Kommentar: USA gegen WHOTrumps Suche nach dem Sündenbock
Die Attacken des US-Präsidenten gegen die WHO sind ein durchsichtiges Manöver – und doch gibt es Fragen zur Arbeit der Weltgesundheitsorganisation.
US-Präsident Donald Trump hat vorerst die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation WHO gestoppt. Sie habe in ihren grundlegenden Pflichten versagt, habe sich unkritisch auf die Angaben der Regierung in China verlassen und sie weiterverbreitet. «So viele Tote sind durch ihre Fehler verursacht worden», sagte Trump – ein vernichtendes Urteil über eine Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Dach der Vereinten Nationen gegründet wurde mit dem Auftrag, «die Gesundheit aller Völker zu fördern und zu schützen».
Es ist ein weiteres, leicht zu durchschauendes Manöver Trumps, um von seinem eigenen Versagen abzulenken. Er wurde früh gewarnt, faselte lange von der Grippe und davon, das Virus werde von alleine verschwinden. Es passt in das ideologische Muster, internationale Organisationen zu diskreditieren, allen voran die UN. Jetzt verlangt Trump, dass sein Name auf die Hilfsschecks aufgedruckt wird, mit denen die Regierung den Amerikanern helfen will. Es naht die Präsidentenwahl, und seine Chancen sind das einzige, was Trump wirklich interessiert, auch im Umgang mit Covid-19.
Es braucht eine unabhängige Untersuchung
Ungeachtet von Trumps innenpolitischen Motiven gibt es aber ernst zu nehmende Fragen zur Arbeit der WHO in der Krise. Sie hat Warnungen aus Taiwan ignoriert, und WHO-Chef Tedros Ghebreyesus wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wie stark er dem massiven Druck aus Peking nachgegeben hat, warum seine Organisation teils wortgleich die Verlautbarungen der Kommunistischen Partei weiterverbreitet hat, auch als Experten in anderen Ländern schon vor einer Pandemie warnten.
Mit seiner Suche nach Sündenböcken erschwert Trump nur die Aufklärung. Der richtige und notwendige Weg, die Leistung der WHO zu bewerten und ein mögliches Versagen aufzuarbeiten, ist eine unabhängige und neutrale Untersuchung, geleitet von anerkannten Experten. Sie muss interne Entscheidungsabläufe und mögliche wissenschaftliche Fehleinschätzungen ebenso in den Blick nehmen wie politische Pressionen und die Strukturen der WHO, die noch 2003 in der Sars-Epidemie für effektives Krisenmanagement gelobt wurde. Das ist schon allein deswegen zwingend, weil die nächste Pandemie wohl eher eine Frage der Zeit ist.
Das Leben von Millionen ist in Gefahr
Trumps Entscheidung, der WHO zunächst die Beiträge der USA vorzuenthalten, könnte indes katastrophale Folgen haben. In Entwicklungsländern und Krisengebieten ist sie oft die wichtigste oder gar einzige Organisation, die helfen kann. Dort ist das Leben von Millionen Menschen in Gefahr, die von den nationalen Gesundheitssystemen und Regierungen kaum etwas zu erwarten haben.
Die Corona-Krise macht einmal mehr deutlich, dass es in der globalisierten Welt eigentlich mehr Zusammenarbeit bräuchte. Das Virus kennt keine Grenzen, auch wenn sich Trump das wünscht. Internationale Kooperation setzt allerdings auch voraus, dass Staaten sich transparent verhalten und im Sinne der Weltgemeinschaft handeln.
So sehr Trumps Attacken auf die WHO innenpolitisch motiviert sind, ist es der Umgang Chinas mit der Pandemie, sei es auf Ebene der Provinzen oder der Zentralregierung in Peking. Der Westen wird sich daher auch überlegen müssen, welche Konsequenzen er daraus für die Beziehungen zu China ableiten soll und muss.
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