Kommentar zum neuen FDP-ChefThierry Burkart geht eine riskante Wette ein
Der designierte Nachfolger Petra Gössis will seine Partei zurück zu den Wurzeln führen. Ob diese Strategie für zwei Bundesratssitze reicht, ist zweifelhaft.
Nein, um diesen Posten ist Thierry Burkart nicht zu beneiden: Er übernimmt das Präsidium einer Partei, die an einem historischen Tiefpunkt steht, die Wahlen um Wahlen verliert und um ihren zweiten Bundesratssitz bangen muss. Einer Partei auch, die von internen Streitigkeiten in zentralen Dossiers zerrüttet ist. Burkart muss – schlecht bezahlt und innert kürzester Zeit – Frieden stiften, den Kurs justieren und Wahlen gewinnen. Ausgerechnet der Mann, der Petra Gössi und die FDP zuletzt lautstark kritisiert hatte.
Warum also tut sich Thierry Burkart das an?
Ganz einfach: Der 45-Jährige hat Ambitionen. Und auch eine Vision für seine Partei. Seine Vision heisst: zurück zu den Wurzeln. Unter ihm soll die FDP keine vermeintlich «zeitgeistigen» Verrenkungen mehr machen, wieder mehr guter alter Freisinn sein. Sie soll sich wieder als eindeutig wirtschaftsliberale Kraft positionieren; Burkart will mit seiner Partei nicht den Sympathiepreis des breiten Publikums gewinnen.
Damit setzt er einen deutlichen Kontrapunkt zur abtretenden Petra Gössi, deren Ära geprägt war von riskanten Manövern in der Klima- und Europapolitik. Mit ihrer an sich sinnvollen Strategie, das Feld nicht einfach den Grünliberalen zu überlassen, die Partei zu modernisieren und auf diese Weise wieder zu wachsen, wollte Gössi im Rückblick zu viel in zu kurzer Zeit.
Den Beweis, dass er sich vom oppositionellen Fraktionsmitglied zum einenden Chef entwickeln kann, muss Burkart erst noch antreten.
Burkart hingegen setzt mit seiner Betonung der traditionellen FDP-Werte faktisch auf das Gegenteil. Er will offensichtlich nicht in neue Wählerschichten expandieren, sondern primär die alte Klientel halten. Das ist eine riskante Wette: Es bleibt nämlich offen, ob das klassisch-freisinnige Wählerpotenzial heute noch gross genug ist, um der FDP mittelfristig zwei Bundesratssitze zu sichern.
Zu dieser Strategie passt, dass der Aargauer den Freisinnigen zürcherischer Prägung verkörpert. Er ist von Naturell und Duktus her die Antithese zu seinem Vorvorgänger Philipp Müller, ebenfalls Aargauer und ebenfalls angetreten, seine Partei zu retten. Müller politisierte (mit einigem Erfolg) bodenständig und grobschlächtig, in betonter Distanz zum Zürcher Paradeplatz. Wirtschaftsanwalt Burkart hingegen wirkt charismatisch und eloquent, Kritiker sagen: geschliffen.
Wird seine Vision den Realitätstest bestehen? Dafür hat Burkart zumindest eine gute Ausgangslage geschaffen: Mit dem neuen Konzept einer Vierer-Entourage aus Vizepräsidenten – der freisinnigen Adaption eines linken Co-Präsidiums – kann er breite Teile der Partei erreichen. Das neue Führungsgremium ist städtisch und ländlich zugleich, zweisprachig, jung und mobilisierungsstark. Zusammen mit Johanna Gapany, Philippe Nantermod, Andrea Caroni und Andri Silberschmidt hat die Präsidentschaft Burkart damit das Potenzial, die FDP mittelfristig zu stabilisieren.
Doch dafür muss Burkart auch persönlich wachsen. Beim ersten Auftritt als designierter Parteichef gab er sich betont konsensorientiert. In seinem Präsidium finden sich aber keine Vertreter des Gössi-Flügels. Es wird daher seine erste und wichtigste Aufgabe sein, diese Teile der Partei wieder einzubinden. Den Beweis, dass er sich vom oppositionellen Fraktionsmitglied zum einenden Chef entwickeln kann, muss er erst noch antreten.
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