Urteil gegen Fussballer AcerbiEin Freispruch, der zu reden gibt
Der italienische Verteidiger soll Gegenspieler Juan Jesus rassistisch beleidigt haben. Nun wurde er vom Sportgericht freigesprochen – die Beweislast reiche nicht aus.
Eine unschöne Geschichte aus dem italienischen Fussball endet mit einem runden Freispruch, der wohl noch viel zu reden geben wird. Francesco Acerbi, der Verteidiger von Inter Mailand und der italienischen Nationalmannschaft, ist vom Vorwurf entlastet worden, er habe seinen brasilianischen Gegenspieler von der SSC Napoli, Juan Jesus, neulich im Spiel im San Siro diskriminierend oder rassistisch beschimpft, wie es dieser beteuert. Das Sportgericht des Fussballverbands rechtfertigt seinen Beschluss damit, dass das Video- und Audiomaterial, das ihm zur Verfügung gestanden habe für die Prüfung des Falls, nicht ausreiche für eine Beweisführung.
Ja, schreiben die Richter, Acerbi habe Juan Jesus beleidigt. Aber nein, es gebe keine Klarheit über den genauen Wortlaut der Beschimpfung. Oder anders: Nichts beweise, dass Acerbi Juan Jesus zugeraunt hat: «Hau ab, Schwarzer, du bist nur ein Neger.» Der Norditaliener hatte dagegengehalten, Juan Jesus habe ihn nur falsch verstanden, er habe nämlich gesagt: «Ti faccio nero.» Das ist ein umgangssprachlicher Begriff, er steht in etwa für «Ich trete dir in den Hintern», «Ich mach dich fertig».
Acerbi entgeht seinem Karriereende
Acerbi, 36 Jahre alt, entgeht damit einer hohen Strafe: Mindestens zehn Spielsperren stehen auf solchen Fällen. In jüngerer Vergangenheit sei es schon oft vorgekommen, dass der ultimative Nachweis für eine rassistische Beleidigung nicht habe erbracht werden können, schreibt die «Gazzetta dello Sport». Und dennoch habe es der Verband jeweils aus politischen und moralischen Gründen für angezeigt erachtet, hart durchzugreifen – auch um so ein Signal auszusenden.
In den italienischen Medien, die grossmehrheitlich eine Verurteilung erwartet hatten, war nun schon die Möglichkeit verhandelt worden, dass mit einer langen Sperre die Karriere Acerbis zu Ende sein würde. Zumindest bei Inter Mailand und wohl auch in der Nationalmannschaft. Er hat bisher 34 Länderspiele bestritten. Nach der Pensionierung von Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci gehörte der Innenverteidiger definitiv zum Stamm der Azzurri.
Das Spiel, das nun so viel zu reden gab, fand vor eineinhalb Wochen statt, am Tag gegen den Rassismus im Fussball. Juan Jesus gelang der Ausgleich zum 1:1 in der 81. Minute, er wurde deshalb nach Spielschluss von den Fernsehsendern interviewt. Man fragte ihn dabei auch, was denn zwischen ihm und Acerbi vorgefallen sei, warum sie sich in der 59. Minute alle um den Schiedsrichter versammelt und angeregt diskutiert hätten. Jesus sagte da, Acerbi habe etwas Hässliches gesagt, habe sich dann aber entschuldigt. Der Streit schien beigelegt.
Doch dann entschied sich Acerbi, die Geschichte am Tag darauf wortreich auszuführen. Er war eingezogen worden in die Nationalmannschaft, für eine Reise in die USA. Doch kaum war er in Rom angekommen, bat ihn Luciano Spalletti, der Commissario tecnico, besser wieder nach Mailand zu fahren. Für das Wohl und die Ruhe im Team. Acerbi verliess Rom, sichtlich enttäuscht über den Verzicht auf die Reise, und widerstand der Versuchung nicht, vor Journalisten zu reden. Nie habe er sich rassistisch geäussert gegenüber Juan Jesus, sagte er.
Das wiederum hielt Juan Jesus nicht für okay. Er bezichtigte Acerbi der Lüge. Wenn es so sei, dann ziehe er den Fall halt weiter vor das Sportgericht. Das hörte beide Spieler an: Acerbi wurde begleitet von einem Anwalt Inters, Juan Jesus meldete sich allein in der Videoschaltung. Beide hielten an ihrer Version fest, es stand Aussage gegen Aussage.
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