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Meinung

Leitartikel zum Verhüllungsverbot
Symbolpolitik hilft unterdrückten Frauen nicht

Eine Ausnahmeerscheinung: Voll verschleierte Frau in Zürich. 
Bild: Stevan Bukvic
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Wann haben Sie zum letzten Mal eine voll verschleierte Frau im Coop angetroffen? Wahrscheinlich noch nie. Vielleicht sind Ihnen im Sommer in Interlaken einmal ein paar saudische Frauen in einer Burka begegnet, die die Juweliergeschäfte entlanggeschlendert sind. Verschleierte Frauen sind also hierzulande praktisch nie zu sehen, und ihre Zahl hat in den letzten Jahren auch nicht zugenommen. Trotzdem soll dieses Kleidungsstück mit einer neuen Bestimmung in der Bundesverfassung verboten werden. Das ist völlig unverhältnismässig und wäre schon Grund genug, die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» am 7. März abzulehnen.

Auch den Initianten ist klar, dass ihre neue Verfassungsbestimmung keine wirklich hierzulande existierenden Missstände behebt. Sie behaupten aber, dass die Schweiz damit ein notwendiges Zeichen setzen würde. Das Burkaverbot sei zu verstehen als klares Statement unseres freiheitlichen Staats gegen den radikalen Islam und die von ihm ausgeübte Unterdrückung der Frauen. Zweifellos ist es verwerflich, wenn Männer ihre Frauen oder Töchter zwingen, das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Wenn die Schweiz die Vollverschleierung verbietet, hat das allerdings für die betroffenen Frauen keine Wirkung. Es ist kaum anzunehmen, dass arabische Touristinnen künftig statt in der schwarzen Burka im luftigen Sommerkleid in der Schweiz flanieren. Sie werden ihre Hotels entweder nicht mehr verlassen dürfen oder tragen künftig eine «Burka light», die zwar ihr Gesicht sichtbar lässt, aber alles andere verhüllt; sicher auch keine Kleiderform, die sich diese Frauen freiwillig anziehen würden. Und auf die Situation in Ländern, in denen Frauen systematisch benachteiligt und unterdrückt werden und sich von Staates wegen verhüllen müssen, wird der neue Verfassungsartikel schon gar keinen Einfluss haben.

Ausserdem würde das Verbot die Freiheit jener – zugegebenermassen wohl wenigen – Frauen beschneiden, welche die Burka freiwillig tragen. Konvertitinnen etwa, die damit ihren Glaubenseifer zum Ausdruck bringen wollen. Ein liberaler Staat darf die Freiheit Einzelner nur dann einschränken, wenn das unbedingt nötig ist, um die Rechte aller anderen zu schützen. Würden wir in der Schweiz tatsächlich die Burka als Unterdrückungssymbol verbieten, müssten wir uns konsequenterweise fragen, ob es nicht noch andere Kleidungsstücke gibt, welche Frauen (und Männer) nicht freiwillig tragen, sondern weil ihre Familie oder ihr Staat sie dazu zwingen? Was ist mit dem Kopftuch, das Frauen im Iran tragen müssen? Es verhüllt zwar nicht das Gesicht, ist aber zweifellos ebenfalls Ausdruck patriarchaler Vorstellungen darüber, wie eine Frau anständig in der Öffentlichkeit aufzutreten habe.

Hinter der Initiative steht dasselbe Komitee, das 2009 das Verbot von Minaretten in der Schweiz durchgebracht hat. Damals wie heute richtet sich sein eigentlicher Kampf gegen das, was es als Symbole des Islam betrachtet. Nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn» suggerieren die Initianten, dass die Schweiz sicherer werde, wenn man den Islam nicht sieht, weder in Form eines Turms noch eines Schleiers über dem Gesicht. Verhüllte Frauen bedrohen aber niemanden, sind also per se keine potenziellen Terroristinnen. Und selbst wenn sie es wären, würde sie ein Verhüllungsverbot nicht weniger gefährlich machen. Diese Art von Politik schützt uns also weder vor Terror, noch hilft sie unterdrückten Frauen. Wären den Initianten Frauenrechte in Ländern des Nahen Ostens wirklich ein Anliegen, würden sie sich beispielsweise dafür einsetzen, dass die Schweiz wirtschaftlichen und politischen Druck auf die dortigen Regierungen ausübt. Das ist allerdings schwieriger und braucht wesentlich mehr politischen Mut, als eine Initiative gegen ein schwarzes Tuch zu lancieren.