Trump-VerbündeterWie Jim Jordan die Wahl zum Speaker gewinnen will
Jim Jordan will neuer Speaker im US-Repräsentantenhaus werden. In einer Probeabstimmung stimmten aber 55 Abgeordnete der eigenen Leute gegen ihn. Nun hoffen die radikalen Rechten auf kompromissbereite Moderate.

Nachdem der Abgeordnete Jim Jordan am Freitag von einer knappen Mehrheit der republikanischen Fraktion als Sprecher des US-Repräsentantenhauses nominiert worden war, tat er etwas Überraschendes: Er schickte seine Kolleginnen und Kollegen umgehend nach Hause in ihre Wahlkreise. Das übliche Vorgehen wäre gewesen, darauf zu beharren, dass die Parlamentarier in Washington bleiben, auf dass Jordan und seine Gefolgsleute sie während des Wochenendes bearbeiten können, bevor voraussichtlich am Dienstag im Kongress darüber abgestimmt wird, wer neuer Speaker wird.
Jordan hat bei der internen und geheimen Wahl der Republikaner 124 Stimmen erhalten. Die Partei verfügt über 221 Sitze im Repräsentantenhaus, die Demokraten halten 212 Mandate. Jordan braucht die Mehrheit aller Stimmen im Haus, er muss also noch mehr als 90 Parteifreunde überzeugen, die bisher wenig davon halten, dass der harte Rechtsaussen an die Spitze der Fraktion rückt und damit nach Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris zur Nummer drei im Staat aufsteigt.
Das Kalkül der radikalen Rechten
Warum er nicht darauf bestand, dass die Abgeordneten in Washington bleiben, damit er sie von seiner Kandidatur überzeugen kann? Er setzt offenbar auf den Druck der Basis. Gegen seine Ernennung sind vor allem moderate Republikaner im Kongress, die sich dem Rechtsruck der Partei entgegenstemmen.

Jordan wird vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump unterstützt, und dessen Wort ist weiten Teilen der republikanischen Basis noch immer heilig. Das Kalkül von Jordans Lager scheint zu sein, dass die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen den Wunsch ebenjener Basis zu hören bekommen, dass sie allein Jordan, dem Auserwählten Trumps, ihre Stimme geben sollen.
Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse im Haus reichen bereits fünf Überläufer aus dem republikanischen Lager, um die Wahl des Sprechers zu blockieren.
Es ist ein in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlicher Vorgang. Nachdem acht radikale republikanische Politiker und Politikerinnen den vorherigen Sprecher Kevin McCarthy abgesägt hatten, verständigte sich die Fraktion mehrheitlich darauf, dass Steve Scalise dessen Nachfolger werden solle, die vorherige Nummer zwei im Repräsentantenhaus. Das ist das übliche Vorgehen.
Dem ultrarechten Flügel war der sehr konservative Scalise allerdings nicht rechts genug, also kündigten einige Republikaner unmittelbar nach der Nominierung von Scalise an, sie würden ihm die Zustimmung verweigern, obwohl er die Mehrheit der Fraktion hinter sich wusste.
Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse im Haus reichen bereits fünf Überläufer aus dem republikanischen Lager, um die Wahl des Sprechers zu blockieren. Scalise sah, dass er gegen die Radikalen keine Chance haben würde. Er sah, dass diese Gruppe unter keinen Umständen zu überzeugen wäre, dass sie den politischen Betrieb längerfristig lahmlegen würde.
All das in einer Zeit, in der das Repräsentantenhaus dringend über Hilfen für Israel und die Ukraine abstimmen müsste. Zudem droht in wenigen Wochen ein sogenannter Shutdown, die Zahlungsunfähigkeit des Staats, wenn die Kammer nicht rasch entsprechende Entscheidungen zur Verabschiedung eines Haushalts trifft. Doch ohne einen Sprecher ist das Repräsentantenhaus nicht handlungsfähig.
Die Moderaten gelten als weniger skrupellos
Scalise zog seine Kandidatur daher zurück. Die radikal Rechten wollen nun, dass die Moderaten am Ende entgegen ihrer Überzeugung für Jordan stimmen werden, und zwar ganz einfach, weil die Moderaten als weniger skrupellos gelten. Dass sie also am Ende klein beigeben, weil sie, anders als der radikale Flügel, davor zurückscheuen, ein institutionelles Chaos zu verursachen.
Nach der Wahl, in der Jordan nominiert wurde, setzten die Republikaner intern sogleich eine zweite Abstimmung an. Die Frage lautete, wer aus der Fraktion auch bei der Wahl im ganzen Repräsentantenhaus definitiv für den Nominierten stimmen würde. 55 Republikaner beantworteten diese Frage mit Nein.
Das ist eine hohe Zahl in Anbetracht der Tatsache, dass Jordan sich den Verlust von lediglich vier Stimmen erlauben kann. Allerdings war auch diese Wahl geheim. Die Frage ist, wie viele dieser Jordan nicht wohlgesonnenen Abgeordneten sich schliesslich auch trauen, in einer namentlichen Abstimmung im Haus gegen ihn zu votieren. Die Zahl dürfte schon allein deshalb beträchtlich sinken, weil ein öffentliches Votum gegen Jordan auch eines gegen Trump wäre. Weite Teile der Partei leben noch immer in Angst vor dem Furor des ehemaligen Präsidenten.
Jordans Unterstützer haben im Verlauf des Wochenendes zudem versucht, auch über die sozialen Medien Druck aufzubauen. Sie haben die Telefonnummern von manchen moderaten Republikanern veröffentlicht und die Basis dazu aufgefordert, dort anzurufen und ihre Vorliebe für Jordan lautstark kundzutun. Die Abgeordnete Anna Paulina Luna aus Florida fragte auf der Plattform X, vormals Twitter, ihre moderaten Kolleginnen und Kollegen: «Sie wollen Ihren Wählern erklären, warum Sie die Wahl von Jordan blockiert haben?» Ihre eigene Antwort: «Dann machen Sie mal!»
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