Umgang mit queeren Menschen«Homo-Heiler» sollen in Zürich verboten werden
Konversionstherapien, die die sexuelle Orientierung eines Menschen verändern wollen, sollen nicht mehr erlaubt sein. Das findet eine Mehrheit des Kantonsrats.
Die Geschichte, die Florian Heer, Winterthurer Kantonsrat der Grünen, am Montagmorgen erzählte, war grausam – und leider wahr. Erzählt hat sie ihm Frau D., eine Zürcherin, deren Vater homosexuell war und sich einer sogenannten Konversionstherapie unterzog. Denn in der religiösen Gemeinde, der die Familie angehörte, galt Homosexualität als «Sucht». Und diese Sucht wollte er überwinden.
Es kommt immer wieder vor, dass vorab junge Menschen sich freiwillig oder unter äusserem Druck solchen «Homo-Heilungen» unterziehen. Denn sie oder ihr Umfeld vertreten die Meinung, sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität seien veränderbar. Heilbar eben, was impliziert, dass es sich dabei um Krankheiten handelt.
Zum Teil mit bestürzendem Ergebnis: Als die Therapie beim Vater von Frau D. nicht wirkte, verstümmelte er in seiner Verzweiflung seine Genitalien. Doch liebte er weiterhin Männer.
Solche Konversionstherapien sollen verboten werden, verlangte Heer in einer Motion. Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli erklärte dezidiert, dass der Regierungsrat die Ansicht ablehne, es handle sich bei Homo-, Bi- oder Transsexualität um Krankheiten.
Die Regierung stelle sich daher gegen solche Therapien. «Sie können schweres Leid verursachen und die psychische Gesundheit der betroffenen Personen erheblich gefährden.» Trotzdem wollte der Regierungsrat die Motion nicht freiwillig entgegennehmen.
In Deutschland verboten
Die Argumentation: Das Verbot für die Therapie einer «Nichtkrankheit» könne nicht im Gesundheitsgesetz verankert werden. Auch sei eine solche Regelung auf kantonaler Ebene nicht zielführend. Sie greife überdies zu kurz, da Personen oder Institutionen, die solche Therapien anböten, leicht in einen anderen Kanton ausweichen könnten.
Tatsächlich kamen deutsche «Homo-Heiler» in die Schweiz, um hier ihre Therapien anzubieten, als diese 2018 in Deutschland verboten wurden.
Mitte-Politikerin zweimal sprachlos
Als die Mitte-Politikerin Yvonne Bürgin (Rüti) die regierungsrätliche Antwort las, war sie nach eigener Aussage das zweite Mal sprachlos. «Das erste Mal war es, als ich erfuhr, dass es solch mittelalterliche Methoden noch gibt.» Die Regierung verstecke sich hinter Paragrafen, führte die neu gewählte Nationalrätin aus.
Beim Verbot der «Homo-Heilungen» schlug sich die Mitte also auf die Seite von Links-Grün (SP, Grüne, AL, GLP). Dafür tat sich die EVP, die sich ansonsten häufig in dieser Allianz befindet, schwer mit dem Anliegen.
Das Dilemma der EVP
Markus Schaaf (Zell) sprach vom «Dilemma der EVP». Eigentlich leuchte ihr die Argumentation der Regierung ein, daher müsste sie Nein stimmen. Doch würde sich die Partei damit dem «unsinnigen Vorwurf» aussetzen Konversionstherapien gutzuheissen. Deshalb entschied sie sich für Stimmfreigabe.
Die FDP hingegen liess sich auf die Argumentation des Regierungsrats ein. «Diese Therapien lassen sich national verbieten, nicht kantonal», sagte Angie Romero (Zürich).
Brigitte Röösli (SP, Illnau-Effretikon) konnte mit juristischen Spitzfindigkeiten wenig anfangen. Sie erzählte von ihrer Jugend in einem kleinen Dorf. Sie habe damals die Erkenntnis gar nicht zugelassen, dass sie lesbisch sei.
«Ich wäre in dieser Umgebung wahrscheinlich selbst in eine solche Umpolungstherapie gegangen – oder ich hätte mich umgebracht.» Erst mit 28 sei sie so stabil gewesen, dass sie zu sich habe stehen können.
Das Coming-out des EDU-Politikers
Die SVP/EDU-Fraktion plädierte für ein Nein, wie Hans Egli, EDU-Kantonsrat aus Steinmaur, erklärte. Wenn ein Mensch aus freien Stücken eine solche Therapie in Anspruch nehme, dürfe man ihm das nicht untersagen. Und er attestierte jenen, die das verbieten wollen, «sektenähnliche Züge».
Sein Parteikollege Erich Vontobel aus Bubikon ortete bei der Gegenseite eine «Freikirchen-Phobie». Er habe seinerseits eine Coming-out-Erfahrung. «Ich machte als 15-Jähriger ein Coming-out als bekennender Christ. Das war auch nicht lustig.»
Rickli hofft auf den Bund
Die Motion wurde schliesslich mit 90 zu 74 Stimmen bei 5 Enthaltungen überwiesen. Damit muss die Regierung innert zwei Jahren aufzeigen, wie das Verbot von Konversionstherapien im Kanton Zürich gesetzlich geregelt werden könnte.
Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass dies bis dahin auf eidgenössischer Ebene aufgegleist ist. Möglich wäre es: Mitte Dezember 2022 überwies der Nationalrat eine entsprechende Motion mit 143 zu 37 Stimmen und bei 11 Enthaltungen. Der Bundesrat lehnt sie jedoch ab. Nun liegt sie beim Ständerat.
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