Finanzminister Kwarteng gefeuertLiz Truss lehnt Rücktritt als Premier ab
Nach der Entlassung ihres Finanzministers steht die britische Premierministerin noch stärker unter Druck als vorher. Sie will trotz heftiger Kritik aus den eigenen Reihen ihren Posten nicht freiwillig räumen.
Nach der Entlassung ihres Finanzministers Kwasi Kwarteng hat die britische Premierministerin Liz Truss es abgelehnt, selbst zurückzutreten. Sie habe entschieden gehandelt und damit sichergestellt, dass das Land eine finanzielle Stabilität besitze. Truss sagte, sie werde immer im nationalen Interesse agieren. «Wir werden diesen Sturm überwinden», fügte sie hinzu.
Die Regierungschefin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen, die Steuern deutlich zu senken, irritiert hätten, sei der Grund, warum sie eine Kehrtwende einlege, sagte Truss. «Ich bin fest entschlossen, das zu halten, was ich versprochen habe.»
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Die Regierungschefin hatte zuvor angekündigt, dass die Unternehmensteuer doch wie von der Vorgängerregierung vorgesehen im April von 19 auf 25 Prozent steigen solle. Dabei hatte Truss stets versprochen, diese Erhöhung zurückzunehmen.
Hunt löst Kwarteng ab
Zuvor hatte Truss Jeremy Hunt als neuen britischen Finanzminister bestimmt. Der frühere Aussen- und Gesundheitsminister wird zum Nachfolger von Kwasi Kwarteng, den die Premierministerin kurz zuvor gefeuert hatte.
Der bisherige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im britischen Parlament hatte sich im Sommer selbst um die Spitze der Konservativen Partei beworben, war aber nach wenigen Wahlgängen gescheitert. Während der Pandemie war der 55-Jährige einer der schärfsten Kritiker der Regierung.
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Kwarteng hatte seine Entlassung in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an die Premierministerin bestätigt. Darin schrieb Kwarteng: «Sie haben mich gebeten, als Finanzminister abzutreten. Ich habe akzeptiert.» Er wünsche Truss viel Erfolg bei ihren Plänen für die Wirtschaft und betonte, dass sie «seit vielen Jahren Kollegen und Freunde» seien. Truss versprach er seine Unterstützung aus den hinteren Reihen.
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Hintergrund ist das milliardenschwere Steuersenkungspaket der konservativen Regierung, das zu Unruhe an den Finanzmärkten wegen einer drohenden hohen Staatsverschuldung und zu massivem Unmut in den Reihen der Regierungspartei geführt hatte.
Kwarteng hatte zuvor eine Dienstreise nach Washington vorzeitig abgebrochen und war nach seiner Rückkehr direkt zum Regierungssitz in der Downing Street gefahren. Kwarteng, der beim Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington war und eigentlich erst am Samstag zurückkehren sollte, habe sich nach «erfolgreichen Treffen» in der US-Hauptstadt auf den Heimweg gemacht, hatte ein Sprecher des britischen Finanzministeriums mitgeteilt. Am Donnerstag hatte Kwarteng noch versichert, er werde seinen Job nicht aufgeben: «Ich gehe nirgendwohin», sagte er in Washington.
Tories wollen Truss aus dem Amt drängen
Zuvor war Truss auch in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck geraten. Wie die Zeitung «The Times» am Freitag berichtete, gibt es in der Konservativen Partei bereits Debatten, die Regierungschefin nach nur gut fünf Wochen wieder aus dem Amt zu drängen.
Im Raum steht nach «Times»-Informationen, dass führende Tories ein Führungs-Tandem aus den Spitzenpolitikern Rishi Sunak und Penny Mordaunt unterstützen, die Truss im Sommer im internen Ringen um den Parteivorsitz unterlegen waren. Der frühere Chef der Konservativen, William Hague, nannte die Lage «beispiellos». Die Autorität von Truss sei offensichtlich beschädigt, sagte Hague der BBC. Der einzige Ausweg sei, die Budgetpläne wieder zurückzunehmen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Parlament, der Konservative Mel Stride, forderte «entschiedenes Handeln».
Die Regierungspläne für weitreichende Steuersenkungen, die mit neuen Schulden in Höhe von Dutzenden Milliarden Pfund gegenfinanziert werden sollen, hatten erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst und die Zentralbank zum Eingreifen gezwungen. Ein Anleihenkaufprogramm der Bank of England im Wert von 65 Milliarden Pfund sollte am Freitag auslaufen. Wegen der massiven Kritik hatten Truss und Kwarteng die geplante Streichung des Spitzensteuersatzes wieder zurückgenommen.
Absturz innert Kürze
Truss war am 6. September von der zwei Tage später verstorbenen Königin Elizabeth II. zur Nachfolgerin von Boris Johnson ernannt worden. Sie gilt bereits als schwer beschädigt. Nach ihrem jüngsten Auftritt im Unterhaus und in einer anschliessenden Fraktionsrunde am Mittwoch äusserten konservative Abgeordnete heftige Kritik.
«Die Stimmung ist furchtbar, so schlimm wie in den letzten Tagen Johnsons», kommentierte die Reporterin Beth Rigby vom Sender Sky News. In Umfragen führt die oppositionelle Labour-Partei teils mit mehr als 30 Punkten Vorsprung. Wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos ermittelte, sind nur 16 Prozent der Briten mit Truss zufrieden – das sei der schlechteste Wert, der je für einen Premier gemessen worden sei.
Das Magazin «The Economist» kommentierte kürzlich, Truss habe «ihre eigene Regierung mit einem Paket aus ungedeckten Steuersenkungen und Energiepreisgarantien» gesprengt. «Nimmt man die zehn Tage der Trauer nach dem Tod von Königin Elizabeth II. weg, hatte sie sieben Tage die Kontrolle. Das entspricht in etwa der Haltbarkeit eines Salats», schrieb das Blatt.
Märkte nehmen Kehrtwende vorweg
Kabinettsmitglieder versicherten jedoch auch am Freitag, Regierungschefin und Finanzminister hätten die volle Unterstützung. Die frühere Kulturministerin Nadine Dorries, eine Unterstützerin von Truss, kritisierte deren interne Gegner scharf. «Es ist nicht nur eine Verschwörung, um die Premierministerin zu entfernen, sondern um die Demokratie zu stürzen», twitterte die Vertraute von Ex-Premier Johnson. Dorries hatte kürzlich noch kritisiert, die Wirtschaftspläne von Truss stimmten nicht mit den Wahlversprechen der Tories überein.
Wie die Zeitung «Guardian» berichtete, könnte Truss die für April geplante deutliche Anhebung der Unternehmensteuer doch nicht zurückzunehmen. Die Premierministerin hatte wiederholt betont, die noch von ihrem Vorgänger Johnson beschlossene Erhöhung von 19 auf 25 Prozent wieder zu streichen. Darauf angesprochen, sagte ihr Finanzminister der Zeitung «Telegraph»: «Mal sehen.»
Die Märkte reagierten auch am Freitag positiv auf die Berichte. Die Rendite zehnjähriger britischer Staatsanleihen sank – das kommt Immobilienkäufern zugute, die weniger Hypothekenzinsen zahlen müssen -, und das Pfund legte zu. Die neue Kehrtwende sei bereits eingepreist, betonte Russ Mould von der Anlageplattform AJ Bell im Sender BBC Radio 4. Bleibe diese Reaktion aus, würden die Gewinne wieder verloren gehen, sagte Mould voraus.
SDA/AFP/lif/anf/fal
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