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EU-Impfstrategie in der Kritik
Ursula von der Leyen stolpert vom Eigentor zum Flop

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Kreuzfeuer der Kritik über ihre Impfstrategie.  
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Es sollte ihr grösster Erfolg werden. Nun könnte sich Ursula von der Leyens europäische Impfstrategie zum grössten Fiasko entpuppen. Vereinzelt werden Rücktrittsforderungen laut. Vielleicht ist es auch nur eine Momentaufnahme. Jedenfalls steht Ursula von der Leyen gerade unter massivem Druck. Während in Israel oder Grossbritannien zügig geimpft wird, muss die EU im Wochentakt Rückschläge vermelden. Die Position der EU-Kommissionspräsidentin wirkt nach einem Jahr im Amt angeschlagen.

Ursula von der Leyen tut, was sie gern tut, wenn sie unter Beschuss steht: Sie gibt dem deutschen Fernsehen ein Exklusivinterview, richtet sich an das Publikum in der Heimat, als wäre sie noch immer nur Ministerin in Berlin und nicht Kommissionspräsidentin aller 450 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger. Der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca werde jetzt doch 9 Millionen Impfdosen mehr bereitstellen, nämlich insgesamt 41 Millionen im ersten Quartal, versucht Ursula von der Leyen die Impfkrise schönzureden. Eigentlich sollte das Pharmaunternehmen doppelt so viel liefern.

Ein strategischer Flop

Zu dem, was gerade schiefläuft, will sich Ursula von der Leyen nicht äussern. Als Eigentor und strategischer Flop hat sich der Mechanismus für die Exportkontrolle erwiesen, den die Kommissionschefin im Eiltempo verabschieden liess. Dabei gibt es für das Instrument gute Argumente: Die EU hat direkt nach der Vertragsunterzeichnung im August in zwei Tranchen 336 Millionen Euro überwiesen, damit AstraZeneca schon vor der Zulassung auf Halde produzieren kann. Einiges deutet darauf hin, dass der britisch-schwedische Hersteller die reservierten Dosen nach Grossbritannien umgeleitet hat.

Der Mechanismus sollte hier Transparenz schaffen. Und was, wenn Impfdosen über das EU-Mitglied Irland und das britische Nordirland ins Vereinigte Königreich verschwinden? Im Kabinett von Ursula von der Leyen wollte man offenbar auf Nummer sicher gehen und auch dieses theoretische Schlupfloch schliessen. Dafür sollte das Nordirlandprotokoll zum Austrittsvertrag mit den Briten ausser Kraft gesetzt werden können. Zwar korrigierte Ursula von der Leyen den Entwurf noch vor der Veröffentlichung im Amtsblatt. Doch der Schaden war angerichtet, die EU-Kommission stellte ohne Not ihre Maxime aus den Brexit-Verhandlungen infrage, wonach Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland mit Blick auf den fragilen Frieden dort tabu sind.

Auf Tauchstation

«Nur der Papst ist unfehlbar», sagte EU-Chefsprecher Eric Mamer am Montag. Fehler könnten geschehen. Wichtig sei, dass diese rechtzeitig korrigiert würden. Ursula von der Leyen selbst blieb auf Tauchstation, wirkt wie ein Phantom auf der 13. Etage des Berlaymont, des Sitzes der EU-Kommission. Dort hat sie neben ihren Büros in der Chefetage auch ihre kleine Wohnung eingerichtet. Es scheint allerdings, als sei die Kommissionschefin immer noch nicht richtig angekommen oder einfach isoliert in ihrer Blase. Wenn die Christdemokratin kommuniziert, dann gern in Superlativen auf kurzen Videoclips. Kritische Fragen muss die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin da nicht fürchten. Ursula von der Leyen vertraue nur den deutschen Mitarbeitern, die sie mitgebracht habe, und ignoriere Expertise in der Behörde, heisst es. Die 62-Jährige konsultiere sonst niemanden im Haus, lasse selbst das Kollegium der Kommissare oft im Unwissen. Es herrsche ein Klima des Misstrauens.

In Grossbritannien wird zügig geimpft: Premier Boris Johnson während eines Besuchs in einem Spital im Norden Londons.

So sollen die EU-Kommissare den Entwurf für den Exportmechanimus erst 30 Minuten vor der Beschlussfassung bekommen haben. Statt über das Geschäftsgebaren von AstraZeneca zu reden, sind jetzt die Kommissionspräsidentin und ihr Krisenmanagement das Thema. In den angelsächsischen Medien ist die Häme besonders gross. Ursula von der Leyen kommt nur selten aus der Defensive. Das ist auch strukturell bedingt. Die nationalen Regierungen nehmen gern Erfolge für sich in Anspruch und schieben Brüssel den schwarzen Peter zu, wenn etwas schiefläuft. So sollen Berlin und Paris aus Ärger über AstraZeneca Ursula von der Leyen zur scharfen Exportkontrolle gedrängt haben. Die Mitgliedsstaaten waren auch bei jedem Schritt involviert, als Brüssel für den ganzen Club Verträge mit sechs Herstellern über 2,3 Milliarden Impfdosen abschloss. Ursula von der Leyen sprach da stolz von einer europäischen Erfolgsgeschichte, von einem berührenden Moment der Einigkeit. Jetzt, da fast alle Hersteller Lieferprobleme haben, ist die Einigkeit weg, und es hagelt Kritik: Die Kommission habe zu langsam und schlecht verhandelt. Um Ursula von der Leyen ist es in Brüssel derzeit einsam.