Talk mit Albert Rösti«Die SRG muss sich auf ihren Kernauftrag konzentrieren»
Wie schützt er die Schweiz vor dem Blackout und wie viele Gebühren will er dem Staatssender streichen? Bundesrat Rösti war zu Gast bei «Der Bund» im Gespräch.
Der Talk endet
Das Gespräch findet nach über einer Stunde ein Ende. Albert Rösti kriegt grossen Applaus. Das nächste «Bund» im Gespräch findet am 6. Februar mit dem Camille-Bloch-CEO Daniel Bloch statt. Wir berichten auch dann wieder live und freuen uns, Sie im Bierhübeli oder im Liveticker begrüssen zu dürfen.
Freier Sitz im Bundesrat
Tipps für nächste Berner Bundesräte wie Evi Allemann oder Matthias Aebischer: «Man muss einfach genug Parlamentarier von sich überzeugen. Ein Netzwerk ist matchentscheidend. Man wird nicht Bundesrat, weil einem das zwei Monate vorher in den Sinn kommt.» Die Politik sei bei der Bundesratswahl aber nicht an erster Stelle. Der persönliche Kontakt sei sehr sinnvoll. «Alle sind etwas Königsmacher und sind enttäuscht, wenn sie von den Kandidaten nicht mindestens einmal angesprochen werden.» Er habe als Parteipräsident das Glück gehabt, diese Kontakte schon vorher gehabt zu haben.
Atom-Endlager
Wohin soll man mit Kernabfälle? «In längerer Frist können diese Abfälle wiederverwendet werden», sagt Rösti. «Aber diese Frage müsse natürlich beantwortet werden.»
Foodwaste
Wie gross ist der Handlungsspielraum beim Foodwaste? «Das Bundesamt für Umwelt hat dazu einen Reduktionsplan. Im Konkreten wird das aber enorm schwierig sein.» Er sei einer, der sagt, man solle die Leute essen lassen, was sie wollen. Foodwaste habe er aber erst gerade kürzlich persönlich erlebt. «Meine Tochter arbeitet im Coop und hat Gipfeli mit nach Hause gebracht, die sonst weggeschossen werden würden.»
Produzierende Landwirtschaft
Wie steht der Bundesrat zur produzierenden Landwirtschaft? «Meine Position hat sich dazu nicht verändert. Was der Gesamtbundesrat dazu sagt, kann ich nicht sagen.» Gerade in Zeiten des Mangels, sei es klar, dass man eine produzierende Landwirtschaft braucht. «Der Selbstversorgungsgrad muss erhöht werden, damit wir im Notfall die Bevölkerung ernähren können.» Im Bundesrat sei dieses Thema in seiner Amtszeit bisher aber noch nicht besprochen werden. «Ich gehe aber davon aus, dass die Landwirtschaft im Bundesrat sehr gut vertreten ist.»
Ein Stromspar-Lobbyist?
Wieso will Rösti nicht als Stromspar-Lobbyist auftreten? Die Frage erntet spontanen Applaus aus dem Publikum. «Sie können schon klatschen, aber das betrifft Sie genauso», sagt Rösti. «Ich ermuntere sicher dazu, Strom zu sparen. Licht aus und eine gute Heizung.» Was er nicht gemacht habe: «Zu Dingen aufzufordern, die nicht unserem Wohlstand entsprechen. Zum Beispiel die Heizung auf 19 Grad herunterzustellen. Wir müssen es schaffen, genug Strom zu produzieren, dass das nicht nötig ist.» Es gebe aber ganz viele Stromsparmöglichkeiten, die nicht weh tun. «Heute lassen viele die ganze Nacht das Licht in den Büros brennen. Da kann man ansetzen.»
Energiestrategie 2050
In der Energiestrategie 2050 ginge man davon aus, der Atomausstieg durch erneuerbare Energien ersetzt wird. «Das ist noch nicht umgesetzt. Die Strategie ist mittelfristig mehr zu bauen», sagt Rösti. Es brauche ein paar Korrekturen an der Strategie, was die langfristige Strategie betreffe. «Ich weiss aber nicht wie es in fünf Jahren aussehen wird. Aber dazu werden wir ja alle vier Jahre gewählt, damit man das beste machen kann.»
Fragerunde
Nun hat das Publikum die Gelegenheit, Fragen an Bundesrat Rösti zu richten.
EU-Abkommen
Brauchen wir ein Stromabkommen mit der EU? Wie realistisch ist ein schneller Abschluss? Was bräuchte es für innenpolitische Anpassungen? Falls wir kein Stromabkommen bekommen: Wie würde sich die Schweiz gegen die 70-Prozent-Regel der EU wappnen? «Da muss man realistisch bleiben. Bis 2025 scheint das nicht realistisch.» Es gehe darum, dass 70 Prozent der Leitungskapazitäten für die EU zur Verfügung stehen. «In der Mitte vom Europa hängen wir von diesem Stromnetz ab. Die EU aber auch von uns.» Stand heute: «Ich habe mit allen EU-Ministern diese Gespräche geführt. Ein Einbezug des Schweizer Markts ist alternativlos. Das ist eine gewisse Entlastung, aber nicht die absolute Sicherheit.»
Solaranlagen auf den Dächern
Im Parlament hat sich Rösti und seine Partei gegen eine Solarpflicht für alle Neubauten gesperrt. Wieso eigentlich? «Wir sind immer noch in der Schweiz und die Bevölkerung sollte nicht zu etwas gezwungen werden.» Nicht jeder Einfamilienhausbesitzer könne sich eine solche Anlage leisten. «Im Sommer hatten wir auch schon zu viel Strom wegen Solaranlagen. Wir brauchen vor allem Winterstrom.»
Die AKW-Frage
Braucht es neue AKW? Wie geht Rösti in dieser Frage mit einer gewissen Erwartungshaltung um? «Über die Frage wurde eigentlich entschieden und ich kann als neuer Bundesrat nicht wieder damit kommen.» Es sei nun wichtig, einfach Anlagen für erneuerbarer Energie zu bauen zu können. «Dennoch würden wir Mühleberg rückblickend in der heutigen Situation wohl nicht mehr abschalten.»
Um gänzlich auf erneuerbare Energie umzustellen, brauche es aber eine riesige Menge Strom zusätzlich. «Ich weiss nicht, ob die Bevölkerung dazu bereit ist, entsprechende Anlagen in die Natur zu stellen.» Deshalb wünscht er sich, dass man neuen Kernkraft-Technologien eine Chance gibt. «Die Kerntechnologie ist sich enorm am weiterentwickeln.» Letztlich werde ja auch Kernenergie aus dem Ausland importiert.
Landschafts-Schutz
«Um auf der sicheren Seite zu stehen, braucht man nicht das ganze Land zu verschandeln», sagt Rösti. Ein paar Anlagen würden reichen.
Mittelfristiger Plan
Wie soll die mittelfristige Stromversorgung aussehen? «Seit dem Ausstieg aus der Kernkraft muss ein Viertel des Stroms ersetzt werden. Das gleiche bei den fossilen Energien. Das ist eine grosse Herausforderung.» Er fragt sich, wie man das machen soll, ohne Kernkraftwerke. «Es bleiben die erneuerbaren Energien.» Doch diese zu bauen sein schwierig. «Es gibt verschiedene Auswirkungen, welche die Planung schwierig macht.» Rösti spricht von dem Einfluss auf Landschaft und Natur. «Jede Energieform hat gewisse Auswirkungen.» Um mehr Strom zu bekommen, braucht es Zusprüche. Zum Beispiel müssten die Staumauern erhöht werden.
Schlaflose Nächte
Welches ist die grösste inhaltliche Baustelle, die Rösti im Departement angetreten hat? Welches Dossier bereitet Ihnen schlaflose Nächte? «Ich kann zum glück gut schlafen. Aber die Strommangellage beschäftigt mich am meisten.» Mit dieser Situation fertig zu werden, sei schwierig. «Schon nur in der ersten halbe Stunde des Tages verbraucht man sehr viel Strom.» Eine Knappheit gilt es um jeden Preis zu verhindern. «Denken wir nur an die Spitäler.» Nach 10 Monaten im Amt fühle er sich im Dossier aber schon etwas sicherer. «Heute sieht es gut aus und ich will Ihnen keine Angst machen. Aber es können dennoch schwierige Situationen entstehen.»
Druck als Stärkung?
Ist es clever mitten in einer Medienkrise die SRG zu schwächen? «Die Schwächung der SRG wäre ein Fehler. Aber eine klare Abgrenzung zum öffentlichen Markt wäre wünschenswert.» Dadurch würde eine Stärkung der SRG bedeuten. «Sie muss sich auf ihren Kernauftrag konzentrieren. Einen gewissen Wettbewerbsdruck tut da gut.» Rösti spricht von klaren Rahmenbedingungen und klaren Aufträgen.
Die SRG-Frage
Wie steht Rösti zur Halbierungsinitiative der SRG? Muss das Budget um 10 Prozent gekürzt werden? «Ich kann dazu erst zurückhaltend informieren, weil das Geschäft noch behandelt wird. Mehr dazu werden Sie am Donnerstag hören.» Es sei aber ein Thema, das man diskutieren müsse. «Die Medienvielfalt ist heute sehr gross. In wie weit und wie gross der Service Public sein muss, muss gefragt werden.» Er scheibt gleich nach, dass die SVP dazu eine sehr radikale Haltung hat. Am Mittwoch wird sich der Bundesrat zur Frage positionieren. Rösti: «Es besteht einen gewissen Handlungsbedarf und man darf über gewisse Abgrenzungen reden.»
Regulierung Jagdgesetz
Über diese Angelegenheit wurde 2021 bereits abgestimmt. Nun führt der Bundesrat die Forderung dennoch ein. «Die Ausgangslage ist nun anders», sagt Rösti. «Wir reagieren aber nur dann, wenn eine Gefahr besteht.»
Die Wolf-Frage
Wie sehr muss sich der Wolf vor Bundesrat Rösti fürchten? «Dazu habe ich schon einige Mails und Briefe erhalten.» Es sei ein typisches Thema, wo man eine Güterabwägung zwischen Nutzen und Schutz machen müsse. Beim Wolf sei das ein klassisches gesellschaftspolitisches Phänomen. «In der Stadt ist der Artenschutz sehr wichtig, in den Bergen nimmt der Schaden aber stärker zu, als man das je gedacht hätte.» Die betroffenen Bauernfamilien, deren Schafe gerissen werden, müssten viel verkraften können. «Jetzt haben wir einen Weg gefunden, auch wenn der von den Wolffreunde stark kritisiert wird.» Um ein Rudel entfernen zu können, müsse diese als Gefahr erkannt werden.
Privatleben
Wie kann man sich als Bundesrat ein Privatleben bewahren? «Wir sind an der Spitze einer ganz grossen Verwaltung mit vielen hochqualifizierten Leute. Da muss man delegieren können. Weil man braucht viel Zeit, um Dossiers zu lesen.» Kleine Arbeiten abzugeben, habe er sich angewöhnen müssen. «Dadurch werden nicht nur fünf Minuten gespart. Ich probiere pro Woche einen halben Tag Zeit für mich und meine Familie zu haben.» Unter der Woche gäbe es aber relativ wenig Flexibilität. «Am Abend und Wochenende kann man den Kalender aber selber bestimmen.»
Im Bundesrats-Zimmer
Wie laufen die Sitzungen mit den Kollegen ab? «Das ist sehr neu für mich. Kein Handy im Zimmer, die grosse Vertraulichkeit.» Die Diskussionen im Gremium seien aber sehr konstruktiv. «Es kann aber auch hart diskutiert werden. Aber das mache ich gerne.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.