Erpressungsaffäre um InnenministerUntersuchungsbericht entlastet Berset in sämtlichen Punkten
In der Erpressungsaffäre hat sich Bundesrat Alain Berset nichts zuschulden kommen lassen. Zu diesem Schluss sind die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat gekommen.
Der Fall sorgte für dicke Schlagzeilen: Im November 2019 wurde Bundesrat Alain Berset Opfer eines Erpressungsversuchs. Eine Frau versuchte, den Gesundheitsminister mit Details aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu erpressen (lesen Sie hier unseren damaligen Bericht). Sie forderte von Berset 100’000 Franken und drohte damit, Dritten E-Mails und Fotos zugänglich zu machen. Der Bundesrat versuchte zunächst, die Sache mit der Frau niederschwellig zu regeln. Als das nicht gelang, reichte er Strafanzeige ein. Die Täterin wurde verhaftet und später per Strafbefehl verurteilt.
Im Zusammenhang mit der Erpressung erhoben die «Weltwoche» und andere Medien aber auch Vorwürfe gegen Berset. Die parlamentarische Oberaufsicht hat diese nun untersucht – und ist zum Schluss gekommen, dass sämtliche Vorwürfe unbegründet sind. Sie hätten weder Unregelmässigkeiten beim Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden noch einen missbräuchlichen Einsatz von Bundesmitteln durch Bundesrat Alain Berset festgestellt, schreiben die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht.
Die Ergebnisse zu den einzelnen Vorwürfen:
Die Bundesanwaltschaft gewährte Berset keine Vorzugsbehandlung.
Der Vorwurf: Im Strafverfahren soll es eine Rolle gespielt haben, dass es sich beim Opfer um einen Bundesrat handelte.
Die Beurteilung der GPK: Es gibt keine Hinweise, dass die Bundesanwaltschaft die Erpresserin wegen der Prominenz des Opfers anders oder strenger als üblich behandelte. Umgekehrt lägen auch keine Hinweise vor, dass Berset als Opfer bevorzugt behandelt worden wäre, schreiben die GPK. So sei es zulässig und nicht unüblich, dass Opfer nur schriftlich einvernommen würden.
Die Bundeskriminalpolizei führte keinen unverhältnismässigen Polizeieinsatz durch.
Der Vorwurf: Der Einsatz der Polizeigruppe «Tigris» bei der Verhaftung der Erpresserin soll unverhältnismässig gewesen sein.
Die Beurteilung der GPK: Es liegen keine Hinweise vor, dass die Polizei bei der Verhaftung oder Befragung unverhältnismässig vorgegangen sein könnte. Auch gab es nach Kenntnis der GPK keine Versuche vonseiten Bersets oder seines Anwalts, Einfluss auf das Vorgehen der Polizei zu nehmen. Der Umstand, dass es sich beim Opfer um einen Bundesrat handelte, spielte lediglich in einem Punkt eine Rolle: Für das Opfer und die Beschuldigte wurden Codenamen verwendet.
Der Einsatz von Stabsmitarbeitenden zur Abwehr des Erpressungsversuchs war geringfügig und legal.
Der Vorwurf: Berset soll im Umgang mit der Erpressungsaffäre Stabsmitarbeiter zu privaten Zwecken eingesetzt haben. So soll ein Mitarbeitender die Frau per E-Mail aufgefordert haben, den Erpressungsversuch zu unterlassen.
Die Beurteilung der GPK: Zum Einsatz von Mitarbeitenden durch Bundesräte für private Angelegenheiten existieren keine spezifischen Vorschriften oder Empfehlungen. Dass Berset seinen Generalsekretär informiert habe, sei nicht zu beanstanden, schreiben die GPK. Es wäre im Gegenteil unverantwortlich gewesen, die Angelegenheit ausschliesslich als privat zu betrachten. Der Versuch, ein Regierungsmitglied zu erpressen, habe immer auch einen Bezug zum Amt. Das zeitliche Engagement des Generalsekretärs und des Kommunikationschefs war aus Sicht der GPK «geringfügig und der Sache angemessen». Dass Berset damals auch den Bundespräsidenten und die Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements informiert habe, bezeichnen die GPK als «folgerichtig».
Die Benützung eines Dienstautos für die Rückfahrt von einem privaten Wochenende war legal.
Der Vorwurf: Bundesrat Alain Berset soll nach einem privaten Aufenthalt mit der späteren Erpresserin in Freiburg im Breisgau für die Rückfahrt sein Repräsentationsfahrzeug mit Chauffeuse benützt haben, um am Sonntag an einer Medienkonferenz in Bern zu einer Abstimmung teilzunehmen.
Die Beurteilung der GPK: Das trifft zu. Doch gemäss dem Spesenreglement steht Bundesratsmitgliedern für Dienst- und Privatfahrten im In- und Ausland ein Repräsentationsfahrzeug mit Chauffeur zur Verfügung. Die Verwendung des Fahrzeugs sei also rechtmässig gewesen und nicht zu beanstanden, heisst es im GPK-Bericht. Als unbegründet erwies sich zudem der Verdacht, Berset habe die Hotelrechnung zulasten des Bundes beglichen. Die Abklärungen ergaben, dass er diese privat bezahlte.
Nicht Thema des GPK-Berichts ist die Tatsache, dass ein Teil der Korrespondenz zwischen Bersets Departement und der Erpresserin gelöscht wurde. Das Departement erklärt die Löschung damit, dass der damalige Generalsekretär inzwischen aus dem Bundesdienst ausgeschieden ist.
SVP-Nationalrat und GPK-Mitglied Alfred Heer ärgert sich, dass die GPK über diese Sache nicht informiert war. «Die GPK macht sich völlig unglaubwürdig, wenn es solche Unregelmässigkeiten gibt, von denen sie nichts erfährt», sagt Heer. «Die parlamentarische Oberaufsicht schwächt sich selber, wenn sie solche Aspekte nicht abklärt.» Auch Mitte-Ständerat Daniel Fässler möchte hier noch Fragen geklärt haben.
FDP-Ständerat Matthias Michel, der Präsident der ständerätlichen GPK, sagt dazu, eine ergänzende Untersuchung sei jederzeit möglich. Allerdings seien die fraglichen E-Mails Bestandteil der Strafuntersuchung gewesen. Die GPK habe Einsicht in die Strafakte und damit auch in die E-Mails gehabt. Das relativiere die Bedeutung der Löschung.
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