Tötungsdelikte in Laupen und ZürichWenn die DNA-Probe ungeklärte Mordfälle löst
Ein DNA-Test bringt einen Mann mit Verbrechen in Verbindung, die Jahre zurückliegen. Wie häufig kommt das vor? Und wie genau funktioniert DNA-Profiling?
Es war ein spektakulärer Erfolg, den die Polizeibehörden der Kantone Bern und Zürich kürzlich vermelden konnten. Ihren Ermittlern ist es gelungen, in Genf einen 45-jährigen Spanier zu verhaften, der gleich für zwei aufsehenerregende Schweizer Mordfälle verantwortlich sein soll.
Die Verbrechen liegen bereits dreizehn beziehungsweise acht Jahre zurück und drohten als ungeklärte Mordfälle in die Schweizer Kriminalhistorie einzugehen. Im einen Fall wurde 2010 eine 56-jährige Psychiaterin in ihrer Praxis im Zürcher Seefeldquartier erstochen. Der andere Mord ereignete sich 2015 in Laupen, wo ein älteres Ehepaar in seiner Käserei getötet wurde.
Bei der Aufklärung dieser Tötungsdelikte spielen DNA-Profile eine wichtige Rolle. So ergab der Abgleich der DNA-Spuren an den jeweiligen Tatorten schon 2017, dass hinter den beiden Mordfällen derselbe Täter stecken muss.
Und schliesslich konnte die DNA des in Genf verhafteten Mannes den gesicherten Erbgut-Spuren an den Tatorten zugeordnet werden. Nun sitzt der Spanier in Zürich in Untersuchungshaft. Er ist nicht geständig.
Wegen fingierten Einbruchs überführt
Doch wie kam die Polizei dem mutmasslichen Täter auf die Schliche? Dazu hüllen sich Polizei und Staatsanwaltschaft in Schweigen. Eine mögliche Erklärung wäre: Der Mann war bei einem neuerlichen Delikt involviert, bei dem er eine DNA-Probe abgeben musste. Die Möglichkeit brachte der ehemalige Polizei-Profiler Hans-Peter Meister in einem Interview mit der NZZ ins Spiel. Er mutmasst weiter, dass der Mann deswegen auf der Flucht gewesen sein könnte und in die Schweiz habe einreisen wollen.
Möglich wäre jedoch auch, dass die Kantonspolizei Bern aufgrund von – womöglich auch verdeckten – Ermittlungen auf den Mann aufmerksam wurde. Sie schreibt in ihrer Mitteilung von «verschiedenen Anhaltspunkten», die zur Identifizierung des in Spanien wohnhaften Tatverdächtigen führten.
Zwei spektakuläre Erfolge
Wie häufig es vorkommt, dass ein weit zurückliegendes Verbrechen dank neuer DNA-Auswertungen aufgeklärt wird, kann das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage nicht sagen. Es gibt keine Zahlen dazu. Sicher scheint: Es passiert selten.
Zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit: 2015 wollte ein Berner Kioskbetreiber mit einem fingierten Einbruch Versicherungsgelder erschleichen. Er flog auf, weil seine DNA an einer Glasscherbe nachgewiesen werden konnte.
Ein Abgleich mit der Datenbank förderte schliesslich Überraschendes zutage: Seine DNA stimmte mit jener überein, die 1999 an einem Tatort im Bieler Mettquartier sichergestellt worden war. Bei dem brutalen Raubüberfall auf eine Familie starb damals ein 22-Jähriger. Im vergangenen Sommer wurde der Täter, ein 65-jähriger Nordmazedonier, zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.
Im anderen Fall wurde 2017 auf Teneriffa jener Mann verhaftet, der im Jahr zuvor eine Thuner Bijouterie überfallen hatte. Ein DNA-Abgleich überführte ihn schliesslich als den «Schlafzimmermörder» von der Zürcher Goldküste. Die Ermordung einer 87-jährigen Millionärin in ihrer Villa in Küsnacht war während 20 Jahren ungeklärt geblieben. 2022 bestätigte das Bundesgericht die Freiheitsstrafe von 13 Jahren für den 78-jährigen Italiener.
5600 Treffer im Jahr
«Kommissar DNA» ist zweifellos zu einem wichtigen Mittel in der Verbrechensbekämpfung geworden. Doch wie funktioniert die Methode? Ein DNA-Profil kann auf zwei Arten erstellt werden. Im einen Fall wird das genetische Material aus Spuren am Tatort extrahiert – etwa aus Haaren, Blut, Sperma, Speichel oder Hautpartikeln.
Im anderen Fall nimmt die Polizei bei einem Verdächtigen einen Wangenschleimhaut-Abstrich vor. Davon wird ein DNA-Profil erstellt, das aus einer spezifischen Kombination aus Buchstaben und Zahlen besteht. Dieses wird an die nationale DNA-Profil-Datenbank Codis übermittelt, die vom Fedpol verwaltet wird.
Laut Fedpol waren Ende 2022 in Codis 177’508 Personenprofile und 110’138 Tatortspuren registriert. 2022 gab es in der Schweiz 5601 Person-Spur-Treffer. Dabei stimmt eine Tatortspur mit einer Person überein, die in der Datenbank verzeichnet ist. In zwei Dritteln der Fälle betrafen solche «Hits» Diebstähle oder Einbruchdiebstähle.
Darüber hinaus gab es im gleichen Jahr 1478 Spur-Spur-Treffer. Das bedeutet: Eine Tatortspur stimmt mit einer bereits in der Datenbank gespeicherten Spur überein – kann aber keiner Person zugeordnet werden. So war es während Jahren auch beim Fall Laupen/Zürich-Seefeld.
Langwieriger Abgleich im Ausland
Gibt es in der nationalen Datenbank keinen Treffer, so besteht die Möglichkeit eines Abgleichs mit ausländischen Datenbanken. Zwischen 50 und 100 Anfragen verschickt das Fedpol pro Jahr. Gemäss der Bundespolizei ist dies zuweilen ein langwieriger Prozess. «Die Schweiz kann nicht direkt auf eine DNA-Profil-Datenbank in einem anderen Land in Europa zugreifen», schreibt die Fedpol-Medienstelle. Eine Anfrage müsse via Europol an alle Länder einzeln verschickt werden.
Ab 2025 soll sich dies dank der Teilnahme der Schweiz am sogenannten Prümer-Abkommen ändern. Damit wird es möglich sein, mit einer einzigen Abfrage einen automatisierten Abgleich der Datenbanken aller beteiligten EU-Länder auszulösen.
Mit Augen-, Haar- und Hautfarbe
Seit letztem Jahr steht den Ermittlern mit der sogenannten Phänotypisierung zudem ein neues Analyse-Instrument zur Verfügung. Während das DNA-Profil-Gesetz zuvor nur erlaubte, das Geschlecht einer Person zu bestimmen, können neu auch äusserlich sichtbare Merkmale wie Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft sowie das Alter festgestellt werden. Damit soll der Kreis der Verdächtigen eingegrenzt werden.
Eine solche Untersuchung ist rund zehnmal teurer als eine herkömmliche DNA-Analyse. Nutzen darf sie die Polizei von Gesetzes wegen nur bei schweren Delikten wie Mord oder Vergewaltigung.
Im Fall Laupen/Zürich-Seefeld hätte man laut dem ehemaligen Polizei-Profiler Hans-Peter Meister damit vermutlich einen südeuropäischen Mann mit schwarzen Haaren und braunen Augen als Phänotyp erhalten. Er bezweifelt, dass dies den Ermittlungen geholfen hätte.
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