Präsident im MachtrauschTrump ruft zu Rache und Kampf auf
Die Rede des US-Präsidenten im Justizdepartement bricht alle Normen – und lehrt die Gegner das Fürchten.

- Trump kritisiert die Medien und wirft ihnen Korruption vor.
- Er setzt Massnahmen gegen Anwaltskanzleien durch, die ihn verklagen.
- Kritiker sehen Trumps Worte als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit.
«Main Justice», wie das Hauptquartier des US-Justizdepartements landläufig heisst, liegt auf halber Strecke zwischen dem Weissen Haus und dem US-Capitol (Parlament). Dennoch dauerte es nach Donald Trumps Überraschungswahl von 2016 über acht Jahre, bis Trump am Freitag zum ersten Mal das Robert-F.-Kennedy-Gebäude an der Pennsylvania Avenue betrat.
Seine Rede in der «Great Hall» scherte sich nicht um die Norm der Zurückhaltung, die amerikanische Präsidenten gegenüber der Justiz zumeist befolgen. Trump bekannte sich zu den Grundsätzen von Recht und Ordnung; er versprach, die Kriminalität zu bekämpfen und die US-Grenzen zu sichern. Doch immer wieder beweihräucherte er sich selbst und zog über seinen Vorgänger her. Die versammelte Führungsriege des Department of Justice (DOJ) rief er zum gemeinsamen Kampf auf.
Trumps Formulierungen klangen nach Rache
Trump zelebrierte den einstündigen Auftritt als Triumph über seine gescheiterten Widersacher. Am gleichen Ort war ausgeheckt worden, was er als Krieg mit rechtlichen Mitteln versteht. Die sogenannte «Lawfare» gegen Trump begann mit der «Russiagate»-Untersuchung von Sonderanwalt Robert Mueller und reichte bis zu den zwei Anklagen durch Sonderstaatsanwalt Jack Smith wegen angeblicher Dokumentenvergehen sowie Manövern vor dem Capitol-Sturm vom 6. Januar 2021.
«Sie spionierten mein Wahlkampfteam aus, lancierten ein Täuschungsmanöver nach dem anderen, brachen das Gesetz in kolossalem Ausmass, stellten meiner Familie nach … und überfielen mein Haus in Mar-a-Lago», rief Trump aus. «Sie taten alles, um zu verhindern, dass ich Präsident der Vereinigten Staaten werde.»
Als «oberster Gesetzeshüter unseres Landes» bestehe er jetzt auf der «vollständigen Rechenschaft» für diese Missetaten, sagte er. «Wir werden die Schurken und korrupten Kräfte aus unserer Regierung entfernen. Wir werden ihre unerhörten Verbrechen aufdecken.»
Trumps Formulierung klang nach Rache. Die Botschaft sei unverkennbar gewesen, schreibt die «New York Times»: Der Präsident habe vor, «die massive Macht der bundesstaatlichen Vollzugsbehörden seinem Willen zu beugen – für eine Agenda gegen das Verbrechen und, vielleicht, für Rache».

Das Rachebedürfnis erstreckt sich auch auf feindlich gesinnte Medien. Trump hält CNN und MSNBC, «die zu 97,6 Prozent negativ über mich berichten», für verlängerte Arme der demokratischen Partei. «Meiner Meinung nach sind sie korrupt und illegal. Das muss aufhören.» Jake Tapper, bekannter Journalist von CNN, hörte das mit Besorgnis. «Suggeriert der Präsident», fragte der Moderator, «dass es ein Verbrechen sein soll, wenn Medien akkurat berichten, er habe die Wahl von 2020 verloren?»
Andere Kommentatoren deuteten die Worte als Trump-typische Übertreibungen. «Er meinte üble Nachrede, nicht Verbrechen», sagte Jim Trusty, ein ehemaliger Staatsanwalt und zeitweiliger Trump-Anwalt. «Er will keinen Gulag mit Jake Tapper und seinen Freunden füllen.»
Widersacher werden entlassen
Während Medienvertreter bisher unbehelligt bleiben, gehen Trumps Leute rabiat gegen DOJ-Mitarbeiter vor, denen sie politisierte Justiz vorwerfen. So wurden Staatsanwälte des Teams um Jack Smith in die Wüste geschickt sowie jene, die die Strafverfolgung von weit über 1000 Capitol-Stürmern vorangetrieben hatten. Dasselbe Los zogen leitende Agenten der Bundespolizei FBI.
Trumps Justizministerin Pam Bondi macht sich daran, die Abteilung für «öffentliche Integrität» zurückzustufen oder gar zu schliessen, weil sie für Untersuchungen gegen Trump verantwortlich war. Angeblich sollen auch Ermittlungen wegen Bestechung und gegen russische Oligarchen auf die lange Bank geschoben werden.
Einen Empörungssturm löste es aus, als Trump mit Exekutivanordnungen zwei führende Anwaltskanzleien in Washington abstrafte. Als Erste kam Ende Februar die Anwaltskanzlei Covington & Burling an die Kasse, bei der Barack Obamas Justizminister Eric Holder arbeitet. Leitenden Anwälten der mächtigen Kanzlei wurde der Zugang zu Geheiminformationen entzogen, weil sie Sonderanwalt Jack Smith bei seinen Ermittlungen gegen Trump mit Gratisdiensten im Wert von 140’000 Dollar zur Seite gestanden haben soll.
Noch energischer schritten Trump-Anwälte diese Woche gegen Perkins Coie ein. Die den Demokraten nahestehende Kanzlei mit 1200 Angestellten hatte 2016 für die Wahlkampagne von Hillary Clinton das «Dossier» in Auftrag gegeben, in dem Trump ohne Faktengrundlage der Verbandelung mit Russen beschuldigt wurde. Zur Strafe sollte Perkins Coie jetzt nicht nur die «Security Clearances» verlieren, sondern auch das Recht, Aufträge für die Bundesregierung auszuführen.
Die Kanzlei wehrte sich umgehend mit einer Klage. Darin schrieben ihre Rechtsvertreter, die Trump-Regierung habe kein Recht, gegen eine missliebige Anwaltskanzlei vorzugehen. Zudem wurde geltend gemacht, die Kanzlei habe bereits Mandanten verloren und ihr drohe der Bankrott wegen Rufschadens, wenn ihr Staatsaufträge versperrt würden. Nach einem Hearing am Mittwoch gab eine Bundesrichterin den Klägern recht und ordnete eine einstweilige Verfügung gegen die Trump-Regierung an. «Viele in der Rechtsbranche beobachten mit Schrecken, was Perkins Coie hier widerfährt», empörte sich die Richterin.
«Frontalangriff gegen Rechtsstaatlichkeit»
In den Augen des konservativen, aber gegen Trump eingestellten Richters Michael Luttig hat ein US-Präsident «keinerlei verfassungsmässige Befugnis, auf Individuen, Organisationen … und sicher nicht Anwaltskanzleien vorzugehen». Was Trump hier tue, sei ein «Frontalangriff auf die Rechtsstaatlichkeit», sagte Luttig auf MSNBC. Er hege keinen Zweifel daran, dass dies jedes Gericht bestätigen würde, «selbst der Supreme Court».
Trump-Kritiker vermuten, die Fragwürdigkeit der Anordnung gegen Anwaltskanzleien sei auch Trumps Anwälten bewusst. Wahrscheinlich gehe es vor allem darum, die grossen Law Firms einzuschüchtern, argwöhnt etwa Andrew Weissmann, der einst für Sonderanwalt Robert Mueller arbeitete.
Eine abschreckende Wirkung könnte Trumps Rede auch in dem Sinn gehabt haben, als er in seiner Rede im Justizministerium gegen ihn gerichtete Medienberichte als illegal bezeichnete. Nach knapp zwei Monaten im Amt scheint sich der Präsident auf dem Höhepunkt der Macht zu fühlen. Vieles, was er sagt, nährt die verbreitete Kritik, Trump hänge autokratischen Neigungen nach. Den Gegenbeweis kann er nur antreten, wenn er seinen Worten diesmal keine Taten folgen lässt.
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