Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Überträgerin von Krankheiten
Die Tigermücke erobert die Welt

C7E2J5 female Asian Tiger Mosquito (Aedes albopictus)  feeding on a human host. Image shot 09/2011. Exact date unknown.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Sie ist im Schnitt nur einen halben Zentimeter gross und doch ein Tier der Superlative. Als «die invasivste Mückenart und eine der topinvasiven Organismen weltweit», als noch dazu «eine der gefährlichsten invasiven Arten» wird die Asiatische Tigermücke in der Fachliteratur beschrieben. Auch in der Schweiz ist Aedes albopictus mittlerweile keine Ausnahme mehr. Steckbrief eines ungewöhnlichen Tieres.

Profiteurin der Autoindustrie

Lange fristete das strichdünne Tier ein unspektakuläres Dasein. Es lebte in den Wäldern Südostasiens, legte seine Eier überwiegend in enge, schattige Baumlöcher, von denen es sich nicht mehr als 200 Meter weit entfernte. Bis die Mücke Autoreifen entdeckte. In den schwarzen Gummikörpern ist es angenehm schattig, oft sammelt sich Wasser darin, nicht selten zersetzen sich dort Pflanzenreste. Das sind Bedingungen, die die Mücke von ihren Baumlöchern her schätzt, nämlich «exzellente Substrate für die Brut», wie es Wissenschaftler des globalen Experten-Netzwerks Invasive Species Specialist Group beschreiben.

Die Mücken begannen also, ihre Eier in den Reifen abzulegen. Und da der Handel mit Gebrauchtreifen ein globales Geschäft ist, wurden mit dem Autozubehör auch die Mückeneier rund um den Erdball verschifft. Über kürzere Strecken reisen erwachsene Tiere auch selbst – und zwar vornehmlich in Kraftfahrzeugen. Dadurch wird sie regelmässig auf Rastplätzen gefunden, in der Schweiz vor allem entlang der Gotthard-Autobahn von Chiasso nach Basel.

Globetrotterin

In den vergangenen achtzig Jahren ist die Mücke in mehr als achtzig neuen Ländern aufgetaucht. Sie hat mittlerweile jeden Kontinent besiedelt, mit Ausnahme der Antarktis. In der Schweiz wurde die Tigermücke erstmals 2003 im Tessin gefunden. Inzwischen ist das Insekt dort grossflächig etabliert. Auch nördlich der Alpen wurden kleinere Tigermückenpopulationen wiederholt in den Städten Basel und Zürich nachgewiesen.

Grosse Flexibilität

Während die Tigermücken in den Tropen das ganze Jahr über Eier legen, ändern sie in den kühleren Regionen ihre Fortpflanzungsstrategie. Wenn die Weibchen die beginnende Kälte und die kürzer werdenden Tage des Herbstes registrieren, produzieren sie speziell angepasste Winter-Eier. Sie sind grösser, fettreicher und haben eine robustere Umhüllung als die üblichen Eier. Darin können die Embryonen Monate der Trockenheit und Temperaturen bis minus zehn Grad überstehen – und so auch in kälteren Gegenden überwintern. «Diese Eigenschaft, die den meisten anderen tropischen Mücken fehlt, dürfte einer der Schlüssel zum Erfolg von Aedes albopictus sein», schreibt die Invasive Species Specialist Group.

Zugleich wurde beobachtet, dass sich offenbar auch ausgewachsene Mücken an kühleres Klima anpassen können. In Rom wurden auch im Winter schon Tigermücken gefunden. Im spanischen Murcia konnten Wissenschaftler zeigen, dass die Tiere die ganze kalte Jahreszeit über ihren Fortpflanzungszyklus fortsetzten.

Menschenfreundin

Tigermücken-Weibchen können das Blut, das sie zur Eierproduktion brauchen, aus sehr vielen Tieren saugen. Sie stechen Wölfe ebenso wie Ratten, Haushühner oder Schildkröten. Wenn sie aber die Wahl haben, bevorzugen sie menschliches Blut, haben Experimente gezeigt.

Mittlerweile lebt Aedes albopictus überwiegend in menschlichen Siedlungen. Selbst in Grossstädten gedeiht die Mücke – wahrscheinlich begünstigt durch die breite Verfügbarkeit von Blutmahlzeiten und Wasser. Blut sucht das tagaktive Insekt überwiegend im Freien, wenn nötig dringt es aber auch in Häuser ein. Wasser findet es in Regentonnen, Brunnen, Friedhofsvasen, Vogelbädern und allem möglichen Unrat, der auch nur eine kleine Pfütze halten kann.

Gesundheitsgefahr

Die Tigermücke kann mit ihren Stichen mindestens 22 verschiedene Krankheitserreger auf den Menschen übertragen. In Europa verursachte sie bereits mehrfach Fälle von Dengue- und Chikungunya-Fieber. Am grössten waren zwei Chikungunya-Ausbrüche in Italien, bei denen 200 und 400 Infizierte gezählt wurden.

Das Chikungunya-Virus löst Fieber und schwere Gelenkschmerzen aus und könnte sich in der Schweiz etablieren.

Das Virus mit dem komplizierten Namen, das Fieber und schwere Gelenkschmerzen auslösen kann, könnte sich auch in der Schweiz etablieren. Zwar sind noch keine heimischen Übertragungen beobachtet worden. Doch Studien zeigten, dass das Insekt in der Lage ist, die Erreger auch bei hiesigen Sommertemperaturen weiterzugeben, warnten Forscher des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor kurzem.

Dagegen seien die Sommer für Dengue-Epidemien aktuell nicht warm genug. Aedes albopictus kann auch das West-Nil-Virus übertragen, einen Auslöser von überwiegend grippeähnlichen Erkrankungen. Allerdings ist der Erreger gar nicht auf das tropische Insekt angewiesen, auch heimische Mücken übertragen ihn mittlerweile.

Selbst wenn die Tigermücken keine Krankheitserreger weitergeben, können sie das Wohlbefinden des Menschen deutlich einschränken. Dazu reicht allein ihr «hyperaggressives» Stechen, stellten Forscher im «Journal of the American Mosquito Control Association» fest. Die Mücke steche bis zu 48-mal pro Stunde. Gezeigt wurde, dass schon drei Stiche in Folge reichten, um Kinder in Innenräume zu treiben.

Schwerer zu erkennen als gedacht

Wer eine Tigermücke sichtet, kann diese beim Schweizerischen Mückennetzwerk am besten mit Foto melden, damit Forscher einen Überblick über die Verbreitung der verschiedenen Arten bekommen. Allerdings ist es für Laien schwierig, die invasiven Mücken zu identifizieren. Die Tiere sind im Schnitt nur ungefähr fünf Millimeter gross und ihre charakteristische schwarz-weisse Färbung mit blossem Auge kaum zu erkennen. Zudem ist die Färbung kein exklusives Merkmal von Aedes albopictus. Verschiedene Stechmücken-Arten haben ebenfalls gestreifte Beine oder eine charakteristische Schwarz-Weiss-Färbung.

Um Aedes albopictus und auch anderen Stechmücken das Leben schwer zu machen, kann man Wasserbehälter, in denen die Mücken ihre Eier ablegen können, ausleeren oder abdecken. Abgestandenes Wasser sollte nicht in den Gully, sondern in den Garten gegossen werden. So können Eier und Larven nicht über das Abwasser weiter verteilt werden. Zum Schutz vor Stichen helfen körperbedeckende Kleidung und Mückenspray.

Es könnten mehr werden

Tauchen nur sehr wenige Tigermücken an einem Ort auf, gibt es eine Chance, sie zu eliminieren. Ob dies von Dauer ist, ist jedoch fraglich. Experten befürchten, dass die Tigermücke sich auch in unseren Breitengraden immer mehr festsetzt, denn der Klimawandel begünstigt ihre Ausbreitung. Für Deutschland rechnet das RKI gemäss den jüngsten Modellen damit, dass die meisten Gebiete bis zum Jahr 2040 für die Besiedlung durch Aedes albopictus geeignet sein werden.