Iran-DemoTausende fordern auf dem Bundesplatz, dass die Schweiz handelt
Bislang lockten die Iran-Demos in Bern relativ wenige Menschen an. Am Samstag kamen jedoch Tausende. Die Redenden kritisierten den Bundesrat scharf.
Die Gewalt gegen Demonstrierende im Iran reisst nicht ab. Bisher schienen die Auseinandersetzungen aber eher wenige in der Schweiz zu mobilisieren. Doch nun riefen neben der Bewegung «Free Iran Switzerland» auch bekannte Persönlichkeiten sowie Grüne und SP in den sozialen Medien zur nationalen Solidaritätskundgebung auf. Das Resultat: Gegen 4000 Menschen versammelten sich am Samstag auf dem Bundesplatz.
Unter den Redenden waren einige prominente Politikerinnen und Politiker. Als Erste trat die Berner SP-Nationalrätin und mögliche Bundesratskandidatin Flavia Wasserfallen auf. «Die Schweiz kann und muss mehr machen», sagte sie. Und der Bundesrat müsse «endlich die EU-Sanktionen gegen den Iran übernehmen».
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Teheran wegen des Vorgehens gegen die breiten Proteste und den Menschenrechtsverletzungen nicht übernimmt. Sie schliesst sich nur den EU-Sanktionen wegen der Lieferung von Drohnen nach Russland an.
Wasserfallen schnitt sich Haare ab
Während ihrer Rede schnitt sich Flavia Wasserfallen einen Haarbüschel ab. Diese Geste hat sich weltweit als Zeichen der Solidarität mit iranischen Frauen etabliert. Hintergrund ist der Tod von Masha Amini, der die Demonstrationen im Iran auslöste. Die 22-jährige Kurdin wurde von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben soll. Am 16. September starb sie in Polizeigewahrsam. Seither protestieren Iranerinnen und Iraner im ganzen Land gegen Polizeiwillkür und Gewalt an Frauen.
Zum Bundesplatz kamen am Samstag denn auch zahlreiche Frauen. Die Menge skandierte immer wieder «Frau – Leben – Freiheit» und «Weg. Weg. Weg. Mullah muss weg». Die Stimmung war emotional, aber nicht aggressiv. Die Polizei hatte sich rund um den Bundesplatz dezent im Hintergrund positioniert.
Später übernahm die Berner Nationalrätin Natalie Imboden (Grüne) das Mikrofon. Sie sagte, sie sei beeindruckt vom Mut der Protestierenden im Iran. Was dort passiere, sei eine «feministische Revolution». Nun müsse der Bundesrat endlich handeln. Die bisherige zurückhaltende Haltung sei «eine Schande». «Keine Geschäfte mit Unrechtsstaaten, die junge Frauen umbringen», verlangte sie.
Politik, Musik und Ballone
Auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth war da und sparte nicht mit Kritik. Die Neutralität werde missbraucht, um mit Diktaturen Geschäfte machen zu können, sagt er. Dabei zog er Parallelen zur zögerlichen Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Die politischen Voten wechselten sich ab mit musikalischen Einlagen. Bei beidem war auch Persisch zu hören.
Als letzter Redner trat der gebürtige Thuner Lukas Bärfuss auf. Der Autor, der regelmässig politisch Stellung bezieht, sagte: «Im Angesicht der Gewalt gibt es keine Neutralität.» Man müsse jeden Tag von Neuem für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat kämpfen.
Nach rund zwei Stunden war die Kundgebung zu Ende. Langsam löste sich die bunt gemischte Menge auf dem Bundesplatz auf. Ballone in den iranischen Nationalfarben Grün, Weiss und Rot stiegen in den Himmel.
Fehler gefunden?Jetzt melden.