Nach dem Nein zur SteuervorlageMehr als Steuern: Was Firmen anlockt
Das Stimmvolk lehnt die Abschaffung der Emissionsabgabe ab. Wie kann die Schweiz trotzdem für Unternehmen attraktiv bleiben? Zwei Fachleute für Standortmarketing sagen, worauf es ankommt.
Die Linken haben es geschafft: Die Teilabschaffung der Stempelsteuer ist klar gebodigt. Insgesamt haben fast 63 Prozent der Stimmbevölkerung die Vorlage abgelehnt. Nur gerade die Basis der FDP und der SVP haben die Änderung bei der Stempelsteuer angenommen. Bei der SVP war die Zustimmung mit 51 Prozent sogar sehr knapp, wie eine Nachbefragung von Tamedia zeigt.
«Wir sind überrascht von der Deutlichkeit des Sieges», sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer. «Die Bevölkerung hat verstanden, dass sie am Ende die Ausfälle von 250 Millionen Franken jährlich tragen muss.» Meyer richtet den Blick gleich nach vorne auf die nächste Steuerabstimmung, die im September anstehen dürfte. «Bei der Abstimmung über die Abschaffung der Verrechnungssteuer ist es dasselbe: eine Steuerpolitik, die für Konzerne und nicht auf die Bevölkerung ausgerichtet ist.»
Ganz anders die Gemütslage bei den bürgerlichen Kräften. «Die direkte Betroffenheit hat einfach gefehlt», sagt Mitte-Nationalrat Leo Müller. Entsprechenden Respekt hat Müller vor der Abstimmung zur Verrechnungssteuer. «Es ist eine Wohlstandsfrage. Es geht uns wirtschaftlich gut, und in einer solchen Situation der Bevölkerung klarzumachen, dass wir auch für die Zukunft dem Wirtschaftsstandort Schweiz Sorge tragen müssen, ist anspruchsvoll», sagt Müller.
Bei der Verrechnungssteuer wird es wohl wiederum schwierig für das bürgerliche Lager, eine Abstimmung zu gewinnen. Die Nachbefragung von Tamedia zeigt erste Tendenzen auf. Nur gerade 33 Prozent würden heute Ja oder eher Ja zur Abschaffung sagen. Hingegen 49 Prozent Nein oder eher Nein. Viele sind noch unentschlossen.
Die Nachbefragung zeigt auch, dass sich 39 Prozent aller Befragten für die Zukunft eine steuerliche Entlastung von Arbeit und Konsum wünschen. 22 Prozent votierten für eine generelle Entlastung von Privatpersonen und Unternehmen.
Die grosse politische Frage der nächsten Monate wird also sein: Wie schafft es die Schweiz, auch in Zukunft als attraktiver Wirtschaftsstandort zu gelten, gerade im Kontext mit der Einführung einer international geltenden Mindeststeuer. Dabei hat die Schweiz aber nicht nur die Steuern als entscheidenden Faktor für Ansiedlungen von ausländischen Firmen. Andere Faktoren gelten als genauso wichtig, wenn nicht gar wichtiger als tiefe Steuern.
Liberales Arbeitsgesetz als Faktor
«Ganz grundsätzlich ist der entscheidende Punkt die Sicherheit und die Stabilität eines Standorts. Wenn man 100 Millionen Franken in die Hand nimmt, dann ist dies immens wichtig», sagt Patrik Wermelinger, Leiter Standortpromotion bei S-GE. Die Organisation ist oft involviert, wenn es um Ansiedlungen in der Schweiz geht. An S-GE wenden sich ansiedlungswillige Firmen, wenn sie Ausschau nach einem neuen Standort halten, bevor sie mit den Regionen und Kantonen in Kontakt treten.
«Die tiefen Steuern helfen mit bei der Ansiedlung. Aber gerade mit der Einführung der globalen Mindeststeuer werden andere Faktoren wichtiger.»
Neutralität, tiefe Verschuldungsquote, politische Stabilität, friedliches Miteinander in der Gesellschaft: All diese Punkte hebt Wermelinger als positiv für die Schweiz heraus. Dazu komme, dass die Schweiz in Technologie und Innovation weltweit führend sei. Die tiefen Steuern spielten da nur eine kleinere Rolle.
Wermelinger betont, dass der Marktzugang zu Europa und der Zugang zu Arbeitskräften entscheidend sei, und: «Ein liberales Arbeitsgesetz, wie wir es kennen, hilft, wenn es um Ansiedlungen von Firmen geht.» Daneben seien auch das duale Bildungssystem in der Schweiz und die starke Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft entscheidende Faktoren.
«Es ist klar: Die tiefen Steuern helfen mit bei der Ansiedlung. Aber gerade mit der Einführung der globalen Mindeststeuer werden andere Faktoren wichtiger», sagt Wermelinger.
Dass die Steuern nicht der alles entscheidende Faktor sind, zeigt der Kanton Solothurn. Dort haben Firmen keinen direkten Steuervorteil – zumindest verglichen mit anderen (Tiefsteuer-)Kantonen. Doch der Kanton konnte in den letzten Jahren immer wieder Erfolge vermelden, wenn es um die Ansiedlung neuer Firmen geht. So baute etwa die US-Biotechfirma Biogen eine grosse Produktionsstätte.
Zuständig für solche Ansiedlungen ist die Standortförderung des Kantons Solothurn. Sarah Koch, die Leiterin, sagt: «Die Steuern spielen eine Rolle, wie viele anderen Themen auch, das ist klar.» Aus ihrer Erfahrung sei einer der wichtigsten Punkte heute die Rekrutierung der Fachkräfte. «Die Firmen müssen wissen, dass das Fachkräftepotenzial vorhanden ist. Und wie sie allenfalls auch Fachkräfte aus dem Ausland in die Schweiz holen können.»
Als Zweites sei die entsprechende Fläche entscheidend, wo produziert werden könne, oder Büroflächen, die bezogen werden könnten. Zudem sei die Nachbarschaft wichtig: «Sogenannte Clusterbildungen kommen nicht von ungefähr. Ansiedlungen orientieren sich häufig auch an Standorten im jeweiligen Kompetenzbereich und innerhalb der Wertschöpfungsketten.»
Doch nicht nur solche harten Faktoren seien entscheidend. «Am Ende entscheidet ein Mensch, wohin es geht», sagt Koch. Deshalb sei es wichtig, dass eine Standortförderung genau dort ansetze und sich allenfalls auch die zuständige Regierungsrätin und der Gemeindepräsident mit den Firmenverantwortlichen treffen würden.
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