«Swift-Quakes» in Zürich?Erdbebendienst: «Wir werden Taylor Swifts Konzerte auf den Messgeräten sehen»
Konzerte des US-Popstars sind derart euphorisch, dass sie die Erde beben lassen. Auch in der Schweiz? Wir haben bei der nationalen Stelle nachgefragt.
Sind Erdbeben bei Konzerten tatsächlich möglich?
Dass Seismometer bei Grossveranstaltungen ausschlügen, sei schon länger bekannt, sagt Florian Haslinger vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED). Entscheidend ist dabei, dass sich sehr viele Menschen gleichzeitig bewegen. Die Lautstärke einer Veranstaltung, bei Konzerten insbesondere die wummernden Bässe und Beats, spiele kaum eine Rolle.
Während Taylor Swifts laufender Welttournee wurden sowohl nach den Konzerten in Seattle, Los Angeles sowie kürzlich auch in Edinburgh «Erdbeben» vermeldet, die im englischsprachigen Raum «Swift Quakes» getauft wurden. Wissenschaftliche Studien wurden dazu verfasst, Medien weltweit haben über das Phänomen berichtet.
Nach Taylor Swifts Auftritten in Seattle vor gut einem Jahr wurden die seismologischen Daten von beiden Konzertabenden übereinandergelegt. Die Ausschläge waren nahezu deckungsgleich, da Swift bei beiden Shows das identische Programm spielte. Sprich: Wenn ein Grossteil der über 70’000 Fans getanzt hat, wurden Erschütterungen erfasst, die stärksten jeweils beim Hit «Shake It Off». Sie entsprachen gemäss CNN der Magnitude 2,3 auf der Richterskala.
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Doch die «Swift Quakes» seien im seismologischen Sinn keine Erdbeben, sagt Haslinger. «Obwohl es umgangssprachlich sicher nicht ganz falsch ist, zu sagen, dass die Erde durch die Konzerte ‹zum Beben gebracht› wird.»
Nach Definition werden Erdbeben durch die Bewegung tektonischer Platten oder Vulkanaktivität verursacht, wobei es zu einem plötzlichen Spannungsabbau in der Erdkruste kommen muss. Diese Energie wandert dann in Wellen weiter. Auch menschliche Eingriffe in die Umwelt wie Tunnelbauten, das Befüllen von Stauseen und Geothermie-Projekte können Erdbeben auslösen. Bei Grossanlässen werden lediglich Schwingungen erzeugt.
Werden die Erschütterungen in Zürich überhaupt gemessen?
Taylor Swift wird in Zürich im Letzigrund auftreten. Es sind zwei Messstationen in 2 bis 3 Kilometer Entfernung zum Stadion fest installiert. «Wir gehen davon aus, dass wir die Konzerte auf diesen Stationen sehen werden», sagt Seismologe Haslinger.
Zusätzliche Messgeräte werden nicht aufgestellt. Insgesamt sind in der Schweiz rund 250 Seismometer in Betrieb, 9 davon in einem Umkreis von 10 Kilometern um den Letzigrund. In Edinburgh sind die Erschütterungen in bis zu 6 Kilometer Entfernung registriert worden.
Seismometer sind extrem empfindliche Messinstrumente, mit denen schon sehr kleine Bodenbewegungen aufgezeichnet werden können. Diese können auch vom Wetter oder Verkehr ausgelöst werden. «Wir bezeichnen diese Aufzeichnungen als seismisches Hintergrundrauschen», sagt Haslinger.
Der SED hat in der Schweiz nach Grossanlässen schon Erschütterungen festgestellt, konkret bei der Meisterfeier des FC Basel im Jahr 2017. Andere Anlässe habe der SED nicht näher ausgewertet, sagt Haslinger. «Es ist aber anzunehmen, dass Grossveranstaltungen hierzulande messbare Erschütterungen an nahe gelegenen Messstationen produziert haben.»
Spürt man das Beben auch ausserhalb des Stadions?
Seismologe Haslinger geht davon aus, dass die Erschütterungen für Menschen in Zürich kaum wahrzunehmen sein werden. «Wahrscheinlich nur direkt im Stadion selbst und eventuell noch in geringer Entfernung, bis zu 100 Meter.»
Spürbar sind Erdbeben erst ab einer Magnitude von circa 2,5 auf der Richterskala. Die Erschütterungen, die bei Swifts Auftritten in Seattle gemessen wurden, liegen mit einem rapportierten Wert von 2,3 knapp darunter.
In der Schweiz ereignen sich pro Jahr etwa 10 bis 15 Beben, die verspürt werden. Ab einer Magnitude von 4,5 bis 5,5 sind bei Erdbeben «kleine, vereinzelte Gebäudeschäden» zu erwarten, heisst es beim SED. Beben von dieser Stärke gibt es hierzulande etwa alle 8 bis 15 Jahre.
Welche Magnitude ist in Zürich zu erwarten?
Die Konzerte in Seattle und Edinburgh wurden jeweils von über 70’000 Menschen besucht. In Zürich werden etwa 45’000 pro Abend erwartet. Die Rechnung ist einfach: Je weniger Leute, desto schwächer die Erschütterungen. Zudem gilt das Schweizer Publikum im Vergleich zu anderen als nicht besonders hüpffreudig.
Wie stark können die Erschütterungen sein, die von rund 45’000 tanzenden Menschen ausgelöst werden? «Im Prinzip kann schon eine Person, die direkt neben einem Seismometer aufstampft, deutliche Signale erzeugen», sagt Haslinger. Er macht keine Prognose zur Magnitude. Die Meldungen zur Stärke der «Swift-Quakes» sind zudem mit Vorsicht zu geniessen. Es gibt Wissenschaftler, die die Zahlen aus Seattle anzweifeln, aus Edinburgh wurde erst gar keine Magnitude kommuniziert, in Los Angeles lagen die Werte unter 1.
Verschiedene Faktoren beeinflussen, wie die Energie der Menschen, die sich gleichzeitig bewegen, auf den Boden und letztlich auf die Seismografen übertragen wird. Die Beschaffenheit des Bodens spielt eine Rolle, aber auch die Bauweise des Stadions, das Frequenzen verstärken oder dämpfen kann.
«Speziell die Reichweite der Erschütterungen – also wie weit entfernt sie noch messbar sind – hängt stark vom Untergrund ab», sagt Haslinger. Das Letzigrundstadion steht auf Schotterablagerungen des Limmattals. Die eher tiefen Frequenzen (1 bis 10 Hz), die die Tanzenden auslösen, können vom weichen Untergrund rund um den Letzigrund zwar verstärkt, aber nicht besonders weit übertragen werden.
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