Tödliche Attacke auf US-Militärbasis«Beim 164. Mal hatten sie Glück»: US-Streitkräfte haben iranische Drohne offenbar verwechselt
Nach dem Angriff auf einen US-Stützpunkt drängen Republikaner Joe Biden zu einem Schlag im Iran. Ist das realistisch? Und was weiss man Neues zum Drohnen-Angriff? Die wichtigsten Antworten.
Das erste Mal seit Beginn des Gazakriegs sind US-Soldaten im Nahen Osten getötet worden. Bei einem Drohnenangriff in Jordanien nahe der syrischen Grenze kamen am Sonntag drei US-Soldaten ums Leben. Mehr als 40 weitere wurden verletzt. Zur Attacke bekannten sich irantreue Milizen unter dem Banner «Islamischer Widerstand im Irak». Ist das der Angriff, der die USA in den Nahost-Krieg hineinzieht? Während Washington um die richtige Antwort ringt, gibt es neue Details zur Attacke.
Was hat zum Drohnenangriff geführt?
Die feindliche Drohne, die in Jordanien drei US-Soldaten getötet und Dutzende weitere verletzt hat, ist womöglich mit einer amerikanischen Drohne verwechselt worden. Das teilten zwei US-Vertreter unter Berufung auf einen vorläufigen Untersuchungsbericht mit. Demnach flog die feindliche Drohne in niedriger Höhe auf den sogenannten Tower 22 in Jordanien an der Grenze zu Syrien zu, während eine US-Drohne auf dem Rückweg zu der kleinen Militäranlage war. Offenbar wurden keine Versuche unternommen, die feindliche Drohne abzufangen.
Einer der Wohnwagen, in dem die Truppenangehörigen schliefen, bekam die Hauptlast der Attacke ab. Umliegende Wohnwagen wurden durch die Explosion und umherfliegende Trümmerteile beschädigt. Grosse Luftabwehrsysteme hat Tower 22 zwar nicht, allerdings verfügt die Anlage über Drohnenabwehrtechnik, etwa Coyote-Abfangdrohnen. Neben den drei getöteten Truppenangehörigen wurden beim Angriff vom Sonntag mehr als 40 Soldaten verletzt, wie das Pentagon mitteilte. Die meisten erlitten Schnitt- und Schürfwunden, Prellungen und Hirnverletzungen. Acht von ihnen wurden für medizinische Behandlungen ausgeflogen.
Auf die Frage, ob es sich bei dem Versäumnis, die feindliche Drohne abzuschiessen, um «menschliches Versagen» handle, antwortete Pentagonsprecherin Sabrina Singh bloss, die Angelegenheit werde geprüft.
Hat der Iran die Attacke angeordnet?
Die USA machen den Iran insofern verantwortlich, als dass er die irakischen Milizen finanziell und militärisch unterstützt. Bisher gibt es aber keine Hinweise darauf, dass der Iran den tödlichen Angriff am Sonntag ausdrücklich angeordnet und gesteuert hat. «Ich glaube nicht, dass dies als Eskalation beabsichtigt war», sagte ein US-Beamter gegenüber CNN. «Es ist die gleiche Art von Angriff, die sie schon 163 Mal durchgeführt haben. Beim 164. Mal hatten sie nun Glück.» Die Führung in Teheran wies schnell und vergleichsweise entschieden zurück, dass sie hinter der Drohnenattacke steckt. Auch im Wissen, dass US-Präsident Joe Biden nun Entschlossenheit demonstrieren muss.
Wie reagieren die USA nun?
Joe Biden steht unter Druck. Er muss so reagieren, dass er den Iran und seine Verbündeten abschreckt und innenpolitisch nicht schwach erscheint. Der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, warf der Biden-Regierung «Versagen bei der Abschreckung von Amerikas Gegnern» vor. Bereits fordern mehrere Republikaner, dass die USA einen Vergeltungsschlag im Iran durchführen. Ein solcher wäre beispiellos. Die Amerikaner attackierten zwar unter Präsident Ronald Reagan iranische Schiffe und Offshore-Ölplattformen, das US-Militär hat bislang aber nie Ziele auf iranischem Boden angegriffen. Selbst Donald Trump sah 2019 nach dem Abschuss einer Überwachungsdrohne durch den Iran von einem solchen Schritt ab. Gabriel Noronha, ein Iran-Berater jener Trump-Regierung, sieht nun aber den Zeitpunkt für eine harten Vergeltungsschlag gekommen. Dem «Wallstreet Journal» sagte er. «Ein Schlag im Iran würde ein Gefühl der Verwundbarkeit schaffen, dass dessen Regime unbedingt vermeiden will.»
US-Offizielle gehen aber nicht davon aus, dass es soweit kommt. Der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats im Weissen Haus, John Kirby, machte erneut deutlich, dass die USA keinen Krieg mit dem Iran wollten. Ein anonym bleiben wollender hoher Ex-Militär kommentierte gegenüber CNN süffisant: «In jeder Nachricht ist von der Angst der Regierung vor einer Eskalation die Rede. Wir haben es geschafft, uns hier selbst abzuschrecken». Auch das «Wall Street Journal» sieht die Ausgangslage ähnlich: «Die Ironie von Bidens Strategie – vor allem eine Eskalation mit dem Iran zu vermeiden – besteht darin, dass er jetzt härter zurückschlagen muss, als wenn er gleich beim ersten Angriff auf US-Streitkräfte mit zerstörerischer Kraft reagiert hätte.»
Am wahrscheinlichsten scheint dennoch, dass sich die USA bei einem Vergeltungsschlag auf die proiranischen Milizen im Irak oder Ziele der iranischen Revolutionsgarden in Syrien konzentrieren. Möglich ist auch, dass die USA in einem weiteren Schritt die Sanktionen gegenüber dem Mullah-Regime noch einmal verstärken und sich dabei auf Unternehmen und Banken konzentrieren, die den Iran unterstützen, namentlich in China. Leicht wird das aber nicht.
nlu/DPA
Fehler gefunden?Jetzt melden.