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Grosse Studie
Übergewicht macht gar nicht unglücklich

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In Kürze:
  • Weihnachtsfeiern führen oft zu übermässigem Essen und Gewichtszunahme.
  • Eine Studie fand keinen negativen Einfluss von Übergewicht auf Lebenszufriedenheit.
  • Übergewicht erhöhe das Risiko für Krankheiten, beeinflusse aber Zufriedenheit nicht direkt.
  • Manchmal führe mehr Körpergewicht zu leicht erhöhter Lebenszufriedenheit.

Die Wochen der Völlerei brechen an: Die Weihnachtszeit hat begonnen. Im Kalender drängen sich die Feiern mit den Kollegen, mit Freunden, im Sportverein, mit dem Nachwuchs in der Schule und im Kindergarten. Die durchschnittliche Pro-Kopf-Menge der aufgenommenen Kalorien dürfte ihren Jahreshöhepunkt erreichen. Und dann bricht das neue Jahr an, und mit ihm kommt das schlechte Gewissen. Anfang Januar beschwören viele Enthaltsamkeit, nehmen sich vor, Sport zu treiben, gesund zu essen und vor allem: abzunehmen. Allein aus diesem Muster lässt sich die These ableiten, dass es auf die Lebenszufriedenheit schlagen muss, zuzunehmen. Doch das ist offenbar gar nicht der Fall.

Wie der Soziologe Felix Bittmann vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg (D) gerade im «International Journal of Applied Positive Psychology» berichtet, hat er bei einer Studie keinen Beleg dafür gefunden, dass Übergewicht tatsächlich die Lebenszufriedenheit drückt. «Der Anlass für die Studie war eigentlich die Annahme, dass da ein negativer Effekt zu finden sein müsste», sagt Bittmann. Das legt schliesslich nicht nur das jährliche Vorsatz-Spektakel zu Neujahr nahe, sondern auch der seit Jahrzehnten ungebrochene Wirbel um Diäten, die Diskussion über unerreichbare Schönheitsideale und der sogenannte Schlankheitswahn.

Auch Korrelationsstudien deuten darauf hin, dass ein fülliger Leib mit gedämpfter Zufriedenheit einhergeht. Die Frage aber sei, so Bittmann, ob das ursächlich am Übergewicht liege. Schliesslich sei gut belegt, dass mit dem Body-Mass-Index (BMI) auch das Risiko für diverse Erkrankungen steige. Dass Übergewicht, vor allem Adipositas, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere Leiden einhergehe, steht ausser Frage. «Gesundheit ist ein starker Prädiktor für Lebenszufriedenheit», sagt der Soziologe. Fitte Menschen gehen eher glücklich durch ihr Leben als kranke. Vermutlich stecke dieser Effekt hinter dem in Korrelationsstudien beobachteten Zusammenhang von Lebenszufriedenheit und Übergewicht. Hier wirken also die assoziierten Folgen von Übergewicht, nicht das Übergewicht selbst.

Manchen Modellen zufolge stieg das individuelle Glück sogar mit dem Körpergewicht

Für seine aktuelle Publikation wertete Bittmann Daten des Nationalen Bildungspanels (Neps) aus, einer Längsschnittstudie des LIfBi. Dafür wurden fast 9000 Probanden seit 2010/11 in regelmässigen Abständen befragt. Die Teilnehmer geben dabei auch Auskunft über ihr Gewicht und ihre Grösse, woraus sich der BMI ermitteln lässt. Zudem sammeln die Forscher Daten zum Gesundheitszustand, zur Lebenszufriedenheit sowie zu anderen Parametern. So sei es möglich, sich einem kausalen Einfluss von Übergewicht auf die Lebenszufriedenheit anzunähern, so Bittmann. Anders sei das nur schwer möglich. Experimente, in denen die einen Probanden quasi gemästet werden und die anderen sich normal ernähren, verbieten sich aus ethischen Gründen. Zudem stehen weitere methodische Hürden im Weg.

Die Neps-Studie wirft nun ein Licht auf Gewichtszunahme: Weil die Probanden immer wieder befragt werden, lässt sich die Gewichtszunahme einzelner Personen als Einflussfaktor auf deren Lebenszufriedenheit isolieren. Mit diesen Daten fütterte Bittmann verschiedene statistische Modelle, in denen die Wirkung durch Gesundheitseffekte sowie andere Einflussgrössen bereits berücksichtigt und dadurch herausgerechnet werden konnten. Dabei stiess der Soziologe fast immer auf einen Nulleffekt. Das heisst, Gewichtszunahme und Übergewicht wirkten sich nicht auf die Lebenszufriedenheit aus. Das galt für Frauen und Männer gleichermassen. In manchen statistischen Modellen beobachtete der Wissenschaftler hingegen sogar positive Effekte: Das Glück stieg mit dem Körpergewicht. «Aber das waren winzige Effekte, die vermutlich irrelevant sind», sagt Bittmann.

Es bleibt die Beobachtung, dass Übergewicht als kausaler Treiber der Lebenszufriedenheit – im Guten wie im Schlechten – im Durchschnitt vermutlich keine grosse Rolle spielt. Ähnliche Befunde legen vergleichbare Studien aus anderen Ländern nahe, wenn deren Ergebnisse auch nicht ganz einheitlich sind und die Bewertung von Übergewicht stark kulturabhängig ist.

Das Ergebnis der aktuellen Studie bleibt eine kleine Überraschung, die sich nicht erklären, allenfalls spekulativ deuten lässt. Eine Möglichkeit, die Bittmann formuliert: Vielleicht mache gutes und reichliches Essen Menschen schlicht glücklich. Das klingt einleuchtend, ist aber nur eine Idee. Aber dass gutes Essen und Genuss ein Leben versüssen, liegt auch auf der Hand. Guten Appetit.