigen einstimmig zu 17 Jahren Gefängnis wegen Mordes. Die Staatsanwaltschaft hatte 18 Jahre beantragt. Zudem muss er den Hinterbliebenen Genugtuungen in Höhe von insgesamt 200’000 Franken zahlen. Weitere Schadenersatzansprüche kommen auf dem Zivilweg auf ihn zu.
«Sie haben unermessliches Leid über Ihre Kinder gebracht»
«Sie haben den leuchtenden Stern Shqiponja, wie die Angehörigen gesagt haben, aus nichtigen Gründen ausgelöscht», sprach der Vorsitzende Richter den Beschuldigten in der Urteilsbegründung mehrfach direkt an. «Sie haben damit unermessliches Leid über Ihre Kinder und die Familie Ihres Opfer gebracht.» Das Urteil nahm der 49-Jährige zunächst regungslos zur Kenntnis, später kämpfte er mit den Tränen.
Als Motiv erkannte das Gericht Eifersucht. «Sie haben zugegeben, Ihre Ehefrau wochenlang und beinahe lückenlos überwacht zu haben», sagte der Richter. Mit dem Entdecken des intimen Fotos im Badezimmer sei dem Beschuldigten klar geworden, dass er die 41-Jährige trotz aller Kontrollversuche nicht von der Affäre habe abhalten können. «Da ist für Sie eine Welt zusammengebrochen», so der Vorsitzende zum 49-Jährigen.
Ein finanzielles Motiv wie Habgier sah das Gericht nicht. Die zeitliche Nähe des abgeschlossenen Erbvertrags zur Tat werfe zwar Fragen auf. «Dem Erbe stehen aber hohe Schulden gegenüber», sagte der Richter. Zudem war das Opfer Shqiponja Isufi die Hauptverdienerin in der Familie. Für das Gericht bestanden «keine vernünftigen Zweifel», dass es eine schwere Ehekrise gegeben und der Beschuldigte schon vor der Tatnacht von der ausserehelichen Beziehung gewusst hatte.
Kontrollsucht wird Bumerang für Beschuldigten
Die Schweizer Eheleute, die beide albanische Wurzeln haben, haben laut dem Beschuldigten eine harmonische, liebevolle Beziehung gehabt. Sie machte Karriere als promovierte Ökonomin und verdiente viel Geld. Er, ausgebildeter Betriebsökonom mit holprigem Berufsweg, kümmerte sich um den Haushalt und die beiden Kinder.
Der angeblichen Harmonie zum Trotz überwachte er Shqiponja Isufi in den Monaten vor der Tat per Handytracker. Das gemeinsame Haus in Bergdietikon hatte er schon länger grossflächig mit Videokameras ausgerüstet – ausser dem Bad als späterem Tatort. Der Kontrollwahn wurde für ihn zum Bumerang: «Durch die Kameras im Haus sind diverse Diskussionen und Streits auf Video verfügbar, die sich alle in den Akten befinden», sagte der Richter. Die Kameras zeichneten wenige Stunden vor der Tat auf, dass die Ehefrau ihren Auszug aus der «Kamerahölle» angekündigt hatte.
«Sie haben Ihre Ehefrau mit eigener Hand ertränkt»
Wie der Beschuldigte geschildert hatte, soll Shqiponja Isufi mitten in der Nacht auf den 25. September 2022 in der Badewanne im gemeinsamen Haus geduscht haben. Der 49-Jährige sei ins Bad gegangen, wo ihr Handy auf dem Lavabo gelegen habe. Er habe es genommen und die intimen Bilder von seiner Frau mit einem anderen Mann entdeckt. Den Code kannte er.
Die 41-Jährige habe ihm das Handy aus der Hand reissen wollen. Es sei zu einem Gerangel kommen, bei dem beide in die zu zwei Drittel gefüllte Wanne gestürzt seien. Mit seinem damaligen Gewicht von mehr als 100 Kilo habe er die sich heftig wehrende Shqiponja Isufi unter Wasser gedrückt, bis sie sich nicht mehr gerührt habe. «Sie haben Ihre Ehefrau mit eigener Hand ertränkt», sagte der Richter. Das zeuge von «ausgesprochener Brutalität und erschreckender Gleichgültigkeit» gegenüber dem Leben. Shqiponja Isufi habe Todesqualen erleiden müssen.
Verhalten nach der Tat «besonders skrupellos»
Danach zog der 49-Jährige trockene Kleider an, warf den laufenden Föhn in die Wanne, schloss das Badezimmer von aussen ab und schleuderte den Schlüssel unter der Tür durch, um einen Suizid vorzutäuschen. Für den Richter war dieses Verhalten nach der Tat als «besonders skrupellos» zu werten: «Anstatt erste Rettungsmassnahmen einzuleiten, haben Sie Ihre Kleider ausgezogen und in die Waschmaschine gelegt.»
Erst etwas später alarmierte der Beschuldigte den Notruf. «Das 15-minütige Telefonat zeigt eindrucksvoll, wie egal ihm der Tod seiner Frau war», hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer gesagt. Der Verteidiger widersprach: «Wenn sie den Notruf anhören, wissen Sie, dass das nicht gespielt war.»
Bei Verwandten über vermeintlichen Suizid beklagt
Der Staatsanwalt hatte dem 49-Jährigen vorgeworfen, sich in der Tatnacht trotz der telefonischen Instruktionen durch die Polizei absichtlich so angestellt zu haben, dass die Badtür nicht aufging, was der Beschuldigte bestritt. «Ich hatte in der Situation keine Kraft», erklärte er. Ein Sanitäter schlug die Tür später ohne Probleme ein. Er konnte nur noch den Tod von Shqiponja Isufi feststellen.
Wenige Stunden später bereitete der Beschuldigte wie gewohnt das sonntägliche Frühstück für die gemeinsamen Kinder zu. Als diese fragten, warum so viele Menschen im Haus seien, sagte er ihnen, «dass das Mami tot ist», aber nicht, wie sie starb. Bei seinen herbeigeeilten, zutiefst trauernden Verwandten soll er sich laut dem Anwalt der Opferfamilie weinend beklagt haben, dass seine Frau ihn und die Kinder im Stich gelassen habe, wo sie doch gesagt habe, dass sie das nie tun würde. «Das Ganze war eine fast perfekte schauspielerische Meisterleistung», sagte der Prozessvertreter der minderjährigen Kinder. Der Verteidiger konterte: «Er hat seine tiefe Traurigkeit und Verzweiflung nicht vorgespielt, sie ist echt.»
«Es tut mir sehr leid, was ich dir angetan habe»
42 Stunden nach der Tat, in denen der Beschuldigte seinen Kindern noch eine Gutenachtgeschichte vorgelesen und sie wie jeden Montag zur Schule gebracht hatte, nahm ihn die Polizei am späten Abend des 26. September 2022 fest. Erst die Obduktion hatte Gewissheit gebracht, dass Shqiponja Isufi gewaltsam getötet worden war.
In seinem Schlusswort am Donnerstag hatte der 49-Jährige mit stockender Stimme weinend gesagt, dass er seine Frau und seine Kinder «täglich vermisse». Der Schmerz sei unerträglich. «Mein Herz, es tut mir sehr leid, was ich dir angetan habe.» Das Gericht ging in seinem Urteil von «Reue und Einsicht» aus.
Weiterzug ans Obergericht?
Die beiden minderjährigen Kinder sind bei Pflegeeltern im Umfeld der Familie ihrer getöteten Mutter Shqiponja Isufi untergebracht. Obwohl sie durch die Tat eine Traumastörung erlitten haben und in Therapie sind, geht es ihnen laut dem Opferanwalt gut: «Die Kinder sind in der Schule und im Freundeskreis voll integriert.»
Bereits im Vorfeld des letzten Prozesstags sagte der Verteidiger dieser Redaktion, dass das Urteil bei einem Schuldspruch wegen Mordes voraussichtlich ans Obergericht weitergezogen werde.
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