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Corona-Schutz am Arbeitsplatz
Suva-Chefinspektor: «Wir können gar nicht alle Baustellen kontrollieren»

Die Suva kontrolliert die Sicherheitsvorschriften am Bau: Besichtigung einer Baustelle in Zürich.
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Herr Bloch, wie läuft die Arbeit der Inspektoren am Bau ab?

Zurzeit bekommen wir viele Anzeigen. Wir sind ziemlich ausgelastet, denen nachzugehen. Das läuft ähnlich ab wie bei einer Überprüfung der Arbeitssicherheitsvorschriften. Wir kommen hin, melden uns beim Baustellenverantwortlichen und gehen mit ihm zusammen die Hygienemassnahmen durch. Dann schauen wir, welche Mängel allenfalls auf der Baustelle vorliegen, und besprechen das mit ihm, damit er sie behebt.

Was sind die häufigsten Probleme oder Missstände, die Sie sehen?

Es gibt zwei wesentliche Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit betreffend Hygiene und soziale Distanz. Die eine ist, sich regelmässig die Hände zu waschen. Man braucht vor Ort fliessend Wasser, Seife und Einwegtrocknungstücher. Hier waren die Baustellen wirklich schnell beim Aufrüsten, damit die Leute die Möglichkeit haben, sich die Hände zu waschen. Das zweite ist die Abstandsregel von 2 Metern. Da gibt es teilweise Diskussionen um die Interpretation der Vorgaben. Das kann auf der Baustelle – wie auch anderswo – zu grossen Herausforderungen führen.

Ist es am Bau überhaupt möglich, die Abstandsregel einzuhalten?

Es gibt Arbeitsabläufe, da ist das kein Problem. Wenn man im Hochbau am Mauern ist, dann kann man sich gut aus dem Weg gehen. Darüber hinaus gibt es Arbeitsabläufe, wo Leute kurzfristig zusammenkommen, weil sie gemeinsam etwas heben müssen. Wenn das wirklich sehr kurz ist, dann ist das noch okay. Wenn es etwas länger geht – bei Arbeiten von dreissig Minuten oder einer Stunde – können sich die Mitarbeitenden vor Ort mit persönlicher Schutzausrüstung schützen, also Atemschutzmasken und Schutzbrillen tragen. Was nicht mehr geht, ist, wenn auf kleiner Fläche viele Leute arbeiten. Ähnlich wie in den Lebensmittelläden wenden wir am Bau die 10-Quadratmeter-Regel an. Das heisst im Innenausbau – dort, wo der Küchenbauer, der Schreiner und der Bodenleger unterwegs sind – darf in der Arbeitszone pro 10 Quadratmeter nicht mehr als eine Person tätig sein.

Was unternehmen Sie, wenn Sie einen Verstoss feststellen? Schliessen Sie die Baustelle?

Wenn die 10-Quadratmeter-Regel nicht eingehalten wird, dann besprechen wir das mit den Betrieben vor Ort. Wenn man keine Lösungen findet, hat das zur Folge, dass die Arbeit für die Betriebe eingestellt wird. Wir können keine ganzen Baustellen einstellen. Unser Ansprechpartner ist der Betrieb vor Ort, dem wir dann mitteilen, dass er die Arbeit auf der Baustelle erst weiterführen kann, wenn die Regel eingehalten werden kann.

Ist das bereits vorgekommen?

Ja, in ein paar wenigen Fällen. Viele Unternehmen und Bauleitungen haben bereits reagiert. Sie bieten nicht den Küchenbauer, den Plattenleger und den Schreiner gleichzeitig auf. Sie haben das Programm so angelegt, dass heute der Küchenbauer kommt, morgen der Plattenleger und übermorgen der Schreiner. Sie nehmen einen etwas längeren Arbeitsablauf in Kauf, aber sie können wenigstens weiterarbeiten. Es gibt eine hohe Sensibilisierung gegenüber dem Coronavirus. Wir müssen niemandem sagen, dass der Schutz der Beschäftigten wichtig und erforderlich ist.

Er leitet das Team der Sicherheitsexperten für den Bau bei der Suva: Adrian Bloch, Bereichsleiter Bau, an einer Medienkonferenz.  Nach einer Zeichnerlehre hat er ein Bauingenieurstudium absolviert und war danach bei verschiedenen Bauunternehmen tätig. Derzeit wechselt er zwischen Homeoffice und Büro.

Die Gewerkschaft hat gefordert, alle Baustellen in der Schweiz zu schliessen, sie zu kontrollieren und erst dann wieder zu öffnen, wenn die Einhaltung der Regeln garantiert ist. Ist das realistisch?

Das geht nicht. Wir können gar nicht alle Baustellen kontrollieren. Dazu sind die Kontrollinstanzen der Schweiz nicht in der Lage. Wir sind so aufgestellt, dass wir Stichprobenkontrollen machen können. Ob die Einhaltung der Regeln schliesslich funktioniert, sieht man erst, wenn die Leute arbeiten. Man kann aufgrund der Planung festhalten, dass man die 10-Quadratmeter-Regel einhält und es Händewaschmöglichkeiten gibt. Aber erst bei der Arbeit sieht man, ob das tatsächlich so umgesetzt wird.

Unlängst haben Bilder die Runde gemacht von überfüllten Baubaracken und verdreckten Toiletten. Haben Sie bei den Kontrollen Mängel gefunden, die es notwendig machen, alle Baustellen dichtzumachen?

Nein. Wir können zwar noch keine repräsentativen Aussagen machen. Aber auf den Baustellen, auf denen wir unterwegs waren, haben wir noch keine solchen Bilder angetroffen, wie man sie im Internet gesehen hat. Wir gehen davon aus, dass viele reagiert haben und die Sachen in Ordnung gebracht haben. Es ist nicht so, dass wir keine Mängel angetroffen hätten. Aber wenn wir die Mängel angesprochen haben, dann haben die verantwortlichen Betriebe und Bauleiter das umgesetzt.

Können Sie allen Anzeigen nachgehen, die Sie erhalten?

Es kann sein, dass wir bereits am nächsten Tag dort sind. Aber es ist nicht in jedem Fall möglich, dass wir sofort hinkommen. Das ist abhängig von der Menge der Anzeigen, die wir bekommen. Es kommt darauf an, wie gravierend die Mängel sind, die uns gemeldet werden. In gewissen Fällen rufen wir die Arbeitgeber an und sagen ihnen, worauf es ankommt. Das leistet auch einen grossen Beitrag. Wir rufen an, wenn derjenige, der eine Anzeige macht, auch einverstanden ist. Wir sagen nie, wer uns angerufen hat. Die Anonymität ist gewährleistet.

«Wer auf der Baustelle unterwegs ist, darf nicht einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sein.»

Adrian Bloch, Bereichsleiter Bau bei der Suva

Können Sie garantieren, dass sich niemand am Bau mit Corona ansteckt?

Das kann niemand. Aber die Einhaltung der Massnahmen reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Einen 100-Prozent-Schutz bei Viren gibt es nicht. Unser Ziel ist: Wer auf der Baustelle unterwegs ist, darf nicht einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sein als alle anderen, die sich sonst in der Schweiz bewegen und sich an die Hygienemassnahmen halten.

Hinter der Diskussion um den Umgang mit dem Coronavirus am Bau steht die Debatte, was höher zu gewichten ist: Gesundheit oder Wirtschaftsinteressen. Wie gehen Sie in Ihrer täglichen Arbeit damit um?

Im Normalfall sind wir unterwegs, um die Einhaltung der Arbeitssicherheitsmassnahmen zu überprüfen. Da gibt es klare Vorschriften: Wenn man ein Gebäude errichtet, braucht es zum Beispiel ein Fassadengerüst, ein Auffangnetz oder andere Schutzvorkehrungen. Es gibt ganz klare Vorgaben, und die müssen einfach umgesetzt werden – ungeachtet der Kosten. Die Kosten werden bereits bei der Planung einkalkuliert. Wenn ein Gerüst 100’000 Franken kostet, dann ist das mit eingerechnet. Das ist nicht eins zu eins vergleichbar. Jetzt sind wir mit einer neuen Situation konfrontiert. In dieser aussergewöhnlichen Situation braucht es die Solidarität und Mithilfe von allen Beteiligten.