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Ärger um Italiens EM-Party
Und plötzlich stand da ein offener Bus

Fest mit Folgen? Tausende Menschen feierten in Rom ihre EM-Helden, dicht an dicht. 
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Auch das schönste Fest ist vor einem Kater nicht gefeit, wobei man sagen muss: Bei diesem schönen Fest befiel viele schon ein ungutes Gefühl, als es noch lief.

In der Nacht nach dem Finalsieg der Azzurri bei der EM waren die Städte Italiens, deren Piazze und Strassen und Strände, voll mit feiernden Menschen, dicht an dicht. Und obschon das Dekret der Regierung vorsähe, dass bei Menschenansammlungen noch immer Maskenpflicht gilt, trugen nur wenige einen Schutz. Es war eine tropisch warme Nacht.

Als die Helden von Wembley dann nach Rom zurückkehrten und dem Volk den Pokal auf einer Tour durch die Stadt im offenen Bus präsentierten, die Via del Corso hinunter bis zur Piazza Venezia, dann rauf zur Via Veneto und weiter bis zu ihrem Hotel bei der Villa Borghese, säumten Tausende den Triumphzug, ein Meer von Menschen nach Monaten der Enthaltung und Disziplin.

Die meisten Fans waren jung, ungeimpft oder zumindest noch nicht immunisiert.

Irgendwie verständlich, aber auch ziemlich verrückt in einer Pandemie mit aggressiver Variante. Die meisten Fans waren jung, ungeimpft oder zumindest noch nicht immunisiert.

Nun, der Kater setzte schnell ein. Besonders verbittert ist der römische Präfekt, Matteo Piantedosi, so etwas wie der oberste Sicherheitschef der Stadt. «Wir hatten einen Deal, doch er wurde nicht eingehalten», sagte Piantedosi der Zeitung «Corriere della Sera».

Ein Bus? Unmöglich, sagten die Behörden

Zwei Tage vor dem Final in London hatten sich der Präfekt, Italiens Innenministerin, die Spitze der Polizei und der italienische Fussballverband zusammengefunden, um die eventuellen Folgen eines Siegs der Azzurri zu besprechen. Der Verband bat darum, im Falle eines Triumphs mit einem offenen Bus durch Rom fahren zu dürfen, doch die staatlichen Behörden wiesen das Ansinnen zurück. «Das sei unmöglich, sagten wir.»

Man bot dem Verband eine Alternative an: eine Feier auf der Piazza del Popolo, mit Bühne für die Spieler. Auf dem Platz war während des ganzen Turniers ein Public Viewing organisiert worden, für jedes Spiel der Italiener. Zugelassen waren jeweils 2500 Zuschauer. Sie mussten sich anmelden, die Zugänge waren überwacht. Der Präfekt fand, für eine Titelfeier hätten auch mehr Menschen auf die Piazza gedurft, die Polizei hätte sicherstellen können, dass alle Schutzmasken trügen. Der Verband schien einverstanden zu sein, wenn auch nicht erfreut. So ging man ins Wochenende. Man war auch etwas stolz, dass eine vernünftige Lösung gefunden werden konnte.

Zusammen mit Captain Giorgio Chiellini die treibende Kraft hinter dem halbsubversiven Akt: Leonardo Bonucci.

Am Montag dann, nach den Staatsempfängen der Sieger beim Präsidenten und beim Premier, stand plötzlich ein offener Bus vor dem Amtssitz des Regierungschefs: mit der Aufschrift «Campioni d’Europa», Europameister. Das Gefährt war also schon lange präpariert. Der Fussballverband richtete dem Präfekten aus, es seien so viele Leute auf den Strassen, dass es jetzt keinen Unterschied mehr mache, und die Spieler hätten nun mal eine grosse Lust, mit dem Bus durch Rom zu fahren. Die Anführer des halbsubversiven Akts: die Innenverteidiger Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini, der Captain. In Italien nennt man sie auch «Senatoren», weil sie schon so lange dabei sind und einen etwas höheren Status geniessen als der Rest. Nach dem Final sowieso.

«Werden für das Fest teuer bezahlen»

Kann man diesen Männern in der Stunde der Glorie etwas verwehren? Die Kunde, dass es am Abend eine Bustour der Azzurri geben würde, hatte sich schnell herumgesprochen, da war es zu spät. «Es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten die Situation zur Kenntnis nehmen und versuchten, das Beste daraus zu machen», sagt der Präfekt. Masken hätten dann aber fast nur die Polizisten getragen. Die ganze Arbeit rund um die EM: für nichts. Mit dem Verband habe er nicht mehr gesprochen, dafür sei er viel zu verärgert, sagte der Präfekt. «Eine Respektlosigkeit.»

Die Virologen im Land klagen über mangelnde Kohärenz. «Wir werden das Fest für die Azzurri teuer bezahlen, mit vielen neuen Ansteckungen», sagte auch Alessio D’Amato, der Gesundheitschef der Region Latium, wo die Infektionszahlen neuerdings – wie im ganzen Rest des Landes – wieder deutlich steigen und Delta mittlerweile dominiert.

Die Regierung mache sich einer «grossen Heuchelei» schuldig, liess der Verband der Tanzlokale ausrichten.

Die Betreiber von Restaurants und Diskotheken sehen sich unfair behandelt. Erstere, weil sie ihre Gäste noch immer zur Einhaltung von Sicherheitsmassnahmen drängen müssen, Letztere, weil sie gar nicht erst öffnen dürfen – mit entsprechenden Verlusten und Krisennöten. Und unterdessen sei dem Fussball alles erlaubt. Die Regierung mache sich da einer «grossen Heuchelei» schuldig, liess der Verband der Tanzlokale ausrichten.

Doch es gibt auch Beschwichtiger. Solche Feiern im Freien seien nicht so gefährlich, sagen sie. Das habe man schon nach der grossen Meisterparty der Fans von Inter auf der Mailänder Piazza del Duomo im Mai gesehen: Die Kurve sei danach nicht gestiegen. Andererseits, damals gab es auch kein Delta. Zwei, drei Wochen, dann weiss man Bescheid.

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