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Meinung

Kommentar zur Schweizer Gaza-Politik
Die Finanzierung der UNRWA ist ein Gebot der Menschlichkeit

TOPSHOT - People walk past destroyed buildings in Khan Yunis in the southern Gaza Strip on April 22, 2024 amid the ongoing conflict in the Palestinian territory between Israel and the militant group Hamas. Israel pulled its ground forces from Khan Yunis on April 7 after carrying out what it called a "precise and limited operation" at the Nasser Medical Complex, one of the biggest hospitals in the Palestinian territory. (Photo by AFP)
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Es ist eine schwierige ethische Frage, auf die man derzeit in der Schweiz viele zu einfache Antworten hört – sei es von den Aussenpolitikern im National- und im Ständerat, sei es von gewöhnlichen Bürgerinnen in den sozialen Medien.

Die Frage lautet: Soll – nein: darf! – die Schweiz weiter Geld an das Palästina-Hilfswerk UNRWA zahlen? 

Oberwasser haben derzeit jene Kräfte, die per sofort den Geldhahn zudrehen wollen. Unter bürgerlichen Aussenpolitikern und womöglich auch im Bundesrat scheint mehrheitsfähig, dass die Schweiz der UNRWA ihre für 2024 budgetierten Beiträge streicht. 

Die fünfte Kolonne der Hamas?

Für diese Kritiker ist die UNRWA so etwas wie die fünfte Kolonne der Hamas. Tatsächlich war das UNO-Hilfswerk schon vor dem Hamas-Terroranschlag vom 7. Oktober in der Kritik. Wegen antisemitischer Passagen in Schulbüchern. Oder wegen antiisraelisch agitierender Angestellter. Dass solche und andere Vorwürfe teilweise berechtigt sind, bestätigt auch der Untersuchungsbericht der ehemaligen französischen Aussenministerin Catherine Colonna.

Es sind reale Probleme, die auch jene (oft linken) Politikerinnen und Palästina-Fürsprecher anerkennen sollten, welche die UNRWA allzu vorbehaltlos in Schutz nehmen.

Eine andere Frage ist, was das jetzt für die Schweiz heisst: Soll sie der UNRWA die Finanzierung entziehen? Soll sie damit (wie das einzelne Politiker offen anstreben) möglicherweise zu ihrem Zusammenbruch beitragen?

Solche Forderungen auf einem gemütlichen Sofa oder in einem getäferten Kommissionszimmer im Bundeshaus zu erheben und sich dabei moralisch gut zu fühlen, ist billig. Und die Vorstellungen, die hinter solchen Forderungen stehen, sind teilweise naiv – zum Beispiel die Idee, die UNRWA könnte in einem derart schwierigen Kontext aktiv sein, ohne sich irgendwie mit den örtlichen Machthabern, also der Hamas, zu arrangieren.

Too big to fail

Ein Teil der UNRWA-Kritiker argumentiert, man könnte die jährlich 20 Millionen Franken, die der Bund bisher zahlte, stattdessen anderen Hilfsorganisationen geben. Doch welche Organisationen das sein könnten, sagen sie nicht.

Mit gutem Grund: Nur die UNRWA hat im Gazastreifen noch genügend Personal, um der Bevölkerung wenigstens ansatzweise zu helfen – mit Lebensmitteln, Medikamenten oder Unterkünften. So problembehaftet sie auch sein mag: Die UNRWA ist für die Menschen im Gazastreifen schlicht too big to fail. Als Beleg mögen zwei Zahlen dienen: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zum Beispiel, als Organisation ebenfalls kein Zwerg, hat nur gut 100 Mitarbeitende im Gazastreifen, die UNRWA immerhin noch 3500.

Zweifellos: Wenn dieser Krieg irgendwann vorbei ist, braucht die UNRWA eine Reform. Vielleicht muss man die humanitäre Hilfe in den Palästinensergebieten dann sogar ganz neu denken, ohne UNRWA.

Das Leid der Zivilbevölkerung

Doch heute zählen nicht solche politischen Fragen, sondern das schiere Leid der Zivilbevölkerung. 2,2 Millionen Menschen sind zwischen den Fronten gefangen. Tausende Verletzte bekommen die nötige Pflege nicht, Zehntausende Familien sind auf der Flucht, Hunderttausende Kinder sind traumatisiert und leiden Hunger.

Schweizer Politikerinnen und Politiker, die in dieser Situation, in der vermutlich grössten humanitären Krise der Gegenwart, der wichtigsten humanitären Akteurin vor Ort den Stecker ziehen wollen, handeln unverantwortlich. Man muss sagen: unmenschlich.