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Schweres Unwetter
«Libyen steht vor einer verhee­renden Katastrophe grossen Ausmasses»

TOPSHOT - Overturned cars lay among other debris caused by flash floods in Derna, eastern Libya, on September 11, 2023. Flash floods in eastern Libya killed more than 2,300 people in the Mediterranean coastal city of Derna alone, the emergency services of the Tripoli-based government said on September 12. (Photo by AFP)
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Erst das Erdbeben in Marokko, nun die Flut im krisengebeutelten Libyen: Die Menschen in Nordafrika sind in diesen Tagen der Wucht der Natur ausgeliefert, wie es die Region seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Ganze Viertel wurden etwa in der Hafenstadt Derna samt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ins Meer gespült, als Dämme plötzlich nachgaben. Videos aus der Hafenstadt im Nordosten Libyens zeigen, wie bräunliche Fluten Autos, Menschen und Häuser am vergangenen Sonntag mitrissen, die Stimmen auf den Handyvideos, die derzeit im arabischen Netz kursieren, sagen unentwegt: «Mein Gott, mein Gott, mein Gott.»

Erst jetzt wird das ganze Ausmass der Flut deutlich. Die Menschen können nicht fassen, was das Sturmtief Daniel, das bereits in Griechenland gewütet hat, in kürzester Zeit in ihrem Land angerichtet hat. Ganze Stadtteile stehen unter Wasser, teilweise sind nur noch die Dächer der Häuser zu sehen.

Neben Derna werden auch aus der Küstenregion Jebel Akhdar mit den Städten al-Bayda und Susa Überflutungen gemeldet, betroffen ist auch die weiter westlich gelegene Region Marj. Auch die zweitgrösste Stadt des Landes, Benghazi, ist betroffen, überall liegt Schutt, Palmen und Autos sind umgekippt, Dächer heruntergestürzt. Auf den Strassen liegen Leichen, notdürftig in Decken gehüllt. Als hätte die Stadt gerade einen Krieg hinter sich. Örtliche Rettungskräfte gehen längst von Tausenden Toten aus. In der Stadt Derna wurden bereits mehr als 300 Menschen in Massengräbern beerdigt, wie der Libysche Rote Halbmond auf dem Kurznachrichtendienst X mitteilte.

Am Montag wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Etwa zehntausend Menschen würden derzeit noch vermisst, sagte der für Libyen zuständige Leiter der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Tamer Ramadan, am Dienstag in Genf und plädiert via X für internationale Hilfe: «Libyen steht vor einer verheerenden Katastrophe grossen Ausmasses, die Anstrengungen sind enorm, doch die Herausforderungen und Bedürfnisse gehen weit über das hinaus, was mit den derzeitigen Bemühungen geleistet werden kann.»

Die Türkei schickte bereits Hilfsgüter und entsandte Rettungskräfte. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit. Auch Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die EU sicherten Libyen Hilfe zu.

Auch das Schweizer Aussendepartement (EDA) verfolgt die Situation, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilt. Eine finanzielle Unterstützung werde geprüft. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ist in Libyen nicht präsent, steuert ihr humanitäres Engagement aber vom benachbarten Tunesien aus. «Mögliche Neujustierungen der laufenden Aktivitäten, um neuen Bedürfnissen gerecht zu werden, werden derzeit geprüft», heisst es beim EDA.

Immer wieder Zusammenstösse trotz Waffenruhe

Die Katastrophe trifft ein Land, das seit Ausbruch des Arabischen Frühlings und dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Ghadhafi 2011 von politischen Unruhen geprägt ist. Im Land kämpfen zwei verfeindete Regierungen – eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen – sowie etliche Milizen um Macht und Einflusssphären: Da wäre die in Tobruk ansässige Regierung unter Premier Fathi Bashagha und die in Tripolis ansässige Regierung unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbeibeh.

Obwohl seit 2020 offiziell eine Waffenruhe zwischen den beiden Regierungen besteht, kommt es immer wieder zu Zusammenstössen. Auch mehrere ausländische Staaten, wie etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei oder Russland, intervenierten in dem ölreichen Staat. In den vergangenen Jahren hat sich Libyen ausserdem zum wichtigsten Transitland für Migranten entwickelt, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen.