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Analyse zum 10. Jahrestag der Tötung Osama Bin Ladens
Terror bleibt ein Sektengeschäft, kein Mehrheitsmodell

Der Mythos verblasst: Vor zehn Jahren töteten US-Spezialkräfte Al-Qaida-Führer Osama Bin Laden in Pakistan. 
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Vor zehn Jahren wurde Osama Bin Laden auf einem Schiff in ein weisses Baumwolltuch gewickelt. Ein Imam sprach das Totengebet, danach wurde die Leiche dem Arabischen Meer übergeben. Aufnahmen von diesem Moment wurden nie veröffentlicht, der Ort der Seebestattung ist unbekannt. Die Erinnerung an den Anführer von al-Qaida und die Symbolfigur für die wohl wirkungsvollsten Terroranschläge der Vergangenheit – sie sollte verblassen. Eine Gedenkstätte hätte nur einen Märtyrer geschaffen.

In Afghanistan sollen 600 Al-Qaida-Kämpfer aktiv sein, doch die grössere Gefahr für das Land geht von den Taliban aus.

Das Kalkül ist aufgegangen. Osama Bin Laden wurde von anderen Symbolfiguren des Terrors abgelöst, al-Qaida war nur eine Spielart des islamistischen Terrors, vielfach kopiert und überboten, nicht zuletzt vom sogenannten Islamischen Staat. Die Kraft der Legende: Nun verblasst sie und geht den Gang in die Geschichte. In Afghanistan sollen 600 Al-Qaida-Kämpfer aktiv sein, doch die grössere Gefahr für das Land geht von den Taliban aus, deren Organisationsgrad und Machthunger 20 Jahre Besatzung und Staatsaufbau nicht brechen konnten.

Keine Gedenkstätte: Das Anwesen in Abbottabad, Pakistan, in dem Bin Laden getötet wurde, wird Anfang 2012 abgebrochen. 

Osama Bin Ladens al-Qaida hatte sich das wirkkräftigste Symbol für ihren Machtkampf ausgesucht: die USA und alles, was den amerikanischen Führungsanspruch in der Welt symbolisierte. Gut zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs hatten die USA den Höhepunkt ihrer Macht erklommen. Der hegemoniale Moment war einmalig, das Land stolperte durch seine unipolare Seligkeit, China war schwach, Russland am Boden, die Demokratie wies den Weg.

Der 11. September 2001 wurde zum Wendepunkt der Geschichte .

Der 11. September 2001 wurde zum Wendepunkt der Geschichte – nicht, weil die Taten so monströs und die Bilder so unfassbar intensiv waren. Der Tag sollte ein für alle Mal die Hebelkraft des Terrors belegen, der mit vergleichsweise geringen Mitteln gewaltige Wirkung erzielt.

Die USA liessen sich von Osama Bin Laden zu zwei konventionellen Kriegen verleiten, sie akzeptierten die Militarisierung ihrer Gesellschaft und die Radikalisierung ihrer Innenpolitik. Demokratie und Freiheit erlebten überall im Westen düstere Augenblicke. 2001 wird für immer ein Scharniermoment der Geschichte bleiben, der Scheitelpunkt in der Verlaufskurve von Macht, Ohnmacht und Niederlage. (Lesen Sie hier die Geschichte jenes Amerikaners, der Bin Laden erschossen hat.)

Der Rückzug aus Afghanistan, symbolstark eingeleitet zum Todestag Bin Ladens, wird den Radikalen einen letzten Triumph bescheren.

Dennoch verblasst auch eine Jahrhundertbedrohung. Diesmal nach nicht mal einer Generation. Andere Risiken belasten die Welt, neue Rivalitäten wie nun zwischen China und den USA erzwingen neue Allianzen. Die Islamisten haben aus ihrer Ideologie wenig bleibendes Kapital geschlagen. Terror bleibt ein Sektengeschäft, kein Mehrheitsmodell.

Obamas grosser Erfolg: Der US-Präsident verkündet am 1. Mai 2011  im Weissen Haus die Tötung Bin Ladens. 

Umso ärgerlicher, dass die USA die zentrale Botschaft aus der Tat nicht beherzigt haben: Bleibt standhaft. Der Rückzug aus Afghanistan, symbolstark eingeleitet zum Todestag Bin Ladens, wird den Radikalen einen letzten Triumph bescheren. Die Taliban werden schnell die Macht an sich ziehen. Am vergangenen Wochenende erst starben 27 Menschen bei einem Anschlag auf ein Gästehaus in der Provinz Logar – ein Indiz, dass der Vertrag von 2020 über Abzug und Gewaltverzicht nun tatsächlich nicht mehr gilt. Bin Ladens Saat ist zerstört, der Boden aber bleibt fruchtbar.

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