Übergangsregierung in SyrienSie sitzt allein am Kabinettstisch mit lauter Islamisten
Hind Kabawat ist die neue Sozialministerin in der Regierung von Ahmed al-Sharaa. Die Christin gilt als eigensinnig und durchsetzungsstark. Sie kann dem Land nur guttun.

Bei den Sitzungen des neuen Kabinetts dürfte sie sich vielleicht ein wenig einsam fühlen – als die einzige Frau, Christin und Säkulare in einer Ministerrunde, in der Islamisten den Ton angeben. Dennoch hat Hind Kabawat nicht gezögert, Ja zu sagen. Sie sitzt als Ministerin für Arbeit und Soziales im Übergangskabinett von Ahmed al-Sharaa, einem Ex-Jihadisten, dem neuen starken Mann Syriens.
Die Medien haben die 51-Jährige zum Teil als Alibifrau belächelt, im Machtapparat eines Islamistenstaats, der seiner Natur nach nicht wirklich frauenfreundlich und schon gar nicht dem Säkularismus zugewandt ist. Es wird zweifelsfrei nicht einfach werden für die Syro-Kanadierin. Aber sie bringt Eigenschaften mit, die ihr helfen können, dem wichtigen Amt im Post-Assad-Syrien ihren Stempel aufzudrücken.
Ihr Amt zählt: «Mein Ministerium gilt als eines der wichtigsten in der Nachkriegsperiode. Man denke an die hohe Zahl an Waisen, Vertriebenen und Traumatisierten», sagt die Mutter von zwei Kindern.
Langjährige Gegnerin von Assad
Kabawat wird nachgesagt, dass sie eigensinnig und durchsetzungsfähig sei, dass sie Konflikte nicht scheue. Als Gegnerin des Ende vergangenen Jahres gestürzten Diktators Bashar al-Assad hatte sie die Zeit seit Beginn des Bürgerkriegs im Exil verbringen müssen. An ihrer Meinung zu Assad bestanden also nie Zweifel.
Was den ehemaligen Jihadisten und Al-Qaida-Mann Sharaa angeht, zeigt sie sich hingegen erstaunlich offen: «Er hat eine Vision für Syrien, und er weiss, dass er das Land nicht allein regieren kann.» Sharaa sei offen für neue Ideen. Man müsse aber im Kopf behalten, dass er «einen Konsens schaffen muss zwischen den Fraktionen der syrischen Gesellschaft».
Persönlich kennt Kabawat Sharaa erst seit dessen Angebot, in sein Kabinett einzutreten. Zu tun hatte sie indirekt aber schon Jahre zuvor mit ihm. Als Sharaa noch der politische und militärische Führer der Rebellenhochburg Idlib nahe der türkischen Grenze war und dort sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand und unter dem Bombenhagel der Russen und Syrer herrschte, beriet sie die Regierung des syrischen «Rebellenstaats»: als Expertin für Frauen- und Menschenrechte und für Governance-Fragen.
In Idlib hat sie Frauen und Kinder geschult
Die Mitbegründerin der Nichtregierungsorganisation Tastakel hatte sich die Themen Frieden, Versöhnung und Konfliktlösung früh auf die Fahne geschrieben, in Idlib von 2017 an Tausende Frauen und Kinder geschult. Dabei kam sie mit den Leuten des gern als beinharter Islamist verschrienen Sharaa besser zurecht, als dies zu erwarten gewesen war, und hinterliess offenbar ein Vermächtnis.
«Einige meiner Studenten sind heute Regierungsbeamte oder Journalisten – und einige davon sind nun meine Kollegen», so Kabawat. Sie ist selbstbewusst genug, um in Sharaas Regierungsprogramm Spuren ihrer eigenen Arbeit zu finden, die über die von ihr ausgebildeten Syrer den Weg in das Denken des neuen Präsidenten und seiner Mannschaft gefunden hätten.
Kabawat kann dem Land nur guttun: Sie hat Abschlüsse in Ökonomie und internationalem Recht, hat sich mit Fragen des interreligiösen Dialogs beschäftigt, verfügt über Erfahrung in internationalen Organisationen. Und sie hat einen klaren Standpunkt: «Niemand sollte die syrischen Frauen unterschätzen. Sie sind sehr stark, sie lassen sich von niemandem herumschubsen.»
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