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Bezirksgericht Meilen
Gericht verurteilt zwei junge Männer im Tötungsdelikt von Oetwil

Eine Gerichtszeichnung zeigt drei Männer vor Gericht. Zwei von ihnen sind nach einem tödlichen Drogendeal in Oetwil am See angeklagt.
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«Wir haben es mit einem Ereignis zu tun, an dessen Ende es nur Verlierer gibt.» Mit diesen Worten beschrieb am Mittwoch der vorsitzende Richter des Bezirksgerichts Meilen eine Tat, die im Oktober 2022 eine ganze Region in Atem hielt.

Vier junge Männer hatten sich in einer Wohnung in Oetwil am See getroffen, um mit Drogen zu handeln. Als der Deal in eine Messerstecherei ausartete, starb ein 17-Jähriger. Zwei der jungen Männer sitzen seither im vorzeitigen Strafvollzug. Die Ereignisse in jener Nacht haben das Leben der jungen Männer schlagartig verändert – oder wie im Falle des 17-Jährigen beendet. 

Was in jener Oktobernacht 2022 passiert ist, hat das Bezirksgericht Meilen während eines zweitägigen Prozesses Ende Februar aufgerollt. Nun, fast einen Monat später, haben die Richter ihr Urteil verkündet. Sie verurteilten einen heute 22-jährigen Schweizer unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung und einen gleichaltrigen Serben wegen Raub und versuchter Nötigung.

«Willentlich zugestochen»

Was ist damals passiert? Am Anfang der Tragödie steht ein halbes Kilogramm Marihuana. Ein 19- und ein 24-jähriger Schweizer wollen es in einer Wohnung in Oetwil an einen Serben und einen Portugiesen verkaufen. Statt zu bezahlen, beabsichtigen die Käufer jedoch, das Marihuana mit einer Schreckschusspistole und einem Messer zu ergaunern. 

Als der Serbe die Pistole und der Portugiese das Messer zücken, kommt es zu einer Auseinandersetzung, während der sich alle vier jungen Männer teils schwer verletzen. Der 17-jährige Portugiese verblutet noch in derselben Nacht.

Für das Gericht ist klar: Der jüngere Schweizer – heute ist er 22 Jahre alt – hat die tödlichen Stiche ausgeführt. Und zwar mit jenem Messer, das er zuvor dem Portugiesen abgenommen hatte. «Für uns ist es erwiesen, dass Sie wissentlich und willentlich zugestochen haben», sagte der vorsitzende Richter zum Schweizer. Dass die Verletzungen im Gerangel entstanden seien, wie es die Verteidigung vorbrachte, glaubte das Gericht nicht. 

Die Richter berufen sich dabei auf DNA-Spuren am Messer, aber auch auf Aussagen des Schweizers, wonach er in einer ersten Einvernahme zugab, auf seine Kontrahenten mit dem Messer losgegangen zu sein. Erst im Verlauf der Untersuchungen wurden seine Aussagen vager, bis er Erinnerungslücken geltend machte.

In der Notwehr übertrieben reagiert

Das Gericht verurteilte den 22-jährigen Schweizer zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat. Die Staatsanwaltschaft forderte eine doppelt so hohe Strafe. Dass das Gericht das Strafmass tiefer ansetzte, hat mit einem besonderen Umstand zu tun. Der Täter ist hier auch Opfer. 

«Sie handelten in Notwehr», sagte der Richter zum Schweizer. Er habe sich gegen die beiden bewaffneten Käufer wehren wollen. Als er das Messer an sich gerissen hatte, habe der Portugiese aber keine Gefahr mehr dargestellt, urteilte das Gericht. Dennoch habe der Schweizer mehrfach auf das spätere Todesopfer eingestochen.

Blumen und Kerzen als Gedenkstätte auf einem Bürgersteig platziert.

Die gezielten und tiefen Stiche in den Oberkörper des Portugiesen würden die Wucht zeigen, mit der der Schweizer zugestochen habe. «Diese Umstände wiegen schwer. Wir gehen von einer Überschreitung des Notwehrrechtes aus», erklärte der Richter. Dieser Umstand vermindere die Strafe zwar. «Dieser Exzess ist aber unentschuldbar.» Er muss der Familie des Opfers zudem zwei Genugtuungen von 19’000 Franken zahlen.

Straffrei geht der Schweizer hingegen für die Stiche aus, die er dem Serben zugefügt hat. Dieser hielt nämlich während des ganzen Handgemenges die Schreckschusspistole in den Händen. Auch wenn es keine echte Waffe gewesen sei, habe er eine Bedrohung für den Schweizer dargestellt, weshalb hier das Notrecht greift.

«Hinterhältiges Vorgehen»

Vor Gericht musste sich auch der Serbe verantworten. Der Richter machte deutlich: «Wäre der Deal wie besprochen abgewickelt worden, wäre es nicht zum Tötungsdelikt gekommen.» Er sprach von einem «hinterhältigen Vorgehen». Noch während die jungen Männer in der Wohnung einen Joint rauchten, planten der Serbe und der Portugiese, die beiden Schweizer auszunehmen. «Dass Sie später mit dem Messer verletzt wurden, müssen Sie sich selber zuschreiben», sagte der Richter zum Serben.

Das Gericht verurteilte ihn unter anderem wegen Raubes und versuchter Nötigung mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Die Staatsanwaltschaft beantragte vier Jahre.

Für die Tat in Oetwil allein hätte der Serbe eine deutlich tiefere Strafe erhalten. Er hatte jedoch wenige Monate zuvor am Bahnhof Enge mit einem Messer zwei Jugendliche bedroht und ausgeraubt.

Für diese Taten muss der Serbe das Land für fünf Jahre verlassen. Zwar wuchs er hier auf und kann laut eigenen Angaben kein Serbisch. «Einen Härtefall konnten wir aber nicht feststellen», sagte der Richter. Er stehe wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen, lebe von Sozialhilfe und habe trotz jahrelangem Aufenthalt in der Schweiz nur die F-Bewilligung.

Nach 900 Tagen auf freiem Fuss

Obwohl die beiden jungen Männer zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, kommen sie in den nächsten Tagen frei. Denn unterdessen haben beide über 900 Tage in Haft und vorzeitigem Strafvollzug abgesessen. Der Schweizer kann früher aus dem Gefängnis, weil er sich in eine Massnahme für junge Erwachsene begibt. Der Serbe sieht sich nun mit der Landesverweisung konfrontiert.

Wie waren die Worte des Richters zu Beginn? «Es ist ein Ereignis, an dessen Ende es nur Verlierer gibt.»