Super-G der Frauen in St. MoritzVonn überzeugt beim Comeback – und provoziert die Gegnerinnen
Lindsey Vonn fährt nach fast sechs Jahren Pause in die erweiterte Weltspitze. Lara Gut-Behrami wird Zweite – zu einem Thema schweigt sie bewusst.

Theater hat sie meistens veranstaltet. Auf und neben der Piste. Und fast immer hat sie die Hauptrolle beansprucht.
So ist das auch jetzt in St. Moritz, bei ihrem Comeback im Weltcup, nach fast sechs Jahren Absenz. Mit Nummer 31 rast Lindsey Vonn die Piste hinunter, in dem Moment ist es fast nebensächlich, dass die Österreicherin Cornelia Hütter den Super-G gewinnen und Lara Gut-Behrami Zweite wird.
Vonn verliert im oberen Teil viel Zeit, kann danach aber ausgerechnet in den technisch schwierigen Passagen verblüffend gut mithalten. Sie wird 14. und klassiert sich in der erweiterten Weltspitze, der Rückstand beträgt lediglich 1,18 Sekunden. «Es war einfach geil, ein super erster Schritt» – so lautet das Résumé der Amerikanerin.
Die Konkurrenz applaudiert, wobei die eine oder andere Fahrerin ins Grübeln geraten wird. Vonns Darbietung wird einigen zu denken geben. Und die Debatte bezüglich der Leistungsdichte im Speedbereich wird künftig wohl lauter geführt als auch schon.
Eine Konkurrentin? «Das ist sie schon»
Vonn ist also wieder da, mit 40 und künstlichem Kniegelenk. Dabei hatte ihr kaputter Körper noch 2019 angeblich zu ihr geschrien, sie müsse alles stoppen.
Szenekenner wie Aussenstehende mögen sich fragen: Warum nur?
Nun ist alles geflickt, so sagt sie das jedenfalls, und bedenkt man, dass die Piste bei ihrer Fahrt bereits ramponiert war, ist ihre Leistung noch höher einzuschätzen. Die Italienerin Marta Bassino (Rang 11) spricht von einer «Rückkehr zum Staunen», Michelle Gisin (15.) konstatiert, dass Vonn vor ihr klassiert ist, «auf einer technisch schwierigen Strecke, Hut ab». Siegerin Hütter ihrerseits sagt, das Alter spiele bei Vonn sowieso keine Rolle, «ihr geniales Gefühl auf den Ski wird sie noch als 80-Jährige haben». Und auf die Frage, ob sie bald zur ernsthaften Konkurrentin werden könnte, antwortet Hütter: «Das ist sie doch schon.»

Lara Gut-Behrami ihrerseits mag nach ihrem 93. Podestplatz nicht über die Rückkehrerin sprechen, «es muss nicht sein, dass jeder seinen Senf dazugibt», sagt sie nur. Daher Überleitung zu ihrer eigenen Leistung, die wie zuletzt in Beaver Creek überzeugend ist. Zwar begeht die Tessinerin im Mittelteil einen Fehler, «für den habe ich teuer bezahlt», sagt sie. Das Malheur hat gewiss mehr gekostet als die 18 Hundertstel Rückstand, die sie im Ziel aufweist. Im Super-G-Weltcup liegt sie nun gemeinsam mit Sofia Goggia dennoch in Führung.
«Es ist mir scheissegal»
Kurz nach ihrer Fahrt sagt Gut-Behrami, sie sei nicht zufrieden, eben wegen des Fehlers. Mit etwas Abstand aber berichtet sie von einem gewonnenen zweiten Platz, «das Vertrauen kommt wieder zurück, langsam aber sicher fahre ich so, wie ich mir das vorstelle».
Das Selbstvertrauen steigt, die Zuversicht ebenso – geht es nur im Ansatz so weiter, dürfte die 33-Jährige wieder eine Anwärterin sein im Kampf um den Gewinn des Gesamtweltcups, ein neuerliches Duell mit Federica Brignone scheint nicht unwahrscheinlich. Aus Schweizer Sicht zu überzeugen vermag derweil Corinne Suter: Platz 10 ist ein Aufsteller, die Abfahrts-Olympiasiegerin zeigt die beste Fahrt seit ihrer Rückkehr nach erlittenem Kreuzbandriss.
Doch zurück zu Vonn: So schnell, wie sie runtersaust, so schlagfertig gibt sie sich im Interview. Sie habe überhaupt nichts riskiert, sagt sie, «ich bin nur gemütlich ins Ziel gefahren.» Falls dem tatsächlich so ist, muss sich das für die Gegnerinnen wie eine verbale Ohrfeige anfühlen. Vonn sagt auch, das sei erst der Anfang gewesen, sie will mehr, nach ganz vorne.
Faszination und Bewunderung löst die Gewinnerin von 82 Weltcuprennen aus, von diversen Experten gab es aber auch Kritik und Häme, nicht zu knapp. Sie habe immer polarisiert, sagte Vonn unlängst, «die Leute lieben oder hassen mich». Nun fügt sie an: «Es wird so viel Quatsch geredet, es ist mir scheissegal.»
In den letzten Jahren hatte Vonn ihre eigene TV-Show, sie war als Expertin tätig, entwarf Ski-Bekleidung, half, die Olympischen Spiele 2034 nach Salt Lake City zu holen. Sie durchlebte schwierige Phasen mit Schlafstörungen und Panikattacken, immer dargestellt in den sozialen Medien. Ihre Mutter starb vor zwei Jahren an der Nervenkrankheit ALS, deren Tod hat etwas ausgelöst bei der Amerikanerin. Sie will nichts mehr verpassen in ihrem Leben, schon gar keine Torstange, auch darum ist sie zurückgekehrt. Es könne sein, dass sie stürze, hielt Vonn fest. «Aber so ist das Leben.» So viel Fatalismus muss sein.
Vonns Comeback ist kein Gag, wie einige Medien schrieben, und schon gar nicht gaga, das hat sie bei erster Gelegenheit bewiesen. Sie liebe einfach das Skifahren, hält sie fest. «Egal, was die Leute sagen, ich tue das für mich, ich brauche weder das Rampenlicht noch die Aufmerksamkeit.» Man mag das glauben. Oder auch nicht.
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15 Stephanie Venier
Ihre Teamkollegin Hütter führt, was zeigt Venier? Auch sie hält oben mit, bei der zweiten Zwischenzeit hat sie allerdings schon vier Zehntel Rückstand. Und kurz vor dem Ziel fliegt sie bei der letzten Welle weit, rettet sich ins nächste Tor – aber das kostet natürlich viel Zeit. Venier ist zurzeit Zwölfte.
14 Marta Bassino
Und noch eine Italienerin gehört zur Top-Gruppe im Super-G. Bassino ist Weltmeisterin in dieser Disziplin. Und ausgerechnet im Gleiterstück oben schnell. Dann verschätzt sie sich, verpasst beinahe ein Tor. Bassino rettet sich – und reiht sich auf Rang 9 ein.
13 Elena Curtoni
Die nächste Italienerin ist gestartet. Vor einem Jahr verletzte sich in diesem Rennen und verpasste die ganze weitere Saison. Offenbar hat sie das verdaut, Curtoni attackiert – und wird Vierte. Das war eine ganz starke Fahrt – vor allem mit dieser Vorgeschichte.
12 Ester Ledecka
Die Tschechin, die auf einem Brett und zwei Brettern glänzt, schaffte 2018 in Pyeongchang den ganz grossen Coup und wurde nicht nur mit dem Snowboard Olympiasiegerin – sondern auch bei den alpinen Skifahrerinnen im Super-G. Auch in diesem Rennen hält sie zumindest oben gut mit, dann verliert aber auch Ledecka Zeit. Mit 75 Hundertsteln Rückstand auf Hütter ist sie Fünfte.
11 Mirjam Puchner
Die Österreicherin ist oben 23 Hundertstel schneller als ihre Teamkollegin. Dann allerdings verliert Puchner in den ersten technischen Passagen eine halbe Sekunde. Im Ziel sind es 76 Hundertstel, Rang 5.
10 Federica Brignone
Auch die Italienerin gehört zu den Mitfavoritin. Und die starke Technikerin hält schon oben mit, wo es vor allem um Gleiterfähigkeiten geht. Das wird eng. Doch es reicht nicht für Brignone. Sie verliert 43 Hundertstel – Hütter bleibt in Führung, Gut-Behrami ist noch immer Zweite.
9 Kajsa Vickhoff Lie
Die Norwegerin ist nach dem Rücktritt von Ragnhild Mowinckel die beste Speedfahrerin ihres Landes. Sie startet gut, verliert aber kontinuierlich Zeit. Im Ziel sind es 1,42 Sekunden, gibt Zwischenrang 6.
8 Cornelia Hütter
Die beste Abfahrerin des letzten Winters ist mit einem Sieg in die Speedsaison gestartet, im Super-G wurde sie Vierte. Hier verliert die Österreicherin bis zur zweiten Zwischenzeit 32 Hundertstel auf Gut-Behrami, holt dann aber auf. Reicht das? Ja, um 18 Hundertstel. Hütter ist die neue Führende.
7 Sofia Goggia
Auch sie ist nach einer Verletzung zurückgekehrt, und wie: mit den Rängen 2 und 1 in Beaver Creek. Und auch Goggia riskiert brutal viel – doch es reicht nicht. Gut-Behrami bleibt vorne. Goggia verliert 15 Hundertstel.
6 Lara Gut-Behrami
Jetzt kommt die Top-Favoritin aus der Schweiz. Mit den Rängen 3 und 2 aus Beaver Creek ist die 33-Jährige angereist. Oben hält sie mit, liegt nur 13 Hundertstel hinter Suter. Dann kommen ihre Passagen mit den vielen Kurven, die Schwünge sind wunderbar, dann hebelt es sie bei einem Sprung aus, fast verpasst sie das nächste Tor. Aber es geht alles gut, Gut-Behrami ist 62 Hundertstel schneller als Suter und winkt ins Publikum.
5 Corinne Suter
Die Schwyzerin ist in Beaver Creek nach ihrem in Cortina d’Ampezzo erlittenen Kreuzbandriss zurückgekehrt. Und in St. Moritz startet sie fulminant, sie liegt oben 36 Hundertstel vor Melesi. Es ist nicht die ultimative Attacke von Suter, aber eine saubere Fahrt. 21 Hundertstel ist sie schneller als die Italienerin.
4 Romane Miradoli
Die zweite Französin ist unterwegs. Im Super-G von St. Moritz schaffte sie es 2022 als Dritte aufs Podest. Heute ist sie solid unterwegs – bis sie zu direkt auf ein Tor zufährt und das nächste verpasst. Vierte Fahrerin, zweiter Ausfall.
3 Kira Weidle-Winkelmann
Nach ihrer Heirat im Sommer trägt die Deutsche einen deutlich längeren Namen. Sie ist im Training von Beaver Creek gestürzt und klagt über Knieschmerzen. Sie verliert 88 Hundertstel auf Melesi.
2 Roberta Melesi
Nach einem kurzen Unterbruch geht es weiter mit der Italienerin Roberta Melesi. Sie ist ähnlich schnell unterwegs wie vor ihr Gauché. Im Gegensatz zur Französin schafft sie es ins Ziel und setzt eine erste Richtzeit: 1:16,19 Minuten.
1 Laura Gauché
Die Französin eröffnet das Rennen. Es ist ein ziemlich sauberer Lauf von Gauché, allerdings nicht mit vollem Risiko – und doch stürzt sie kurz vor dem Ziel. Es verdreht ihr die Beine beim Sturz. Sie kann aber aufstehen und fährt selbstständig ins Ziel.
Herzlich willkommen
In St. Moritz ist alles bereit für ein Spektakel. Die Sonne scheint, die Temperaturen sind kalt, besser geht es nicht.
Die heimischen Fans dürften besonders auf Lara Gut-Behrami hoffen, die bereits mit der Startnummer 6 ins Rennen steigt. Die 33-Jährige hat in St. Moritz vor 16 Jahren ihr erstes Weltcuprennen gewonnen – einen Super-G. Bis heute stand sie hier achtmal auf dem Podest. Und auch ihre aktuelle Form scheint wieder zu stimmen, nachdem sie beim Saisonauftakt in Sölden noch hatte Forfait geben müssen. Bei den ersten Speedrennen in Beaver Creek vor einer Woche wurde sie Dritte in der Abfahrt und Zweite im Super-G.
Gut-Behrami ist aber nicht die erste Schweizerin am Start. Das ist Corinne Suter mit der Nummer 5. Neben den beiden werden sich gleich acht weitere Schweizerinnen die Corviglia hinunterstürzen: Michelle Gisin (20), Jasmina Suter (22), Priska Ming-Nufer (24), Joana Hählen (25), Delia Durrer (29), Malorie Blanc (33), Stephanie Jenal (35) und Janine Schmitt (41).
Gleich nach den Top-30-Athletinnen des Super-G wird die Spannung noch einmal steigen. Dann nämlich gibt die einstige Speed-Queen Lindsey Vonn ihr Comeback – über fünf Jahre nach ihrem Rücktritt. In Beaver Creek überzeugte die 40-Jährige, die mit einer Teilprothese im rechten Knie fährt, bereits als Vorfahrerin. Und nun also kehrt die Amerikanerin so richtig zurück in den Weltcup, mit der Startnummer 31. Wie sie sich wohl schlägt?
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