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Botschafter mit Davidstern
Die UNO und Israel: Status zerrüttet

Israel?s U.N. Ambassador Gilad Erdan wears a yellow Star of David that reads "Never Again" in honor of those killed in the unprecedented attack by Hamas, which triggered an ongoing war, as he addresses members of the U.N. Security Council at United Nations headquarters Monday, Oct. 30, 2023. (AP Photo/Eduardo Munoz Alvarez)
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Die Beziehungen Israels zur UNO sind schon lange belastet, doch seit Anfang dieser Woche dürften sie einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Bei einer Sitzung des Sicherheitsrats hefteten sich der israelische UNO-Botschafter Gilad Erdan und Mitglieder seiner Delegation gelbe Davidsterne auf die Brust, eine überdeutliche Referenz an die Judenverfolgung im Dritten Reich.

Damals hatten die Nationalsozialisten in Deutschland und den im Zweiten Weltkrieg eroberten Ländern die jüdische Bevölkerung gezwungen, solche Sterne zu tragen, als Zeichen ihrer Entrechtung. Erdan wollte mit dieser Provokation zum Ausdruck bringen, dass Israel bei der UNO derzeit so allein sei wie damals die Juden in Deutschland.

Protesters raise signs in solidarity with Palestinians in the Gaza Strip as Egyptian army officers and bodyguards escort United Nations Secretary-General Antonio Guterres to his vehicle during his visit to oversee preparations for the delivery of humanitarian aid to the Palestinian enclave on the Egyptian side of the Rafah border in the east of North Sinai province on October 20, 2023. (Photo by Kerolos SALAH / AFP)

Zuvor hatte Erdan die Weltgemeinschaft dazu aufgerufen, die UNO nicht länger zu finanzieren. Zudem forderte er den Rücktritt von Generalsekretär António Guterres. Dieser hatte die Attacke der Terrororganisation Hamas auf israelische Zivilisten vom 7. Oktober zwar scharf verurteilt, er hatte jedoch auch gesagt, dass dieser Angriff «nicht in einem Vakuum» stattgefunden habe. Das palästinensische Volk habe seit mehr als 50 Jahren unter einer «erdrückenden Besatzung» gelitten. Aus israelischer Sicht hatte er das Massaker der Hamas damit relativiert und womöglich gar insinuiert, Israel könnte selbst schuld daran sein.

140 Israel-kritische Resolutionen

Kein Thema kommt bei der UNO so oft zur Sprache wie der israelisch-palästinensische Konflikt. Laut der Nichtregierungsorganisation UN-Watch hat die Generalversammlung der UNO allein zwischen 2015 und 2022 insgesamt 140 Resolutionen verabschiedet, die sich Israel gegenüber kritisch äusserten. Im gleichen Zeitraum unterstützte die Versammlung lediglich 68 Resolutionen, die sich mit dem Rest der Welt beschäftigten. Das führt auf israelischer Seite zu einem starken Gefühl der Ungleichbehandlung.

Ende der vergangenen Woche hatte die Generalversammlung eine Resolution verabschiedet, die eine «humanitäre Pause» der Kämpfe im Gazastreifen fordert, um der palästinensischen Zivilbevölkerung zu helfen. 120 Staaten stimmten dafür, darunter die Schweiz, 14 dagegen, 55 enthielten sich. Die USA haben als treuester Verbündeter Israels dagegen gestimmt. Die amerikanische UNO-Botschafterin Linda Greenfield-Thomas begründete das damit, dass in der Resolution nicht auf den Terror der Hamas eingegangen werde und sie das Leid der Geiseln nicht ausreichend berücksichtige.

Die USA stehen in den UNO-Gremien wie gewohnt fest an der Seite Israels, bauen aber allmählich Druck auf.

Resolutionen der Generalversammlung sind völkerrechtlich nicht bindend, sie haben aber symbolischen Wert. Anders verhält es sich mit Resolutionen des Sicherheitsrats. Diese sind bindend, doch da in dem Gremium neben China, Russland, Grossbritannien und Frankreich auch die USA über ein Vetorecht verfügen, werden dort keine Israel-kritischen Beschlüsse verabschiedet. Einzige Ausnahme: Im Jahr 2016 forderte der Rat Israel dazu auf, den Bau von Siedlungen in den besetzten Gebieten zu stoppen. Die USA hatten sich enthalten. Ansonsten stimmen sie grundsätzlich im Sinne der israelischen Regierung ab.

Darauf kann sich Israel voraussichtlich auch weiterhin verlassen, obwohl sich infolge der Angriffe im Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe entwickelt. Während die USA in den UNO-Gremien wie gewohnt fest an der Seite Israels stehen, bauen sie zugleich allmählich Druck auf, die Kämpfe einzudämmen oder zu beenden. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan hat mehrmals darauf hingewiesen, dass Israel zwischen militärischen und zivilen Zielen unterscheiden müsse. Einlassungen dieser Art von solch hoher Stelle in den USA sind in Bezug auf Israel selten.

Auch die USA haben drängende Fragen

Sullivan wies zwar darauf hin, dass es allein der israelischen Regierung obliege, über das Vorgehen des Militärs zu entscheiden, er wies jedoch auch darauf hin, dass die USA drängende Fragen zu den Zielen der Angriffe gestellt hätten und über die Mittel, die zum Erreichen dieser Ziele notwendig seien. Zudem verurteilte er die Angriffe von israelischen Siedlern in der Westbank auf palästinensische Zivilisten deutlich, er nannte sie «vollkommen inakzeptabel». Auch das ist selten.

Ursprünglich war das Verhältnis Israels zur UNO sehr eng. 1947 stimmte die UNO-Generalversammlung dafür, dass die Israelis im Nahen Osten einen eigenen Staat gründen können, was im folgenden Jahr geschah. Doch mit dem Sechstagekrieg von 1967 und der folgenden Besetzung von Westbank, Gazastreifen und der Sinaihalbinsel (die Israel ab 1979 schrittweise komplett an Ägypten zurückgab) verschlechterten sich die Beziehungen zur UNO. Über Dutzende Israel-kritische Resolutionen wurde seither im Sicherheitsrat abgestimmt, gegen die die USA ihr Veto eingelegt haben.

Bei den jüngsten Sitzungen des Rats manifestierten sich unter den Grossmächten zwei eindeutige Positionen. Chinas UNO-Botschafter Zhang Jun wirft der israelischen Regierung vor, sich «taub zu stellen» in Anbetracht der Sorgen um die humanitäre Situation im Gazastreifen. Er spricht von Israel als einer «Besatzungsmacht», und wenn der Rat nichts tue, gebe man dem Land «grünes Licht» dafür, die Angriffe fortzusetzen.

Der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja sagt, Israel ignoriere die Position der Mehrheit der Mitgliedsstaaten demonstrativ. Man habe versucht, Frieden zu bringen, doch «die USA und Westjerusalem» seien dagegen. Nebensja spricht zu diesem Thema fast so energisch wie bei seinen Auftritten, in denen er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigt. Unter den Übersetzern bei der UNO ist er gefürchtet, weil er seine Vorträge in einem rasanten Tempo herunterrasselt; er klingt dabei wie eine Bandmaschine, die versehentlich in doppelter Geschwindigkeit läuft.

Eindrücklicher Redner aus Albanien

Für die USA hält dann stets Botschafterin Linda Greenfield-Thomas dagegen, die betont, Israel habe nicht nur das Recht, sich zu verteidigen, sondern auch die Verantwortung der eigenen Bevölkerung gegenüber, das zu tun. Sie sagt, dass es langfristig zwei demokratische Staaten geben müsse, die friedlich nebeneinanderlebten, dass jedoch die Hamas genau das nicht wolle.

Die eindrücklichsten Reden im Gremium hält derzeit regelmässig der albanische Vertreter Ferit Hoxha, der sowohl den Terror der Hamas ausdrücklich beim Namen nennt, aber auch intensiv nach Möglichkeiten für einen dauerhaften Frieden sucht.

«Dieser Akt entehrt sowohl die Opfer des Holocaust als auch den Staat Israel.»

Dani Dayan, Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem

Israels Botschafter Gilad Erdan hat angekündigt, er wolle den gelben Stern bei seinen Auftritten in den UNO-Gremien so lange tragen, «bis Sie die Gräueltaten der Hamas verurteilen und die sofortige Freilassung unserer Geiseln fordern». Während die meisten UNO-Diplomaten sich nicht öffentlich zu der Aktion äusserten, wurde Erdan von prominenter Stelle in der Heimat kritisiert.

Dani Dayan, Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, schrieb bei X: «Dieser Akt entehrt sowohl die Opfer des Holocaust als auch den Staat Israel.» Es muss als unwahrscheinlich gelten, dass Erdan, ein rechter Hardliner und seit jeher ein scharfer Kritiker der UNO, sich davon beeindrucken lässt.