Die verrücktesten Olympia-GeschichtenUnd dann schafft es der Brasilianer nicht in den Bob
Die Spiele von Peking stehen für sportliche Tragödien und ungeahnte Höhenflüge. Diese Episoden waren besonders emotional.
Zweierbob: Und der Kollege wird hinterhergeschleift
Wann auch immer ein Teilnehmer, der nicht so richtig ins Bild passen will, in einer Eisbahn seinen Bob anschiebt, rufen alle: «Cool Runnings!» So auch beim Brasilianer Edson Luques Bindilatti. Immerhin hat es bei ihm etwas Wahres, der frühere Zehnkämpfer soll einst tatsächlich von diesem Film, der den Weg einer jamaikanischen Mannschaft an die Spiele 1988 nachzeichnet, inspiriert worden sein und deshalb eine Bobkarriere gestartet haben.
Mittlerweile ist Bindilatti 42, die Spiele von Peking sind seine fünften. In Erinnerung bleibt ein tragikomischer Lapsus beim Start. Bremser Edson Martins rutscht beim ersten Schritt schon weg, Bindilatti schiebt weiter, blickt über die Schulter und sieht, wie der Kollege nur noch hilflos hinterherschlittert. Der Start ist hin, aber zum Glück nur im Training. Im Wettkampf werden Bindilatti und Martins dann Zweitletzte. Noch vor dem Duo aus Jamaika. Wenn man so will, hat Bindilatti also immerhin seine Inspiration bezwungen.
Mixed-Curling: 3 Millionen Italiener schauen Curling
«Ruhig. Wisch. Guuuut.» Verständlich und unmissverständlich hallen die Anweisungen von Stefania Costantini durchs National Aquatics Centre. Sie ist 22 und rockt zusammen mit dem vier Jahre älteren Amos Mosaner die Mixed-Curling-Konkurrenz. Eigentlich hat der Sport im Land von Alberto Tomba und Francesco Totti eine ähnliche Visibilität wie Bobfahren in Jamaika, Skifahren in Angola oder Eishockey in China. Nicht einmal 500 Curlingspielende gibt es in Italien.
Für einige Tage wird dank Costantini und Mosaner aber zwischen Como und Reggio Calabria über Take-outs und Zusatzends gefachsimpelt. Sogar der allmächtige Fussball muss von den Titelseiten weichen. Die Azzurri fegen durch die Round Robin wie ein Hochgeschwindigkeitszug von Pininfarina. Sie gewinnen alle neun Partien mit einem Totalskore von 79:48. In den Medaillenspielen werden schliesslich Schweden und Norwegen insgesamt mit 16:6 vom Eis gewischt. Es ertönt die «Inno di Mameli», drei Millionen Italiener kleben an den TV-Geräten. Surreal, aber wahr.
Biathlon: Der dramatische Zusammenbruch
Plötzlich geht es nicht mehr um Medaillen, geht es nur noch um die Gesundheit, darum, dass diese Ingrid Landmark Tandrevold möglichst schnell wieder auf die Beine kommt. Ein paar Hundert Meter sind es noch für die Biathletin bei der Verfolgung über 10 km. Dritte ist sie bei der letzten Zwischenzeit. Doch um die Ecke auf die Zielgerade biegt dann nicht Tandrevold, es ist ihre Teamkollegin und Freundin Tiril Eckhoff, die Bronze holt. Läuferin um Läuferin ist zu sehen. Nur nicht Tandrevold. Irgendwann ist die 25-Jährige zu erkennen, wie sie taumelt, apathisch auf den Schnee schaut, der Kopf wankt bei jedem Stockstoss hin und her, die Athletinnen hinter ihr müssen ausweichen, stehend k. o. ist die Norwegerin. Sie schleppt sich über die Ziellinie, ein paar Zentimeter, dann fällt sie in den Schnee.
Die Französin Julia Simon und Siegerin Marte Olsbu Röiseland eilen herbei, dann auch die Ärzte, es vergehen bange Minuten, Tandrevold wird aus dem Ziel getragen. Sie sei wach, melden die Ärzte, sie sei auch stets bei Bewusstsein gewesen. Später, als die Athletin wieder reden kann, sagt sie bald, zum Glück habe Eckhoff Bronze geerbt. Für Tandrevold, die schon zuvor an Herzproblemen litt und im Vorjahr in Oberhof in der Schlussrunde aufgeben musste, ist es der letzte Wettkampf dieser Spiele. Die Ärzte schicken sie heim. Tandrevold sagt: «Mein Herz ist gebrochen, und das nicht aus medizinischen Gründen.» Diese Woche geht es dann einer Schweizerin ähnlich, bricht Irene Cadurisch bei der Frauenstaffel wegen Kreislaufproblemen zusammen. Die Bündnerin erholt sich rasch.
Ski alpin: Tragische Figur statt Superstar
Wieder sitzt sie im Schnee, starrt vor sich hin, kann es nicht fassen. Sie, die in ihrem Leben lange nur eines kennt, das Siegen, hockt am Donnerstag schon zum dritten Mal an diesen Spielen neben der Piste, völlig konsterniert. Statt des umjubelten Stars ist sie die tragische Figur dieser Spiele bei den Alpinen: Mikaela Shiffrin. Im Slalom, Riesenslalom, in der Kombination, immer gehört die dreifache Gesamtweltcupsiegerin zu den Topfavoritinnen. Immer scheitert sie. Ganze zwei Mal ist die US-Amerikanerin in den letzten vier Jahren im Weltcup ausgeschieden – in 82 Rennen. Nun gleich drei Mal bei drei Möglichkeiten, Olympiamedaillen zu holen.
Es sind die Auszeichnungen, die allein zählen in ihrer Heimat; schwingt sie sich im Weltcup von Sieg zu Sieg, bekommen das zu Hause nur die grössten Fans mit. Nun hat die zweifache Olympiasiegerin und sechsfache Weltmeisterin in keinem der fünf Einzelbewerbe eine Medaille geholt, weil sie auch in Abfahrt und Super-G das Podest klar verpasste. Es macht die Überfliegerin von einst vor allem etwas: menschlich.
Snowboard: Das verbotene Luxusbrett
Im Onlineshop von Prada, einem Luxuslabel aus Mailand, gibt es ein Snowboard zu kaufen, für Anfänger und Fortgeschrittene wird es angepriesen und vor allem für Leute mit Geld: 3400 Franken kostet das gute Stück, lieferbar ist es momentan nicht, aber immerhin im Laden abholbereit.
Nun ist Prada deswegen aber noch lange kein Snowboardhersteller, das beschloss das Olympische Komitee. Der Athletin Julia Marino wurde verboten, mit ihrem Prada-Board am Big-Air-Event teilzunehmen. Werbung, fand das IOK, und die ist bei Olympischen Spielen nun einmal nicht erlaubt. Was eigentlich eine schöne Sache ist, müssen Athleten und Athletinnen doch für einmal nicht auf Biegen und Brechen versuchen, gleichzeitig Mütze, Flasche und Uhr in die Kamera zu strecken, wenn sie zum Interview kommen.
Der Fall Marino aber wird zum Kuriosum. Denn trotz des Verbots reist die US-Amerikanerin als Silbermedaillengewinnerin aus Peking ab. Im Slopestyle nämlich hatte noch niemand etwas zu beanstanden, war Prada genauso in Ordnung wie alle anderen Namen auf den Brettern. Für den Big-Air-Event wäre sie aber nur zugelassen worden, wenn sie den Prada-Schriftzug abgedeckt hätte. Was an der Unterseite eines Snowboards nicht gerade hilfreich ist.
Snowboardcross: Der Fluch ist vertrieben
Es war verhext, da mussten böse höhere Mächte im Spiel sein. Als Strafe vielleicht für ihre Überheblichkeit, die sie der Sportwelt an diesem 17. Februar 2006 in Turin demonstrierte. Im Final der Snowboardcrosserinnen lag Lindsey Jacobellis damals an und für sich uneinholbar in Führung, sodass die Konkurrentinnen längst nicht mehr im Fernsehbild zu sehen waren. Zwei Sprünge noch, aber statt die Hand in Richtung Goldmedaille auszustrecken, griff die Amerikanerin ans Brett. Der «Grab», diese Showeinlage, misslang – die Bernerin Tanja Frieden zog vorbei und holte sich den goldenen «Plämpu».
Jacobellis erntete Spott und Häme, jahrelang. Sie konnte 30 Rennen und sechs WM-Titel gewinnen, was in Turin geschehen war, blieb unvergessen. Und ja, eigentlich begann der Olympia-Albtraum 2006 ja erst. Vier Jahre später in Vancouver wurde sie im Halbfinal disqualifiziert, 2014 in Sotschi stürzte sie in der Vorschlussrunde – nach grossem Vorsprung. In Pyeongchang folgte der undankbare 4. Platz.
Nun also Peking: Mittlerweile 36, holte Jacobellis tatsächlich Gold. Nicht einmal, nein, sie gewann auch den Mixed-Wettkampf. In diesem tat sie es wieder: Sie griff beim letzten Sprung ans Brett. Es war ihre eigene Versöhnung mit der Geschichte.
Biathlon: Sie sind die Abräumer der Spiele
Sie trafen ins Schwarze. Und wie. Johannes Thingnes Bö (28) und Marte Olsbu Röiseland (31). Schon nach dem ersten Wettkampf der Biathleten steigen sie gemeinsam aufs oberste Treppchen des Podests, holen zusammen mit Tiril Eckhoff und Johannes’ Bruder Tarjei Bö Gold für Norwegen in der Mixed-Staffel. Es ist der Auftakt zu Festspielen für die beste Biathletin der Gegenwart und den Besten des letzten Winters – für die erfolgreichsten Athleten dieser Spiele. Auch im Sprint und in der Verfolgung gewinnt Röiseland, im Einzel läuft sie zu Bronze.
Noch erfolgreicher ist Bö. Der zwölffache Weltmeister, der seit zwei Jahren Vater eines Buben ist, der ihn ab und zu etwas zu sehr ablenkt von seinem Berufsleben, wie er einst sagte, geht hochkonzentriert ans Werk. Er gewinnt nach dem Mixed-Rennen auch den Sprint, mit der Staffel und im Massenstart, holt Bronze im Einzel und übertrifft mit dieser Ausbeute auch den Franzosen Quentin Fillon Maillet, den Überflieger dieser Weltcupsaison. Doch so richtig in den Schatten stellen lässt sich der 29-Jährige nicht: Dreimal Silber und zweimal Gold nimmt er mit nach Hause, das eine Gold gewinnt Maillet in der Verfolgung – weil der führende Bö für einmal nicht trifft. Und das gleich siebenmal.
Das Wetter: Und plötzlich schneit es doch
Am 13. Februar hiess es in der Stadt Peking: Tenüwechsel. Vorbei war es mit dem Dauerhoch der ersten zehn Tage samt vergleichsweise milden Temperaturen. Über Nacht hatte Frau Holle ihren Dienst aufgenommen, bis zum Abend deponierte sie rund 15 Zentimeter Neuschnee – im Skigebiet Yanqing, wo sich Marco Odermatt an diesem Tag zu Riesenslalom-Gold schwang, war es gar ein halber Meter. Und das in einer Region, in der es kaum je Niederschlag gibt. Jetzt waren es auch offiziell Olympische Winterspiele. Die Sonnenbrille kam zu ihrem freien Tag, die Daunenjacke wurde eilends ausgepackt. Wer sie vergessen hatte, verfluchte sich unweigerlich. Denn zum Schnee kam ein bissiger Wind hinzu.
Einige Nordisch-Wettbewerbe hätten mit etwas Goodwill auch Downtown durchgeführt werden können, das befürchtete Verkehrschaos blieb aus. Und es kam sogar zum Rollentausch: Die Chinesen schienen den okzidentalen Gästen nicht so recht zuzutrauen, mit der weissen Pracht umgehen zu können. Vor dem Mediencenter hielten plötzlich Volunteers Schilder hoch: «Slippery when wet».
Ski Freestyle: Er lag im Koma, jetzt gewinnt er Silber
Der erste Run war missglückt, da beschloss Colby Stevenson, alles auf eine Karte zu setzen. Der 24-Jährige wagte einen Sprung, an dem er sich noch nicht einmal im Training versucht hatte. Er stand den «Nose butter left triple 1620 Japan» und legte damit die Basis zum Gewinn der Silbermedaille. Der Slopestyle-Spezialist glänzte im Big Air mit seltener Kaltschnäuzigkeit und sagte: «Es ist ein Wunder, dass ich heute hier auf dem Podest stehe.» Selten hatte ein Athlet wohl mehr recht mit einer Aussage.
Bei ihm entschied ein Millimeter, ob er je wieder würde Sport treiben können. Am Muttertag 2016 wollte der Amerikaner den Lastwagen eines Freundes nach Hause fahren, als ihn auf der Interstate 86 in Idaho der Sekundenschlaf ereilte. Das Fahrzeug überschlug sich, Stevenson erlitt schwerste Verletzungen. Über 30 am Kopf, dazu Brüche an Kiefer, Rippen und Hals. Drei Tage lag er im künstlichen Koma, anschliessend gab es fünf Monate Rehabilitation und seither immer das Wissen, dass er trotz allem Riesenglück gehabt hatte: «Die Schwellung in meinem Hirn betrug acht Millimeter, ab neun Millimetern kann es bleibende Schäden geben.»
Skicross: Die geraubte Schweizer Medaille?
Medaillen erfreuen deren Gewinner. Das ist auch an den Spielen in Peking nicht anders. Bis auf diese eine bronzene, geholt von Daniela Maier im Skicross. Die Deutsche kann mit ihrer Auszeichnung zuerst gar nichts anfangen, weil sie diese am grünen Tisch gewinnt. Eigentlich ist sie im Final der letzten vier die Geschlagene, dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, kommt die Jury zum Schluss, dass die Schweizerin Fanny Smith sie mit einem Sidekick behindert haben soll. Bronze also für Maier, nichts für Smith, die Romande ausser sich. «Ein Witz», findet SRF-Expertin Sanna Lüdi, «völliger Unsinn» Trainer Ralph Pfäffli. Zu machen aber ist nichts. Und so wird der Schweiz am Ende der Spiele diese eine Medaille fehlen – irgendwie.
Shorttrack: Wird da für China beschissen?
Olympia in Peking ist noch jung – und die Aufregung gross. Im Lager der Südkoreaner wittern sie nach dem 1000-Meter-Rennen der Shorttracker Betrug, jedenfalls ist Yoon Hong-geun mächtig sauer und droht mit Anfechtung des Ergebnisses bei allen möglichen Gremien.
Hong-geun ist Chef de Mission Südkoreas bei diesen Spielen und gar nicht einverstanden mit den Entscheidungen der Schiedsrichter. Im Halbfinal ging es schon los, mit den umstrittenen Disqualifikationen von Weltrekordler Hwang Dae-heon und Lee June-seo, beides Südkoreaner. Die Profiteure? Li Wenlong und Wu Dajing: beides Chinesen. Zu dritt können sie nun ihr Land vertreten im Final, ein Südkoreaner ist nicht mehr dabei. Einer der Chinesen, Ren Ziwei, kämpft dann bis zum Schluss dieser 1000 m verbittert gegen den für Ungarn startenden Halb-Chinesen Shaolin Sandor Liu um den Sieg, es kommt zum Fotofinish. Und? Zur Disqualifikation des Ungarn wegen eines regelwidrigen Kontakts in einer früheren Szene.
Gold also für Ren Ziwei, Silber für Li Wenlong, seinen Landsmann. Schon beim Mixed-Wettkampf zwei Tage zuvor hat es Gold gegeben für das Heimteam – nachdem es als Dritter des Halbfinals schon ausgeschieden war und doch weiterkam, weil das Team USA disqualifiziert wurde. Irgendwie herrschte da ziemlich viel Ungleichgewicht im Reich der Mitte.
Eiskunstlauf: Das Fiasko um das gedopte Wunderkind
Am Ende werden wohl ganz viele Leute weggeschaut haben, die Schuld für dieses Fiasko beim anderen gesucht haben. Denn auf dem Eis, im Mittelpunkt an diesem Donnerstagabend, da steht ein Kind, ein 15-jähriges Mädchen, und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Kamila Walijewa gelingt keine gute Kür, sie zerbricht am Druck, fällt zweimal hin und verpasst die Medaillen, wird Vierte, sie, für die Gold bereitlag. Und die Trainerin staucht sie auch noch zusammen, statt sie zu trösten.
ARD-Expertin Katarina Witt, einst selbst zweifache Olympiasiegerin, sagt unter Tränen: «Man hat sie der Welt zum Frass vorgeworfen.» Walijewa wird zu einem der Gesichter dieser Spiele, aus Gründen, die für eine 15-Jährige nicht zumutbar sind. Im Dezember wurden bei ihr in einem Dopingtest Spuren des Herzmittels Trimetazidin gefunden, beim russischen System stellt sich da schnell die Frage, wie gross die Schuld der Athletin selbst sein kann. Walijewa durfte trotzdem starten, viele sind sich einig: Das hätte nicht passieren dürfen. Wegen des Dopingtests, natürlich, aber auch, weil man sich genau vor einem solch tragischen Ende fürchtete.
Mixed-Team-Skispringen: Kasperlitheater bei der Premiere
Der wichtigste Tag in der Geschichte des Frauen-Skispringens sei es gewesen, hiess es am Abend des 7. Februars, weil die Frauen auf grosser Bühne gemeinsam mit den Männern im Mixed-Bewerb antreten durften. Und ja, so schnell vergessen gehen wird er nicht. Aus zweifelhaftem Grund allerdings.
Deutschland, Österreich, Norwegen, Japan – bei den vier besten Nationen wird jeweils eine Athletin wegen eines nicht korrekten Anzugs disqualifiziert. Die Japanerin Sara Takanashi bricht fast zusammen ob ihres Weinkrampfs, auch die Deutsche Katharina Althaus ist untröstlich. Elf Jahre springe sie nun auf höchstem Niveau, kein einziges Mal sei etwas beanstandet worden. Und sowieso: Beim Einzelspringen zwei Tage zuvor hätten alle vier Frauen denselben Anzug getragen. «Damals war alles in Ordnung.»
Gold holt überlegen Slowenien, Silber und Bronze gehen an die Skisprung-Exoten aus Russland und Kanada. Letztere sind gar mit zwei Amateuren angereist. Österreichs Trainer spricht von einem Kasperlitheater, Norwegens Coach poltert: «Das Frauen-Skispringen wurde lächerlich gemacht. Gut gemacht, FIS!» Der Weltskiverband wird die Geschehnisse aufarbeiten. Und auch eine Antwort auf die Frage geben müssen, weshalb die zuständige Materialkontrolleurin im offiziellen Protokoll gar nicht erst aufgeführt worden war.
Das SRF: Gekünstelte und echte Emotionen
Fast pausenlos berichtet das SRF aus Peking, der Sender ist mit einem grossen Aufgebot vor Ort und bringt Athleten aus allen möglichen Sportarten vor die Kameras. Es gab Momente, in denen der Wunsch nach Emotionen über allem zu stehen schien, als Nadine Fähndrich nach ihrem fünften Platz im Sprint zum Beispiel gefragt wurde, ob sie jetzt, im Moment der Niederlage und ziemlich traurig, noch einige Worte an ihre Familie richten wolle. Die Langläuferin brach jetzt erst recht in Tränen aus.
Oder da war das Interview mit Snowboarderin Berenice Wicki, die überraschend ein Diplom holte und der dann gleich ein Handy in die Hand gedrückt wurde, auf dem via Videoanruf ihre Familie in der Schweiz zu sehen war. «Und im Idealfall heult die Athletin» titelte diese Zeitung.
Da waren und sind die Expertinnen und Experten, die das Geschehen live mitkommentieren, eine Wonne. Ob Félicien Du Bois im Eishockey, Sarah van Berkel im Eiskunstlauf, Adriano Iseppi im Langlauf, Marc Berthod und Tina Weirather im Ski alpin, Sanna Lüdi im Skicross, Elias Ambühl bei den Freestylern, Carmen Müller-Schäfer im Curling, Matthias Simmen im Biathlon, Renato Ulrich bei den Aerials oder Martin Feigenwinter im Eisschnelllauf – auch bei ihnen gab es viele Emotionen. Aber keine gekünstelten.
Ski Freestyle: Gus Coups
Die erste Antwort an ihrer Siegermedienkonferenz nach dem Big-Air-Triumph dauert auf Mandarin knapp drei Minuten, die zweite auf English etwa zwei. Welch Unterschied bietet diese Darbietung von Eileen Gu im Vergleich zu früheren chinesischen Sportstars, die kein Wort in einer anderen Sprache beherrschten.
Eileen Gu ist 18, in San Francisco als Tochter einer chinesischen Einwanderin geboren, und lebt zwischen zwei Welten. Sie sagte einmal, sie fühle sich in den USA als Amerikanerin und in China als Chinesin. Seit 2019 startet sie für die Heimat ihrer Mutter. In den USA wird sie mittlerweile angefeindet, in China verehrt. Auf «Weibo», dem chinesischen Facebook, hat sie 2,6 Millionen Follower, und nach ihrem ersten Titel wurde so oft nach ihr gesucht, dass die Plattform kurzzeitig zusammenbrach.
Mit Silber im Slopestyle, Gold im Big Air und in der Halfpipe machte sich das Postergirl endgültig zum Star der Spiele. Sie ist die jüngste Olympiasiegerin im Freeski und erste Athletin in dieser Sportart – Männer inbegriffen –, die drei Medaillen an Olympischen Spielen gewann. Sie holte 25 Prozent der chinesischen Goldmedaillen und erreichte so ihr Ziel: «Ich will so viele junge Menschen wie möglich inspirieren.» In China ist die Hebelwirkung grösser als anderswo.
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