Tschechien rückt scharf nach rechts
Die populistische Protestbewegung ANO von Andrej Babis hat die Parlamentswahlen mit einem massiven Vorsprung gewonnen. Der Multimilliardär wolle den Staat «wie eine Firma» lenken.
Der umstrittene Milliardär Andrej Babis hat die Parlamentswahl in Tschechien mit einem massiven Vorsprung gewonnen. Der Populist kam mit seiner Protestbewegung ANO («Ja») auf 29,6 Prozent der Stimmen, ein Zuwachs von knapp 11 Prozent gegenüber 2013. Präsident Milos Zeman kündigte am Sonntag an, Babis mit der Regierungsbildung zu beauftragen. «Er ist kein Populist, sondern ein Pragmatiker», sagte der 73-Jährige der Zeitung «Blesk».
Analysten sprachen von einem «politischen Erdbeben» und einem «Hurrikan». Die Sozialdemokraten (CSSD), die bisher den Regierungschef gestellt hatten, erlebten ein Debakel. Sie stürzten trotz einer boomenden Wirtschaft von 20,5 Prozent auf 7,3 Prozent ab.
Video: Rechtsruck in Tschechien
Die Wahlbeteiligung war mit 60,8 Prozent etwa gleich hoch wie 2013. Das geht aus dem am Samstag veröffentlichten vorläufigen Ergebnis der Statistikbehörde CSU hervor. Aufgrund der Sitzverteilung braucht die ANO-Partei zwei Partner zum Regieren. Er habe alle Parteichefs per SMS zu informellen Gesprächen eingeladen, sagte Babis schon am Wahlabend vor jubelnden Anhängern in Prag. Als erste kamen die Kommunisten (7,8 Prozent) und der Bürgermeisterpartei STAN (5,2 Prozent) an die Reihe.
Staat «wie eine Firma lenken»
Im Wahlkampf hatte sich Babis als Euroskeptiker, scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Gegner einer tieferen EU-Integration profiliert. Den Staat will der Ex-Finanzminister «wie eine Firma lenken» und wird in den Medien deshalb auch «der tschechische Donald Trump» genannt.
Seinen Gegnern und den Medien warf der zweitreichste Tscheche am Wahlabend eine «Desinformationskampagne» vor. «Wir sind keine Gefahr für die Demokratie», sagte er im Sender CT.
Erstmals in der Geschichte der noch jungen Demokratie in Tschechien ermittelt die Polizei gegen einen Wahlsieger. Babis wird des EU-Subventionsbetrugs in Millionenhöhe verdächtigt. Viele Parteien lehnen daher eine Zusammenarbeit mit ihm ab.
Rechtsradikale und Piraten im Parlament
Zweitstärkste Kraft wurden die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) mit 11,3 Prozent (plus 3,6 Punkte). Ihr Vorsitzender Petr Fiala schloss ein Bündnis mit Babis aus. «Wir werden einen Kampf führen um Werte, einen Kampf um die aussenpolitische Ausrichtung Tschechiens, einen Kampf um alles, was bisher als selbstverständlich galt», sagte der frühere Hochschulrektor.
Stark zulegen konnte die rechtsradikale SPD - das Kürzel steht im Tschechischen für Freiheit und direkte Demokratie. Sie kam auf 10,6 Prozent. «Wir wollen jegliche Islamisierung Tschechiens stoppen», sagte Parteichef Tomio Okamura.
Für eine Überraschung sorgte die Piratenpartei: Sie schaffte mit 10,8 Prozent der Stimmen erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Der Parlaments-Newcomer war im Wahlkampf gegen die grassierende Korruption und für die Legalisierung von Drogen wie Haschisch und Marihuana eingetreten.
Parallelen zu Berlusconi
Wahlsieger Babis ist Gründer eines Firmenimperiums, das bedeutende Tageszeitungen und den meistgehörten Privatradiosender «Impuls» umfasst. Kritiker warnen daher vor einer nie dagewesenen Konzentration medialer, politischer und wirtschaftlicher Macht. Sie sehen Parallelen zum italienischen Ex-Premier Silvio Berlusconi.
Bilder: Parlamentswahlen in Tschechien
In Europa dürfte zudem die Angst vor einem wachsenden Graben zwischen dem westlichen und östlichen Teil der EU grösser werden. Babis bezeichnete den österreichischen Wahlsieger Sebastian Kurz bereits als einen weiteren «Verbündeten» der Visegrad-Gruppe im Kampf gegen die EU-Flüchtlingspolitik. Zu den Visegrad-Vier zählen neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.
«Typischer egozentrischer Oligarch»
Der Politologe Jiri Pehe sieht in Babis indes keinen Nationalisten vom Schlag eines Jaroslaw Kaczynski in Polen oder eines Viktor Orban in Ungarn. Babis habe keine festen Überzeugungen oder Ideen, sondern wolle seinen eigenen Reichtum mehren, sagte Pehe.
«Er ist ein typischer egozentrischer Oligarch mit einem leichten Sendungsbewusstsein - darin ähnelt er mehr Trump oder Berlusconi als den Herren aus der Visegrad-Gruppe.» Im Januar steht bereits die nächste grosse Wahl in Tschechien an: Dann entscheiden die rund 8,4 Millionen Wahlberechtigten über den künftigen Präsidenten. Umfragen sehen Amtsinhaber Zeman derzeit als Favoriten.
SDA/fal
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