Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Gesetzesbruch des SVP-Präsidenten
Treuhandaufsicht wusste von Marco Chiesas Verfehlung – griff aber nicht durch

Der Praesident der SVP Schweiz, Marco Chiesa posiert mit dem SVP Suenneli, anlaesslich der Nominationsversammlung fuer die Nidwaldner Nationalratskandidatur am Freitag, 18. August 2023 auf dem Landsgemeindeplatz in Oberdorf im Kanton Nidwalden. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Seit diese Redaktion vor drei Wochen aufgedeckt hat, dass die Treuhandfirma von Marco Chiesa über ein Jahr lang nicht korrekt geführt war, diskutiert das Tessin über dieses Thema.

Diese Woche kam die Sache auch ins Kantonsparlament. Dort zeigte sich, dass die zuständige Aufsicht zwar seit längerem über den nicht gesetzeskonformen Zustand im Unternehmen des Präsidenten der SVP Schweiz im Bild war, aber nicht energisch durchgriff.

Kampagne gegen SVP?

Ständerat Chiesa besitzt zusammen mit SVP-Nationalrat Piero Marchesi und einem weiteren Tessiner SVP-Politiker Ticiconsult. Das Treuhandunternehmen erfüllte rund 14 Monate lang eine Gesetzesbestimmung nicht: Es verfügte über keinen anerkannten Treuhänder beziehungsweise über keine anerkannte Treuhänderin. 

Entgegen allen Expertenmeinungen stellte sich Ticiconsult nach der medialen Enthüllung weiterhin auf den Standpunkt, dass man immer korrekt gehandelt habe. Chiesa, der seinen Kanton auch nach den Wahlen am Sonntag im Ständerat vertreten möchte, sprach von einer Kampagne gegen die SVP. 

Die Tessiner SVP-Politiker Marco Chiesa (links) und Piero Marchesi (Mitte) besitzen eine Treuhandgesellschaft, die eine zentrale Vorschrift im Tessiner Treuhandgesetz über ein Jahr lang nicht erfüllte.

Diese Woche hat der zuständige Staatsrat Norman Gobbi im Tessiner Parlament Stellung genommen zum Fall Ticiconsult. Gobbi gehört der Lega dei Ticinesi an, steht aber der SVP nahe und war auch schon Bundesratskandidat der Partei, die Chiesa heute führt. 

Gobbi verlas im Rat eine Erklärung der Treuhandaufsicht, die administrativ seinem Departement angegliedert ist. Dabei widersprach er der von Ticiconsult vertretenen Ansicht diametral: Im Gesetz gebe es den Grundsatz, «dass eine treuhänderische Tätigkeit nur dann zulässig ist, wenn sie unter der Verantwortung eines zugelassenen Treuhänders ausgeübt wird». In Ausnahmefällen könne auch ein Anwalt diese Rolle übernehmen. Doch diese Spezialkonstellation war bei Ticiconsult laut Aufsicht nicht gegeben. Deshalb habe es eine «sanatoria» gebraucht – was «Heilung», auch von juristisch nicht korrekten Zuständen, bedeutet.

Marco Chiesa wandte sich an Behörde

Trotz der klaren Worte beharrt Ticiconsult auf seinem Standpunkt: Man habe korrekt gehandelt. Ein Anwalt der Firma verweist in einer aktuellen Stellungnahme an diese Redaktion darauf, «dass bis heute weder ein Verfahren gegen Ticiconsult eröffnet noch eine Sanktion ausgesprochen wurde».

Chiesa hatte die Treuhandfirma mit Marchesi im August 2020 gegründet – unmittelbar nach seiner Wahl zum SVP-Präsidenten. Am Anfang war bei Ticiconsult eine Treuhänderin mit dem erforderlichen Eintrag im kantonalen Treuhandregister beschäftigt. Sie schied aber im Juni 2022 aus. 

Was daraufhin geschah, wurde mit der von Gobbi verlesenen Erklärung klarer: Zuerst verstrichen fünf Monate. Dann, im November, gingen bei der Treuhandaufsicht zwei Meldungen ein über die unzulässige Situation bei Ticiconsult. Die Aufseher kontaktierten gemäss eigenen Angaben die ausgeschiedene Treuhänderin. Sie liess sich aus dem kantonalen Register streichen. 

«In Erwartung der kurz darauf zu erfolgenden Intervention» der Aufsicht hätten sich Ticiconsult und «insbesondere Marco Chiesa» an die Behörde gewandt. Es sei zu zwei Sitzungen gekommen, an denen der Fall erläutert worden sei mit der Absicht, «die Lage des betreffenden Unternehmens zu verbessern». Es dauerte aber noch einmal rund ein Dreivierteljahr, bis Ticiconsult wieder den erforderlichen anerkannten Treuhänder einsetzte.

Parlament stellt Fragen

Die Aufsichtsbehörde kann Sanktionen gegen fehlbare Unternehmen erlassen. Im konkreten Fall verzichtete sie aber gemäss Ticiconsult darauf. In der Erklärung an das Parlament ist die Rede davon, dass die Firmenvertreter «eine kooperative Haltung» und «gutgläubigen Willen» gezeigt hätten.

Damit geben sich viele des Tessiner Parlaments nicht zufrieden. In einer Interpellation wollen Vertreter von der FDP bis zu den Grünen nun wissen, ob ein Verfahren gegen die Firma der SVP-Politiker eingeleitet wurde wegen möglicher Verfehlungen und allfälliger Straftaten. Und falls nicht: weshalb nicht?