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Meinung

Trumps Kaltschnäuzigkeit und die hilflosen Demokraten

Mit allen Wassern gewaschen: Donald Trump lässt seine Gegner auflaufen. Foto: Erik S. Lesser (Keystone)
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Jedem US-Amerikaner ausser Donald Trump würde unter den derzeitigen Umständen der Prozess gemacht werden. Er oder sie landete mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gefängnis. Nicht Trump: Weil Anklage und Prozess seine Regierungsfähigkeit beeinträchtigten, geht der Präsident zumindest bis nach dem Ende seiner Amtszeit – oder Amtszeiten – straflos aus, obschon ein dringender Verdacht auf Zeugenbeeinflussung und Justizbehinderung in der Russlandaffäre besteht.

Trump verdankt sein Glück einem Gutachten der rechtswissenschaftlichen Abteilung im US-Justizministerium aus dem Jahr 2000. Das fragwürdige Dokument ist ein Schlag gegen die demokratische Grundaussage, niemand stehe über dem Recht, weder Regierte noch Regierende. Nicht nur profitiert Trump also von der in westlichen Demokratien einzigartigen Stellung des amerikanischen Präsidenten, er versteht es zudem, das Narrativ seiner skandalträchtigen Präsidentschaft zu seinen Gunsten zu frisieren.

Denn nicht er ist schuldig in der Russlandaffäre, sondern die Opposition: «Schmutzige Cops» beim FBI, die korrupten Demokraten, der Deep State sowie die «Volksfeinde» in den Redaktionen liberaler US-Medien sind die wahren Schurken. Nicht Trump und seine Mitarbeiter müssen sich mithin für mutmasslich kriminelles Verhalten verantworten, sondern die Feinde des Präsidenten.

Am Freitag ging Trump so weit, «lange Haftstrafen» für jene zu fordern, die ihn zu Unrecht in der Russlandaffäre verfolgten. Sie hätten «Verrat» begangen, behauptete er.

Die Steuererklärung bleibt ein Geheimnis

Wenn der skrupellose Mann im Weissen Haus den tatsächlichen Sachverhalt auf den Kopf stellt, könnte dies sogar strafrechtliche Konsequenzen haben: Sein devoter Justizminister William Barr hat eine Untersuchung der Ursprünge der Russlandaffäre angeordnet, kürzlich wollte Barr nicht ausschliessen, dass Trump im Wahlkampf 2016 «ausspioniert» worden sei.

Der harte Kern von Trumps Basis ist ebenfalls überzeugt, die Regierung Obama habe ihr Idol unter Führung des verbrecherischen ehemaligen FBI-Direktors James Comey 2016 systematisch ausgespäht. Auch sei versucht worden, Trumps Wahlsieg durch einen «Coup» rückgängig zu machen.

Der Vorgang allein wäre atemberaubend, der Präsident geht jedoch noch weiter. Er tut genau das, was Richard Nixon im dritten Punkt der Anklageerhebung 1974 vorgeworfen wurde: Er mauert. Trump weigert sich, Aufforderungen der Kongressdemokraten nach Dokumenten nachzukommen, und verbietet seinen Mitarbeitern, Zwangsvorladungen zu befolgen.

Am Freitag lehnte sein Finanzminister Steven Mnuchin die Herausgabe von Trumps Steuererklärungen an den Finanzausschuss des Abgeordnetenhauses trotz klarer Rechtslage ab, andere Ausschüsse gehen gleichfalls leer aus. Die Ansinnen der Demokraten dienten «keinem legitimen gesetzgeberischen Zweck», sie seien lediglich «eine Schikane», begründete Trumps Rechtsbeistand Pat Cipollone die Weigerung.

Trump hat die Demokraten überrascht

Der Vorgang ist einmalig, verletzt er doch das Aufsichtsrecht des Parlaments und widerspricht überdies der bisherigen Rechtsprechung. Bereits 1958 hatte Präsident Eisenhowers Justizminister William Rogers eingestanden, die Verweigerung von Regierungsdokumenten könne «niemals als Mittel zur Vertuschung von Fehlern, der Vermeidung von Peinlichkeiten oder aus politischen, persönlichen und finanziellen Gründen erfolgen».

Donald Trump stört dies nicht im geringsten. Er wird den Weg durch die Gerichte wählen, um auf Zeit zu spielen. Bis mehrere Instanzen die Forderungen der Kongressdemokraten für rechtens erklärt haben, werden womöglich Jahre vergehen – womit Trump wohl aus dem Schneider wäre.

Die Kaltschnäuzigkeit des Präsidenten mitsamt seinem Versuch, das Narrativ der Russlandaffäre zu seinen Gunsten zu drehen, hat die Demokraten überrascht. Sie wissen nicht wohin beim verfassungsrechtlichen Ringen mit Trump und fürchten, eine Anklageerhebung gegen ihn im Repräsentantenhaus könne zum politischen Boomerang werden.

Zaudern und Zündeln

Die Opposition windet sich und zögert, angeführt von Sprecherin Nancy Pelosi, die seit Wochen mahnt, ein «Impeachment» gegen Trump dürfe es nicht geben. Das Problem müsse stattdessen an den Wahlurnen im November 2020 gelöst werden – wenngleich es keine Gewähr gibt, dass Donald Trump die kommende Präsidentschaftswahl verliert.

Obendrein wäre vorstellbar, dass sich der Präsident im Falle einer knappen Niederlage weigert, das Weisse Haus zu verlassen. Bekanntlich drohte Trump bereits 2016, eine Wahlniederlage nicht anzuerkennen, da sie in seinen Augen hundertprozentig auf Betrug basierte. Machte der Präsident seine Drohung 2020 wahr, stünde die amerikanische Demokratie mit dem Rücken zur Wand. Das Dilemma der Demokraten besteht darin, dass sie derzeit nicht wissen, wie Trump wirklich beizukommen wäre. Sie zaudern, derweil der Präsident zündelt.