Mario Draghis AbschiedUnd zum Schluss sagt Draghi vieldeutig: «Italien bleibt»
In seiner Dankesrede beruhigt Italiens scheidender Premier Mario Draghi die Welt mit einem bemerkenswerten Satz. Unterdessen schenkt Wahlsiegerin Giorgia Meloni ihren 185 Parlamentariern Krawatten und Halstücher mit der Trikolore.
Was man zum Abschied sagt, ist ja selten improvisiert. Als Mario Draghi, der scheidende Premier Italiens, nach eineinhalb Jahren im Amt seine wahrscheinlich letzte Ministerratssitzung beendet hatte, schloss er seine Dankesrede mit diesem Satz: «Regierungen kommen und gehen, Italien bleibt.» Die Stimme hob er dafür ein bisschen an.
Das ist gar nicht so banal, wie es sich anhören könnte nach 67 Regierungen in etwas mehr als siebzig Jahren. In Italien kommen und gehen Regierungen nun einmal sehr rege. Auch Draghis sogenannte Regierung der nationalen Einheit ist früher zu Ende gegangen, als es eigentlich geplant gewesen wäre – im Juli schon statt erst im kommenden Frühjahr zum ordentlichen Ende der Legislaturperiode, weil drei Parteien den parteilosen Premier stürzten.
Aber der Abschiedsgruss ist eben auch ein Signal an die Welt: Was jetzt auch kommt, schwang da mit, es geht bei uns erstens selten sehr lange, und zweitens bleibt Italien immer Italien. Es gab dann auch noch ein Gruppenfoto der Minister mit Draghi. Die Zeitung «La Stampa» titelte dazu: «Der Abschied der Besten». Draghi hatte bis zuletzt hohe Beliebtheitswerte im Land, seine Regierung galt auch im Ausland als hochkarätig und verlässlich.
Berlusconi ist erzürnt über Meloni – auf Twitter
Nun, was bald kommen wird, ist eine rechte Regierung mit den postfaschistischen Fratelli d’Italia in der führenden Rolle. Giorgia Meloni, Siegerin der Parlamentswahl vom 25. September, versucht seit zwei Wochen, ein Kabinett zu bilden, das auch ihren zwei Alliierten Matteo Salvini von der Lega und Silvio Berlusconi von Forza Italia gefällt. Und das ist schwierig.
Bisher hat sich die Rechte offenbar noch auf keinen einzigen Posten einigen können. In manchen Fällen ist das Ringen dermassen virulent, dass die Nerven der Beteiligten blank liegen. So beharrt zum Beispiel Berlusconi seit Beginn darauf, dass seine treue Anhängerin und Senatorin Licia Ronzulli ein gewichtiges Ressort bekommt, egal, welches: Gesundheit oder Erziehung oder sonst etwas Grosses. Doch Meloni hält wohl nicht so viel von Ronzulli. Und so beklagt sich Berlusconi offen über Melonis Arroganz – auf Twitter.
Das grosse Ringen um das Finanzministerium
Zunehmend problematisch wird aber eine viel wichtigere Personalie, nämlich die des zukünftigen Wirtschafts- und Finanzministers. Nach einer Serie von Absagen prominenter, parteiloser und international renommierter Persönlichkeiten erwägen die Fratelli d’Italia nun, ihr Parteimitglied Maurizio Leo ins Spiel zu bringen, der weder prominent noch renommiert ist: In seiner Karriere war der Professor und Parlamentarier einmal zwei Jahre lang zuständig für Wirtschaftsfragen in der römischen Stadtverwaltung.
Herumgereicht wird auch der Name von Giancarlo Giorgetti, Salvinis Vize und stiller Rivale bei der Lega. Giorgetti ist ein «Draghianer» mit gutem Netzwerk, er gilt als präsentables Gesicht der Lega. Aber eben: Salvini ist dagegen. Die Beförderung seiner Nummer 2 in ein so zentrales Ministerium würde seine eigene Machtposition schwächen, und die ist seit dem schlechten Wahlergebnis der Lega schon prekär. Zumal, wenn ihm selbst das Innenministerium verwehrt bliebe.
Die Liturgie der Republik
Da laufen also Machtspiele auf allen Ebenen, innerhalb der rechten Koalition und innerhalb der Parteien. Staatspräsident Sergio Mattarella wird die Konsultationen mit den Parteien wahrscheinlich am 17. Oktober aufnehmen, so will es die Liturgie der Republik. Zum ordentlichen Ablauf gehört auch, dass der Staatspräsident den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Mattarella kann Personalentscheide, die ihm nicht passen, auch zurückweisen.
Wenn sich Giorgia Meloni nun bei den Vorverhandlungen bereits so aufführt, als wäre sie als Ministerpräsidentin gesetzt, verstösst das zumindest in der Form gegen die üblichen Gepflogenheiten. Man hört dann auch, dass Mattarella ein bisschen irritiert sei. Doch an der Sache ändert das nichts: Die «Brüder Italiens» haben bei den Wahlen allein zehn Prozentpunkte mehr Stimmen gewonnen als ihre zwei Partner Lega und Forza Italia zusammen. Die Hackordnung in der Regierungsmehrheit ist also vorgegeben.
Das neue Parlament wird nun am Donnerstag zum ersten Mal zusammenkommen, in seiner gestutzten Form: Im Senat sitzen nach der Reform nur mehr 200 Vertreter des Volkes, früher waren es 315; und in der Abgeordnetenkammer sind es neu 400, einst waren es 630. Auch über die Besetzung der Kammervorsitze streitet die Rechte seit Wochen.
Im Zentrum steht der Senat, wie so oft, er wird auch in der neuen Legislaturperiode zur Hauptbühne werden: Die Rechte hat da nur eine Marge von elf Stimmen. Für italienische Standards ist das sehr wenig. Meloni würde gerne Parteifreund Ignazio La Russa zum Präsidenten des Senats machen, während die Lega auf Roberto Calderoli setzt. Es sei «Krieg», schreiben die Zeitungen, als wäre dieser Begriff nicht gerade sehr unpassend.
Meloni warnt ihre Leute, mit der Presse zu reden
Meloni hat nun erstmals ihre frisch gewählten Parlamentarier in einem Raum versammelt, es musste ein grosser Saal sein: 185 Brüder Italiens sitzen im neuen Parlament, sie sind mit Abstand die grösste Abordnung. Den Herren schenkte Meloni eine Krawatte, den Damen ein Halstuch – beides dunkelblau, mit aufgestickter kleiner Trikolore. Sie sagte zu ihren Leuten, sie sollten beim Hinausgehen die Journalisten ignorieren und auf keine Fragen antworten. Meloni treibt die Sorge um, dass noch ein Unfall passieren könnte, ein Fauxpas, eine ungeheuerliche Aussage – und sie dann vielleicht scheitert, bevor es losgeht.
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