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Tierquälerei im Pferdesport
«Hau richtig drauf!» – Jetzt wird die Reit-Trainerin ausgeschlossen

Drama beim Modernen Fünfkampf: Die in Tränen aufgelöste Deutsche Annika Schleu und ihr zugelostes Pferd Saint Boy.
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Wieder versucht sie anzulaufen. Zieht an den Zügeln, tritt in die Sporen, doch Saint Boy will nicht. Das Pferd bockt an fast jedem Hindernis, und Annika Schleu kann sich nur mit Mühe im Sattel halten. Tränen laufen über ihr Gesicht, die Deutsche ist völlig aufgelöst und panisch. Und vom Rand der Arena ruft ihr die Nationaltrainerin zu: «Hau mal richtig drauf! Hau drauf!» Doch selbst der Einsatz von Gerte und Sporen fruchtet nicht: Saint Boy verweigert und bockt.

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Die Olympischen Spiele haben nach diesem Vorfall im Modernen Fünfkampf ihren nächsten Schockmoment beim Pferdesport. Erst vor wenigen Tagen musste der Wallach Jet Set des Schweizer Reiters Robin Godel eingeschläfert werden, nachdem er sich beim Vielseitigkeitsreiten einen Bänderriss in der Fesselbeuge zugezogen hatte. Der Vorfall sorgte international für Aufsehen und liess generell Kritik aufkommen an der Belastung, denen Pferde bei einem solchen Anlass ausgesetzt sind – für den sportlichen Erfolg ihrer Reiterinnen und Reiter.

Die deutsche Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth kritisierte den Einsatz von Pferden im Modernen Fünfkampf scharf. «Das hat mit Reitsport nichts zu tun, wie wir ihn betreiben und kennen», sagte die erfolgreichste Reiterin der Welt. «Das ganze System muss geändert werden.» Das Pferd tue ihr leid, betonte die siebenfache Olympiasiegerin. Die Tiere seien im Fünfkampf «nur ein Transportmittel».

Schleu erhält Hassnachrichten

Auch die Deutschen Sportverbände mussten zur Debatte bereits Stellung nehmen. «Als Fachverband für den Pferdesport sehen wir die Reiterei im Modernen Fünfkampf kritisch», sagte Dennis Peiler, Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. «Unser Verständnis der Reiterei liegt in der Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd und nicht darin, das Pferd als Sportgerät zu betrachten.»

Dieser Einschätzung schloss sich auch der Deutsche Olympische Sportbund an. «Zahlreiche erkennbare Überforderungen von Pferd-Reiter-Kombinationen sollten für den internationalen Verband dringend Anlass dafür sein, das Regelwerk zu ändern», hiess es in einer Stellungnahme.

Im Internet gab es deutlichere Worte. «Moderne Tierquälerei» oder «Kein Respekt vor dem Tier» war wenige Minuten nach den ungewöhnlichen Szenen bei Twitter zu lesen. Sie habe schon «diverse Hassnachrichten erhalten», berichtete Schleu kurz nach dem Wettkampf. Sätze wie «Holt das Mädchen vom Pferd runter» und sich übergebende Smileys gehörten noch zu den gemässigten Botschaften. Die Tierrechtsorganisation Peta forderte die Suspendierung von Schleu und Nationaltrainerin Kim Raisner und sprach von «Misshandlungen».

Und der Weltverband im Modernen Fünfkampf reagierte. Er schloss Raisner wegen ihres Verhaltens von den Sommerspielen in Tokio aus. Diese Entscheidung verkündete der Weltverband einen Tag nach den umstrittenen Szenen beim Finaltag der Frauen. Die Trainerin habe das Schleu zugeloste Pferd, das im Parcours verweigerte, anscheinend mit der Faust geschlagen, begründete die UIPM den Beschluss. Diese Schläge waren live im TV zu sehen.

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Die Entscheidung im modernen Fünfkampf wurde dann auch zum Drama. Die 31-jährige Berlinerin Schleu geht als Führende beim Springreiten auf den Parcours, es ist die vorletzte Disziplin, zuvor beim Fechten hat sie einen olympischen Rekord aufgestellt. Mit einem ordentlichen Lauf hätte sie also die Goldmedaille fast auf sicher.

Anders als bei den Spezialdisziplinen Springreiten, Dressur oder Vielseitigkeit werden die Pferde den Reiterinnen und Reitern zugelost. Und ganz unerwartet kamen die Probleme bei Saint Boy nicht. Der 15-jährige Braune hatte bereits wenige Minuten zuvor bei der Russin Gulnas Gubaidullina nicht über die Hindernisse gewollt. Ein Tierarzt erklärte das Pferd dennoch für einsatzbereit.

Déjà-vu für die Deutschen

Schleu schaffte es anschliessend noch in den Parcours, die beiden übersprangen die ersten Hindernisse. Dann räumte das Duo aber erst einen Sprung ab, danach verweigerte Saint Boy. Bei 99 Strafpunkten wurde der Lauf abgebrochen. Schleu ist trotz ansprechendem Crosslauf zum Abschluss chancenlos im Kampf um die Medaillen. Bei 36 Startenden wird sie 31.

«Das Pferd hat sich hier absolut nicht wohlgefühlt», sagte die einstige Fünfkampf-Olympiasiegerin Lena Schöneborn gegenüber der DPA. Nationaltrainerin Raisner betonte: «Es ist nicht ihre Schuld. Das Pferd wollte immer nur zur Tür.»

Für die deutsche Equipe war der Vorfall ein Déjà-Vu: Schöneborn hatte 2016 in Rio fast dieselbe Situation erlebt. Auch sie hatte sich nach einem komplett missglückten Ritt null Punkte im Springreiten schreiben lassen müssen und verpasste dadurch eine weitere Medaille.

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wie/dpa