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Entscheidung vor Gericht
Trump will die Hängepartie mit der juristischen Brechstange abkürzen

Cincinnati, Ohio: Die Menschen stehen Schlange, um ihre Stimme für die Präsidentschaftswahlen abzugeben.
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Es wirkte, wie so oft bei Donald Trump, improvisiert, bruchstückhaft, wie hingeworfen, was er in der Wahlnacht von sich gab. Doch seine Aussagen folgen einem Drehbuch, an dem seine Berater seit Monaten arbeiten. Mit einem ersten raunenden Tweet in der Nacht setzte Trump den Ton. Die Demokraten wollten die Wahl «stehlen», behauptete er. Dann kündigte er in seiner nächtlichen Rede im Weissen Haus an, vor den Supreme Court zu ziehen. Wegen eines «grossen Betrugs» am amerikanischen Volk. Es ist also passiert, was zu befürchten war: Die Wahl in den USA wird aller Wahrscheinlichkeit nach vor Gericht landen und vielleicht auch dort entschieden. Und eben dies ist das Kalkül des Präsidenten.

«Grosser Betrug»: So schwer dieser Vorwurf wiegt, so wolkig klang Trumps Begründung. «Wir wollen, dass alles Wählen aufhört, wir wollen nicht, dass sie morgens um 4 Uhr noch irgendwelche Wahlurnen finden und zur Liste hinzufügen», sagte er. Millionen Wähler, die für ihn gestimmt hätten, würden gerade von einer «traurigen Gruppe von Menschen» um ihre Stimmen gebracht.

Mit allen Mitteln

Worauf der Präsident zielt, ist jedoch klar: Trump will die sich abzeichnende Hängepartie mit der juristischen Brechstange abkürzen und erreichen, dass in Bundesstaaten, auf die es nun ankommt – Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, Georgia –, aufgehört wird, Stimmen zu zählen. Was er im Detail meinte, liess er bewusst offen. Denn alle Stimmen, die nun noch eintreffen oder gezählt werden, schlagen vermutlich eher zu seinem Nachteil aus. Briefwahlstimmen, davon gehen Wahlforscher aus, dürften vor allem von Wählern der Demokraten kommen.

Es könnte also sein, dass Trump nach jetzigem Stand gewonnen hat, sich dieses Ergebnis aber noch dreht. Das will er mit allen Mitteln verhindern. Dass es dafür eine rechtliche Basis gibt, ist zweifelhaft. US-Medien betonten, Bundesstaaten könnten nicht gezwungen werden, den Wahl- oder Auszählprozess zu stoppen, wenn Briefwahlstimmen korrekt und rechtzeitig abgegeben worden seien. Bezeichnenderweise argumentiert Trump, was das Ergebnis in Arizona betrifft, genau andersherum. Dort hätten manche Medien Biden zu früh zum Sieger erklärt, beschwerte er sich.

Hunderte Anwälte stehen bereit, um den Wahlablauf in Bezirken oder Bundesstaaten anzufechten oder zu verteidigen.

Eher liberale Medien reagierten schockiert auf Trumps Aussage, die einhergeht mit der Behauptung, die gesamte Wahl gewonnen zu haben. Doch war allgemein mit einer juristischen Schlacht gerechnet worden, falls es nicht zu einem Erdrutschsieg für einen der Kandidaten kommen würde. Republikaner und Demokraten haben sich entsprechend gerüstet. Hunderte Anwälte stehen bereit, um den Wahlablauf in Bezirken oder Bundesstaaten anzufechten oder zu verteidigen. Schon vor dem Wahlgang waren Klagen eingegangen.

Um zu verstehen, warum dieser Konflikt entstehen kann, muss man die Grundkonstellation betrachten: Die USA machen es vielen Menschen – und tendenziell solchen, die eher die Demokraten wählen – vergleichsweise schwer, überhaupt ihre Stimme abzugeben. Gewählt wird nicht, wie anderswo meist, am Wochenende; man muss sich umständlich in Wählerlisten eintragen lassen (statt automatisch als Wähler zu gelten), viele verurteilte Kriminelle dürfen nicht wählen; Millionen Bürger verfügen nicht über den notwendigen Ausweis oder Führerschein. Und Stimmbezirke, in denen Minderheiten oder sozial Schwache stark vertreten sind, sind manchmal technisch schlecht ausgerüstet, was lange Wartezeiten zur Folge hat.

Wahlhelfer überprüfen die Stimmzettel in Salt Lake City.

Weil sie von niedrigen Hürden stärker profitieren, wollen die Demokraten es den Bürgern möglichst leicht machen, ihre Stimme abzugeben. Deshalb befördern sie auch die Briefwahl, der wegen der Pandemie diesmal ohnehin eine besondere Rolle zukommt. Da geht es etwa um die Frage, wo und wie die Stimmen abgegeben werden können, ab wann und bis wann sie gezählt werden und wie lange nach dem eigentlichen Wahltag die Stimmbriefe noch eintreffen dürfen. Die Demokraten plädieren für einfache und grosszügige Lösungen. Die Republikaner wollen das Gegenteil: Die Briefwahl erschweren, ihre Legitimität und Korrektheit bezweifeln, die jeweiligen Fristen möglichst kurz halten.

Seit einem Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 2013 dürfen die Bundesstaaten die Wahlabläufe wieder relativ eigenmächtig verändern, was nicht nur, aber vor allem in republikanisch regierten Staaten zu Entscheidungen geführt hat, die Kritiker als «voter suppression» bezeichnen – gezielte Unterdrückung von Stimmen zum Zweck der Wahlbeeinflussung. Andererseits wurden wegen der Pandemie viele praktische Erleichterungen verfügt, die nun ebenfalls angefochten werden.

Es dauert meistens lange

Ein viel beachtetes Urteil fällte der Supreme Court der USA zum Wahlablauf in Wisconsin, einem der Swing States. Dort dürfen keine Stimmen mehr zählen, die nach 20 Uhr am Wahltag abgegeben wurden. Andernfalls drohe Chaos, befand Richter Brett Kavanaugh in Trump-typischer Rhetorik, das Wahlergebnis könne «auf den Kopf gestellt werden». Das wiederum ist der Verlauf, den manche für Pennsylvania erwartet haben, den nun wohl wichtigsten Swing State. Dort durfte, anders als etwa in Texas, erst am Wahltag mit der Auswertung der Stimmbriefe begonnen werden. Die Zählung könnte bis Freitag oder länger dauern. Dass Ergebnisse nicht schnell feststehen, ist allerdings nichts Neues bei US-Wahlen. 2008 dauerte es zwei Wochen, bis John McCain zum Sieger in Missouri erklärt wurde. Ebenso lange brauchte Michigan 2016, als Trump dort gewann. Wegen Corona zieht sich manches zusätzlich in die Länge.