Ukraine-Gipfel in Paris«Unser Ziel ist klar», sagt Macron, «wir wollen den Frieden gewinnen»
Die Koalition der Willigen verspricht der Ukraine totale Unterstützung. Zu einer Entsendung von Bodentruppen nach einem Friedensabkommen bleiben die Differenzen gross.

Europa müsse jetzt beweisen, dass es sich verteidigen könne. Unter dem Eindruck dieses Imperativs, ausgedrückt von Wolodymyr Selenskyj, dem ukrainischen Präsidenten, haben sich am Donnerstag in Paris 31 Staats- und Regierungschefs sowie die Spitzen der Europäischen Union und der Nato zum «Gipfel für Frieden und Sicherheit» in der Ukraine getroffen. Wladimir Putin, der russische Präsident, wolle nämlich «keine Art von Frieden», sagte Selenskyj.
Die Koalition der Willigen, wie sich das offene und zusehends wachsende Bündnis nennt, nahm sich vor, ihre operationellen Pläne zu finalisieren. Ziel ist es, den Ukrainern mit konkreten Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Krieg ihre Solidarität zu erneuern, den Russen gleichzeitig mit Entschlossenheit zu begegnen und den Amerikanern zu zeigen, dass man sich von ihnen militärisch emanzipiert. Ein ganzes Programm.
Die franko-britische Idee einer «Kraft der Rückversicherung»
«Wir sind an einem Wendepunkt», sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Gastgeber und Mitbegründer der Initiative zusammen mit dem britischen Premier Keir Starmer, nach mehr als dreistündiger Unterredung. «Unser Ziel ist klar: Wir wollen den Frieden gewinnen.» Viele Länder hätten am Gipfel zusätzliche Hilfe versprochen, Frankreich allein in der Höhe von zwei Milliarden Euro an Munition, Abwehrraketen und Panzern.
In den nächsten drei Wochen sollen die Aussenminister der Koalition über Optionen reden, wie sich ein partieller oder vollumfänglicher Waffenstillstand sichern lasse, und sich bei den internationalen Organisationen umhören. Parallel dazu werden die Generalstabschefs der verschiedenen Armeen über die Gestalt und das Mandat einer «Kraft der Rückversicherung» reden, einer franko-britischen Idee, wie Macron sie nannte, mit der nach einem Friedensabkommen die Sicherheit in der Ukraine gewährleistet werden müsse. Die Ukrainer hätten eine klare Vorstellung davon, was sie von einer solchen internationalen Hilfstruppe erwarten – wie viele Soldaten sie brauchen, was die machen sollen, wo sie stationiert wären.

Wer macht mit? Von den mehr als zwei Dutzend Mitgliedern der Koalition erklärten sich bisher nur einige wenige bereit, auch Bodentruppen zu entsenden. «Es gibt keine Einigkeit zu diesem Punkt in der Koalition», räumte Macron ein. «Einige Länder Europas werden mitmachen.» Einig sei man sich aber, dass die ukrainische Armee verstärkt werde und dass Europa seine Wehrhaftigkeit ausbaue.
Draht zwischen EU und Weissem Haus soll nicht abreissen
Am Abend vor dem Gipfel hatte er mit Donald Trump telefoniert, wie er das schon vor und nach früheren Treffen in diesem Format tat. Aus dem Élysée erfährt man, der Präsident sei um Transparenz bemüht, der Draht zum alten transatlantischen Partner dürfe nicht abreissen. Und das, obschon Trump und seine Administration, wie es nun auch die Erkenntnisse aus dem «Signalgate» zeigen, mit Verachtung auf die Europäer schauen; sie nennen sie «Trittbrettfahrer». Macron sagte, er reagiere nicht auf Aussagen, die am Fernsehen gemacht würden. «Die USA sind vertrauenswürdige Alliierte.»
Die Willigen bauen noch immer darauf, dass die USA nach einem Friedensabkommen ihren Schutz beitragen würden – in einer allfälligen 3. Verteidigungslinie. Die 1. Linie bestünde aus ukrainischen Truppen. Die 2., etwas nachgelagert, würde von den Willigen gestellt, zwischen 10’000 und 30’000 Soldaten insgesamt, die nur unterstützende und logistische Funktionen hätten, keine kämpferischen. Dahinter würden die USA ein Sicherheitsnetz spannen, einen sogenannten Backstop.
Die Russen, so die Überlegung, würden die Ukraine auch deshalb nicht mehr angreifen, weil in dritter Instanz eine Konfrontation mit den Amerikanern drohte. Nur ist bis heute unklar, ob die USA diesen «Backstop» auch tatsächlich anbieten würden. Trump jedenfalls hat diese Garantie bisher nicht abgeben wollen. Und davon hängt ab, ob einige Mitglieder sich mit Bodentruppen in der Ukraine engagieren wollen.
Sanktionen gegen Russland bleiben – «bis zum Frieden»
Die Gipfel der Willigen, die seit eineinhalb Monaten auf politischer und militärischer Ebene in hoher Kadenz aufeinanderfolgen, sind auch zum Gesprächsforum geworden, das über den eigentlichen Zweck hinausgeht – zur dynamischen Bühne für schnelle europäische Verlautbarungen, etwa als Reaktion auf die Verhandlungen in Riad.
So sagte zum Beispiel Macron, man sei nicht bereit, es sei nicht der richtige Moment, die Sanktionen der EU gegen russische Firmen aufzuheben, wie der Kreml das nun fordert im Gegenzug zu einem Waffenstillstand im Schwarzen Meer. «Dieser Moment kommt erst, wenn Frieden ist.» Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, es wäre «ein schwerer Fehler», wenn man die Sanktionen zurücknähme. Auch Starmer drückte sich sehr deutlich aus. Die Botschaft der Leader richtete sich mindestens so sehr an Wladimir Putin wie an Donald Trump: Die Europäer sind besorgt, Trump könnte selbst für einen partiellen Waffenstillstand vor Putin einknicken – oder wie man es jetzt in Paris auch wieder oft hörte: kapitulieren.
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