Abstimmung zum KlimagesetzSVP führt Eiertanz um den Klimawandel auf
Offiziell bestreitet die Partei nicht mehr, dass der Klimawandel durch Menschen verursacht wurde. Doch Zweifler und Skeptiker laufen im Abstimmungskampf zu Hochform auf.
Die Haltung der SVP zum Klimawandel ist vor allem eines: nebulös. Das zeigte sich gerade diese Woche. Da flatterte ein Flugblatt in alle Briefkästen des Landes. Der Flyer wirbt für ein Nein zum Klimaschutzgesetz. Dabei wird behauptet, dass von Menschen erzeugtes CO₂ nicht die Hauptursache der Erderwärmung sei, «sondern andere Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben».
Hinter der Aktion steckt das Komitee Rettung Werkplatz Schweiz um Kurt Zollinger, ehemaliger Präsident der SVP-Sektion Stäfa. Auf Anfrage sagt er, dass er oft im Hintergrund SVP-Projekte organisiere. «Das Komitee hat sich auch mit der Mutterpartei abgesprochen.»
Nun sagt aber Michael Graber, SVP-Nationalrat und Leiter der Abstimmungskampagne, dass die SVP nichts von diesem Flugblatt gewusst und nichts damit zu tun habe, «weder finanziell noch logistisch». Er nervt sich sichtlich, dass auf der Website des Komitees sogar ein Foto von ihm verwendet wird, und hat die sofortige Löschung verlangt. Graber distanziert sich auch «in aller Deutlichkeit» vom Inhalt des Flyers. «Im Gegensatz zu dem mir nicht bekannten Komitee bestreiten wir nicht, dass der Klimawandel durch Menschen verursacht wurde.»
Kurze Verschnaufpause der Skeptiker
Trotzdem tut sich die SVP schwer mit der Klimafrage. In den Positionspapieren der letzten Jahre räumt sie zwar ein, dass der Mensch CO₂ verursacht und es im ureigensten Interesse eines jeden sei, zur Umwelt Sorge zu tragen.
Ein klares Statement zum menschengemachten Klimawandel sucht man jedoch vergebens. In einem Extrablatt von 2019 steht immerhin, dass der Mensch «Einfluss auf das Klima und die Erderwärmung hat». Das wird aber auch gleich wieder relativiert: «Unklar ist, wie gross dieser Anteil ist.»
Im Zuge der grünen Welle in den letzten Jahren sind Klimaskeptiker in der Partei zwar leiser geworden. Man nahm wohl auch Rücksicht auf die Bauern in den eigenen Reihen, die sich ernsthafte Sorgen machen wegen des Klimas. Doch das war offensichtlich nur eine Verschnaufpause.
Grosser Aufschwung der Zweifler
Jetzt im Abstimmungskampf gegen das Klimaschutzgesetz laufen die Skeptiker in der Partei wieder zu Hochform auf. Nicht nur das Komitee aus Stäfa streut Zweifel am menschengemachten Klimawandel, sondern insbesondere auch Parteimitglieder an der Spitze.
Das Halali der Skeptiker im Vorfeld der Abstimmung begann zu Beginn dieses Jahres ganz zuoberst. Christoph Blocher, intellektueller Vordenker der Partei, sagte in einem Interview in der NZZ: «Ich frage mich auch, ob es nur wegen des CO₂ wärmer wird.» Auf die anschliessende Frage, ob er glaube, dass die Klimaerwärmung ein natürlicher Prozess sei, antwortete er lapidar: «Alles ist natürlich. Auch der Mensch ist ein Teil der Natur.» Weiter unten merkte er an: Es sei unbestritten, dass es wärmer werde. «Aber warum das so ist und ob es nicht wieder kälter werden könnte, das weiss ich nicht.»
SVP-Nationalrat und Verleger Roger Köppel erwähnte diese Woche auf seinem Videokanal «Weltwoche daily» eine Meldung der Russischen Akademie der Wissenschaften. Diese hatte mitgeteilt, dass die globale Erwärmung nicht vom Menschen gemacht sei.
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Köppel sagte dazu, dass die Akademie eine «gewichtige Stimme» sei. Es gebe auf jeden Fall einen Klimawandel, der nicht vom Menschen verursacht sei. «Ich erinnere daran, dass ein gewisser Hannibal mit seinen Elefanten ohne Spikes über die Alpen defilieren konnte.» Schon im Februar hatte Köppel in einer seiner Sendungen Zweifel an der «Umwelt- und Klimahysterie» gesät.
Am weitesten geht Glarner
Noch weiter geht SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Er verbreitete diese Woche auf Twitter den umstrittenen Flyer des Komitees Rettet den Werkplatz Schweiz, von dem sich sogar die Mutterpartei in aller Deutlichkeit distanziert. Für Glarner hingegen war es eine «vernünftige Nachricht».
Und Glarner macht sich sogar lustig über den Klimawandel: Er hat neulich ein Foto eines Hauses auf Facebook gepostet, bei dem an der Fassade die Höhe eines Hochwassers im Jahr 1501 eingezeichnet ist. Dazu schrieb er: «Was wohl um 1501 für Autos fuhren?»
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Zweifler sind die inoffiziellen Abstimmungshelfer
In der offiziellen Abstimmungskampagne fährt die SVP eine andere Linie. Dort wird der Klimawandel, um den es eigentlich geht, weitgehend ausgeblendet. Dafür fokussiert die Volkspartei auf die ihrer Meinung nach negativen Seiten des Gesetzes. Es wird in der Werbung als «Stromfressergesetz» bezeichnet, das die Energiesicherheit gefährde und zu explodierenden Kosten führe.
Dennoch dürften die lauten Klimaskeptiker im Abstimmungskampf eine wichtige Rolle spielen: Denn je besser es der Partei gelingt, Zweifel zu streuen, desto weniger dringlich scheinen die Klimaziele, welche das Gesetz erreichen will, und desto eher legt die Bevölkerung ein Nein in die Urne.
Kampagnenleiter Graber hat denn auch keine Berührungsängste mit Skeptikern und Leugnern: «Ich sehe kein Problem, dass wir vereinzelt Leute in der Partei haben, die den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel kritisch sehen. Man muss verschiedene Ansichten zulassen.» Problematisch wäre laut Graber eher, «wenn man Menschen, die von der Mehrheitsmeinung abweichen, stigmatisiert».
Selbst Ökologen in der Partei sind auf Kurs
Es gibt in der SVP aber auch prominente Mitglieder, die sehr besorgt sind wegen des Klimawandels. Dazu gehören die Berner Nationalräte Andreas Aebi und Erich von Siebenthal – beides Bauern. Sie wiesen in den letzten Jahren schon mehrfach auf die Probleme hin, die der Klimawandel in der Landwirtschaft verursacht. Trotzdem sind beide gegen das Klimaschutzgesetz. Von Siebenthal begründet das so: «Die Klimaerwärmung ist ein sehr grosses Problem. Wir Bauern bekommen es besonders stark zu spüren.» Der Kampf gegen den Klimawandel sei wichtig. Er sei aber gegen das Gesetz, weil es die Versorgungssicherheit gefährden würde. Man könne nicht Wärmepumpen und Elektroautos so stark fördern, ohne die Gewissheit zu haben, dass der Strom ausreiche.
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