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Streit um Klimaschutzgesetz
Die SVP zielt auf Rösti – Knatsch bei den Bauern

Die Trockenheit im Sommer macht den Bauern zunehmend zu schaffen. Allerdings befürworten nicht alle politische Massnahmen gegen den Klimawandel.
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SVP-Bundesrat Albert Rösti ist erst drei Monate im Amt – und schon im Clinch mit seiner Partei. Im Abstimmungskampf zum Klimaschutzgesetz zielt die SVP, zumindest vordergründig, voll auf den Mann: «Bundesrat Rösti erzählt das Gegenteil von Nationalrat Rösti», schreibt die Partei in einer Mitteilung. Zwar müsse Rösti nun die Haltung des Bundesrats vertreten. Trotzdem sollte er aber auf alle Fakten und Folgen des «Stromfressergesetzes» hinweisen. 

Rösti erläutert am Freitag vor den Medien die Argumente des Bundesrats und des Parlaments für das Klimaschutzgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Es ist sein erster Abstimmungskampf als Bundesrat, und er muss ihn gegen die eigene Partei führen, gegen seine frühere Haltung. 

Mit ihrer Mitteilung sendet die SVP ein Signal an ihre Sympathisanten aus: Rösti sage nicht, was er wirklich denke – also sei seine Botschaft nicht ernst zu nehmen. 

Gesetz ohne Verbote

Anders als seine Partei vermeidet Rösti die offene Konfrontation. In einem Punkt gibt er der SVP recht: «Ich will der Bevölkerung nichts vormachen», sagt Rösti. Dass es – wie seine Partei stets betont – für die Dekarbonisierung mehr Strom brauche, sei richtig. Deshalb sei der Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien so wichtig. Der Bau von Solaranlagen und Windrädern. Klimapolitik beginne mit Energiepolitik. 

Doch der SVP-Umweltminister widerspricht seiner Partei auch. Während die SVP vor Verboten und hohen Kosten warnt, sagt Rösti: «Das Klimaschutzgesetz enthält keine Verbote und keine zusätzlichen Gebühren oder Abgaben.» Darin unterscheide es sich wesentlich vom abgelehnten CO₂-Gesetz. «Die Bevölkerung wird finanziell unterstützt.» Sollten später weitere Massnahmen beschlossen werden, könnte dagegen erneut das Referendum ergriffen werden.

Rösti hebt hervor, dass fossile Energien nicht bloss das Klima belasteten, sondern auch begrenzt verfügbar seien und die Abhängigkeit vom Ausland erhöhten. Und er hat eine Botschaft an die Bauern: Das Klimaschutzgesetz enthalte Massnahmen, die der Landwirtschaft direkt zugutekämen. Das Gesetz verpflichte Bund und Kantone nämlich auch dazu, Massnahmen zum Schutz von Mensch und Natur vor den Folgen der Klimaerwärmung zu ergreifen – Folgen wie Trockenheit, Hochwasser oder Steinschlag.

Mächtige Bauern unterstützen Referendum dieses Mal nicht

Die Bauern – auch sie machen der SVP aktuell zu schaffen. Trugen die Landwirte in der jüngeren Vergangenheit mit gross angelegten Plakataktionen dazu bei, dass Volksbegehren wie die Massentierhaltungsinitiative oder die beiden Agrarinitiativen an der Urne scheiterten, unterstützen sie das Referendum der Partei dieses Mal nicht. Der Schweizer Bauernverband hat am Donnerstag die Ja-Parole zum Klimaschutzgesetz beschlossen. 

Die Bäuerin und Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder sagt: «Wir Bäuerinnen und Bauern sind Teil der Natur – die Folgen des Klimawandels sind für uns existenziell. Wenn es so heiss und trocken ist wie im letzten Sommer, wächst bei uns bald nichts mehr.» Für sie sei klar, dass die Bauernfamilien alles Interesse daran haben müssten, sich für einen Schutz des Klimas einzusetzen.

Bäuerin Priska Wismer-Felder will, «dass die Landwirtschaft Teil der Lösung ist».

Wehen in den nächsten Wochen also gar im grossen Stil Klimaschutz-Flaggen an den Scheunen und Bauernhäusern im Land? Wohl kaum. Denn trotz Ja-Parole will sich der Bauernverband im Abstimmungskampf zurückhalten. Es werden keine Plakate gedruckt, ein finanzielles Engagement ist nicht vorgesehen. Grund dafür ist, dass die Landwirtinnen und Landwirte in der Frage viel gespaltener sind, als es die Parole erahnen lässt.

«Wer weiss, vielleicht bauen wir in fünfzig Jahren in Zürich Reis an.»

Martin Haab, SVP-Nationalrat und Zürcher Bauernpräsident

Gewichtige Exponenten machten sich sowohl im Vorstand als auch im Parlament des Bauernverbands für ein Nein oder eine Stimmfreigabe stark. Am Ende votierten 40 Delegierte für eine Stimmfreigabe – und 46 für die Ja-Parole. 

Zu jenen, die das Gesetz bekämpften, gehört der Zürcher Bauernpräsident Martin Haab (SVP). Er bestreitet nicht, dass die Landwirtschaft von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Haab stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass sich diese Entwicklung nicht mehr abwenden lasse. «Die Gletscher werden nicht plötzlich wieder wachsen und die Sommer nicht kühler, nur weil wir Ja stimmen zu diesem Gesetz.»

Vertreten – zumindest öffentlich – unterschiedliche Positionen: SVP-Bundesrat Albert Rösti verteidigt das Klimaschutzgesetz, Parteikollege und Bauer Martin Haab bekämpft es. 

Es gelte darum, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen, wie dies die Bauern seit je täten. «Früher gab es Mais in der Schweiz nur im Rheintal und im Tessin, heute im ganzen Land. Wer weiss, vielleicht bauen wir in fünfzig Jahren in Zürich Reis an.» Vernünftig sei es, sich nun beispielsweise in Israel abzuschauen, wie man die Pflanzen in einem heissen Klima effizient bewässern könne.

Bis dato sei die Erderwärmung für die Schweizer Bauern zudem nicht nur negativ. Wenn der Winter kürzer werde, könne das Vieh im Herbst länger auf der Weide bleiben.

«Wir wollen uns nicht gegenseitig zerfleischen.»

Markus Ritter (Die Mitte), Präsident des Bauernverbands

Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands und Mitte-Politiker, hatte dem Klimaschutzgesetz im Nationalrat zugestimmt. Am Donnerstag nun plädierte er für Stimmfreigabe.

Er begründet dies mit seiner Funktion. «Ich habe gesehen, dass es den Verband zwischen den beiden Lagern fast zerreisst. Meine Aufgabe als Präsident ist es, den Laden zusammenzuhalten.» Dies vor allem auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen: «Wir wollen uns nicht gegenseitig zerfleischen und dann im Herbst geschwächt sein.»

Neben den Luzerner Bauern traten etwa die Vertreterinnen und Vertreter aus der Westschweiz offensiv für ein Ja zum Gesetz ein. Ein möglicher Grund dafür sei, dass die Romandie im vergangenen Sommer besonders stark unter der Trockenheit gelitten habe, sagt Ritter. Tendenziell ablehnend äusserten sich Kantonalsektionen mit starker SVP-Vertretung.

Ritter sagt, es sei jeder Bauernfamilie selber überlassen, ob sie ein Plakat für oder gegen das Gesetz aufhänge. Dass die Landwirtschaft die öffentliche Stimmung so stark prägen wird wie in früheren Abstimmungen, schliesst er aus. «Diese Kampagnen hatten nicht zufällig so eine Wucht. Das erforderte eine generalstabsmässige Organisation.» Wichtiger als die Parole des Bauernverbands seien dieses Mal andere Faktoren – etwa das Wetter oder die Situation auf dem Energiemarkt, prognostiziert Ritter.

Kampf für kommende Generationen

Priska Wismer-Felder bedauert es, dass sich der Bauernverband finanziell nicht engagiert. Offensichtlich sei es aus internen Gründen wichtig, auf die Gegner des Gesetzes Rücksicht zu nehmen. Allerdings wäre es aus ihrer Sicht wertvoll gewesen, der Bevölkerung zu signalisieren, «dass die Landwirtschaft Teil der Lösung ist».

Sie selber wolle es sich nicht nehmen lassen, diesen Kampf zu führen – für kommende Generationen, aber auch mit Blick auf die globale Situation. «Wir können noch auf hitzeresistentere Sorten umschwenken – und werden dies auch tun müssen. Aber in gewissen Regionen der Welt wird es bald zu heiss, um überhaupt noch Lebensmittel anzubauen.»

Kein Verständnis hat sie für die Haltung, die kleine Schweiz könne den Klimawandel ohnehin nicht aufhalten. «Es ist gleich wie in der Familie: Nur wenn jeder seinen Beitrag leistet, kommen wir vorwärts.»